Wo kann man einen Novembertag besser verbringen als im Museum?

Geschrieben von am 22. November 2006 23:20

Bei diesem Wetter bietet sich ein Museumsbesuch geradezu an. Ein Museum, in dem man gut und problemlos einen Tag verbringen kann, ist das altehrwürdige Germanische Nationalmuseum in Nürnberg – und hat nach diesem Tag wahrscheinlich nicht einmal einen Bruchteil der Sammlungen gesehen. Denn eigentlich ist das Museum ein Labyrinth mit unerschöpflich erscheinenden Sammlungen, was darauf zurückgeht, das es seit seiner Gründung im 19. Jahrhundert (durch den Herrn von Aufseß) sukzessive angebaut wurde, um die ständig wachsenden Sammlungen unterbringen zu können. Befand man sich eben noch in alten Klostermauern aus Backstein, wartet ums Eck schon der Saal aus den 1960er Jahren. Das macht einerseits den Charme des Museums aus. Trotz Wegeplan weiß man eigentlich nie, wo man sich nun genau befindet. Es kommt vor, dass man minutenlang durch Gänge und Säle läuft, ohne einem Menschen zu begegnen; auch die Aufsicht scheint sich irgendwo zu verstecken. Das ist eigentlich ein schönes Gefühl: Die Vorstellung, dass man hier bleiben kann und unendlich viel Zeit hat, sich die Skulpturen, Musikinstrumente, Bauernstuben Trachten, Gemälde…. anzuschauen – und nicht schnöde um 17 oder 18 Uhr hinausgeschmissen wird. Auf der anderen Seite bekommt man dann doch irgendwann den Museumskoller, da man die Abteilungen, die man gerne noch besichtigen möchte, partout nicht findet. Und irgendwann stellt sich die Frage: Komme ich hier überhaupt wieder raus? Es ist, als würde das Museum einen verschlingen. Den Ausgang gefunden, hat das Museum einen zwar wieder in die Freiheit entlassen, aber auch mal wieder nicht alles preisgegeben. Wieder einmal ist mir die Besichtigung der Frankfurter Küche oder der Apotheke aus Öhringen nicht gelungen. Ob es das nächste Mal wohl klappt?

Noch ein neues Museum in Paris

Geschrieben von am 5. November 2006 14:35

Am schulfreien Mittwoch sieht man am Rande des Bois de Boulogne die Au-pair-Mädchen mit den ihnen anvertrauten Kindern hinschlendern. Vor dem Eingangsportal warten bereits Busse, die Kinder aus den Vororten für einen Nachmittag im Freizeitpark Jardin d’Acclimatation herangekarrt haben: Hier im Jardin d’Acclimatation, vor den Toren von Paris, möchte die Fondation Louis Vuitton ein neues Forum für zeitgenössische Kunst schaffen. Für das Gebäude wurde der amerikanische Architekt Frank Gehry gewonnen, der mit einer Art Wolke den ersten Entwurf vorgelegt hat.

Ursprünglich war der Jardin d’Acclimatation ein Zoo: 1860 unter Napoleon III. eingeweiht, präsentierte hier eine zoologische Gesellschaft exotische Tiere wie Giraffe, Bären und Kamele. Bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 wurde der Zoo geschlossen. Viele Tiere wurden evakuiert, die anderen während der deutschen Belagerung im Winter 1870/71 von der hungrigen Pariser Bevölkerung aufgegessen. Um nach dem Krieg wieder die Massen anzulocken und um die verlorenen Tiere zu ersetzen, setzte Zoodirektor Albert Geoffroy Saint-Hilaire nun auf sogenannte ethnographische Ausstellungen. Konkret hieß das Menschen ausstellen; das Prinzip war schon während der Weltausstellungen salonfähig gemacht worden. Nun bewunderten Bürger neben exotischen Tieren Menschengruppen die „Wilden“ wie „Nubier“, „Lappen“, oder „Rothäute“. Es entstand ein regelrechter Menschenhandel, da findige europäische Organisatoren den Austausch zwischen den europäischen Metropolen mit ähnlichen Etablissements koordinierten.
Als das Interesse etwas erlosch, verwandelte sich der Jardin um die Jahrhundertwende in ein Gelände für die Familie, das nicht nur Amusement, sondern auch Belehrung bieten wollte, mit Vorträgen über Hygiene oder Medizin, Reiseberichte oder open-air-Kino, aber auch Karussels für Kinder. 1952 erfolgte eine weitere Umorienierung in einen Freizeitpark, mit kleinen Attraktionen wie einer kleinen Bimmelbahn. Auf Tiere wurde nun fast gänzlich verzichtet, stattdessen werden die Guignols etabliert, ein festes Kasperletheater.
1954 überließ die Stadt Paris dem Staat das Palmarium aus dem Jahre 1910, um hier das nationale volkskundliche Museum zu erbauen. Georges Henri Rivière, dessen Gründer, ließ ein damals ultramodernes Gebäude errichten, das in den 1960er Jahren eröffnet wurde und das weit über die Baumkronen des Bois de Boulogne ragt. Geplant war auch, analog zum Nordiska Museet in Stockholm, im Jardin d’Acclimatation ein Freilichtmuseum zu errichten. Das hat aber nie geklappt. Heute steht das Gebäude leer, da das gesamte Museum nach Marseille umzieht und zum Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (MUCEM) wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

In Paris wurde die Ankündigung von Bernard Arnault, dem Präsident der Firmengruppe von Louis Vuitton, mit Verwunderung aufgenommen, wie die Liberation schreibt. Denn angeblich soll das neue Museum die Sammlung von M. Arnault aufnehmen – aber keiner weiß Bescheid, um welche Werke es sich dabei überhaupt handelt. Er hat es aber auf jeden Fall geschafft, sich in Paris zu etablieren, anders als sein Konkurrent François Pinault, der auf der Seine Insel bei Paris in Boulogne-Bilancourt seine zeitgenössische Sammlung ausstellen wollte, aber sich nicht mit der Stadtverwaltung einigen konnte und deswegen entnervt mitsamt seiner Sammlung nach Venedig ging. (Aber dafür auf Platz 1 steht, siehe Beitrag vom 3.11.2006)

Nebenbei bemerkt, hat Lyon schon eher als die Hauptstadt auf die Wolke gesetzt: Dort entsteht das Musée des Confluences, das auf der naturwissenschaftlichen Sammlung der Stadt beruht und sich künftig mehr aktuellen kulturellen und sozialen Fragen der Gesellschaft widmen will. Das Gebäude, das aussieht wie eine asymmetrische Wolke auf Beinen, wurde von der österreichischen Architektengruppe Coop Himmelb(l)au erdacht und wird gerade erbaut. Dazu steht ein Artikel in der NZZ online.
Und hier kann man – auf französisch – über die Geschichte der Menschenausstellungen im Jardin d’Acclimatation lesen und weiterführende Literatur finden.

Wer den Ton angibt in der zeitgenössischen Kunst

Geschrieben von am 3. November 2006 12:17

Man kennt sie ja, die Listen, die vorzugsweise Boulevardblätter erstellen: die 100 erotischsten Frauen oder Männer, die schlechtangezogensten usw. usw.
Interessant ist, dass die Kunstzeitschrift „Art Review“ eine Liste herausgibt mit den 100 mächtigsten Personen im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Auf Platz 1 steht ein Franzose: François Pinault, Kaufhausbesitzer und Kunstliebhaber, der im April seine immense Sammlung von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts in Venedig im Palazzo Grassi präsentierte.
Interessant ist auch der letzte Platz auf der Liste: ihn nimmt keine Person ein , sondern die Bildersuchmaschine von Google. Sie dient den mächtigen und noch nicht so mächtigen Menschen im Museums- und Ausstellungsbereich als das Recherchemittel, um die Kunst überhaupt lokalisieren zu können.
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