Tiere im Museum
Ein Affe wacht im Museum of Liverpool über die Keramik.
Ein Affe wacht im Museum of Liverpool über die Keramik.
Passt ja von der Numerierung genau: Bitte Platz zu nehmen auf ORIGINALEN Sitzen aus dem alten Wembley Stadion (2003 abgerissen) – genauer gesagt auf den Plätzen 36 und 37.
Sie stehen heute natürlich im National Football Museum in Manchester. Und, ja man kann sich hier nochmals die Szene von 1966 anhören, als beim WM-Finale England gegen West-Deutschland ein Tor gegeben wurde, das eigentlich keines war….
Das Museum of Liverpool!
Das Museum hat den Council of Europe Museum Prize bekommen. „Museum is the cream* of Europe“, heisst es so schön auf der Museumswebsite, und Direktor David Fleming offenbart, dass es das Ziel war, nichts weniger als das beste Stadtmuseum der Welt zu machen.
Auf alle Fälle ein Grund mehr, es für nächstes Jahr auf die Liste der zu besuchenden Museen zu setzen – hier auf dem Museumsblog war ich schon voll des Lobes.
*was mich daran erinnert, dass es dort im Museumsshop den besten fudge mit clotted cream gab, den ich je gegessen habe…
Wer jetzt schon eine Museumsreise für 2013 plant und England im Blickfeld hat, der sollte auf keinen Fall das Museum of Liverpool in der gleichnamigen Stadt verpassen.
Bei einem Besuch in Liverpool ist der Besuch des Hafens, genauer die Albert Docks obligatorisch. Und da sticht es gleich ins Auge: ein wie dahingeworfen wirkendes Gebäude, das sich gut an die Umgebung anpasst, mit einem interessantem bunten Funkeln in der großen Glasfront.
Im Foyer fühlt man sich gut empfangen: man kann erst einmal auf der Bank etwas rumsitzen, den schneckenförmigen Aufgang, der natürlich an das Guggenheim Museum erinnert, anschauen, sich von der bunten Videoinstallation berieseln lassen oder erst einmal ins Cafe gehen. Für die vielen verschiedenen Eindrücke ist man dann gut gestärkt!
Das Museum of Liverpool ist ein buntes, differenziertes und vielschichtiges Stadtmuseum. Die Besonderheiten der Stadt werden thematisch in einzelnen Ausstellungen aufbereitet; wer eine Struktur oder einen Überblick braucht, bekommt einen kompakten Zeitstrahl im ersten Stock. Auch wer von Liverpool keine Ahnung hat bzw. Liverpool eigentlich nur mit den Beatles verbindet, wird hier seine Freude haben: es gibt so viel zu entdecken und zu erfahren.
Die thematischen Ausstellungen funktioniert jede für sich allein. The great Port gleich am Eingang dient als guter Einstieg, da ausgehend vom Hafen die Stadtgeschichte kompakt erzählt wird. Natürlich spielt hier auch die Eisenbahn eine besondere Rolle…
Doch nicht nur an die glorreichen frühenere Zeiten wird hier angspielt: die Gegenwart ist immer präsent – mit Objekten, im Film, in den Medienstationen. Diese sind all überall präsent: überall flimmert und dröhnt es. Die Medien haben sehr unterschiedliche Funktionen: sie sind Show wie der Film über die beiden Fußballmannschaften Liverpools, bieten Unterhaltung oder dienen als Objektlegenden. Auch viele Spiele, die man auch noch als erwachsene Besucherin gerne spielt, sind mit dabei. Jede Station für sich genommen, ist bereichernd – in der Menge aber dann doch etwas zuviel und zu laut.
Trotz dieser Medienpräsenz kamen die Objekte nicht zu kurz: sie sind keine „Alibi-Objekte“, sondern stehen für eigene Geschichten. Es sind oftmals Objekte, die sich ohne Legende nicht erschließen – aber dann umso mehr. So kommt jeder auf seine Kosten: schauen, lesen, hören.
Was auch noch auffällt, ist die Normalität, wie hier alles barrierefrei eingerichtet zu sein scheint – die Aufzüge funktionieren, alles ist gut ausgeschildert, die Filme können mit Bildunterschriften und Gebärdensprache ergänzt werden.
Alles in allem: ein grandioser Museumsbesuch, den ich hier nur andeuten kann. Da der Eintritt frei ist, kommen viele – zumeist aus der Umgebung – gerne wieder: In dem Jahr nach der Eröffnung haben sich schon über eine Million BesucherInnen die Ausstellungen angeschaut. Das verwundert nicht, denn ein Tag reicht lange nicht aus, um alles zu sehen und auszuprobieren. Also: mindestens zwei Tage einplanen!
Nachtrag: Sehr lesenswert ist der Beitrag von Janet Dugdale, Direktorin des Museum of Liverpool, im von Bettina Habsburg-Lothringen herausgegeben Band: Dauerausstellungen.
Selten war ich von einem Objekt so berührt wie neulich im Imperial War Museum North in Manchester – es handelte sich um ein zerschmolzenes Gebäudeteil aus dem World Trade Center in New York.
Das Berührtsein liegt natürlich zum großen Teil daran, dass ich diese Tragödie dank Fernsehen hautnah mitbekommen habe und nun sehr viele Erinnerungen geweckt wurden. Aber dann unmittelbar vor solch einem Stück zu stehen, ist schon etwas anders als Medienbilder, die so weit weg erscheinen…
Es ist überhaupt erstaunlich und lobenswert, dass ein Museum, das sich den vergangenen Kriegen widmet, auch soviel Aufmerksamkeit den kriegerischen Auseinandersetzungen und Konflikten der Gegenwart widmet.
Der Elefant im Imperial War Museum North in Manchester begrüßt die BesucherInnen vom Café in die Ausstellung.
Eine spektakuläre Pose: angeblich feierte Arthur Kinnaird, ein Ausnahme-Fußballer, der auf allen Positionen spielen konnte, so 1882 einen spektakulären Sieg. Zu sehen natürlich im National Football Museum in Manchester.
Wie der Bär in die Vitrine kam, weiss niemand mehr von den vielen volunteers, die die alte Bibliothek des Yorkshire Museum für den Publikumsverkehr fitmachen. Auf alle Fälle macht er sich an dieser Stelle als Buchwächter sehr gut!
Im mosi, also im Museum of Science and Industrie of Manchester, stehen viele Bänke – etwa solche, die noch aus der frühen Eisenbahnzeit stammen (im Museum ist der erste Passagierbahnhof weltweit integriert). Aber keine Bank ist so schön wie diese: sie ist einem früheren Mitarbeiter gewidmet.
Für Nina Gorgus, der ich viele inspirierende Texte, Unterstützung als Neo-Blogger und die Entdeckung neuer Museen verdanke. Gottfried Fliedl
Wohnhaus, Studio, Archiv, Galerie, Antikensammlung, Bibliothek, Gruft? Von allem etwas, aber sicher nicht das was wir landläufig unter Museum verstehen. Zu Lebzeiten seines Schöpfers war es das auch nicht, sondern Wohnsitz der Familie Soane. Dieses Hybrid von Räumen, Gängen, Treppen, Schächten, Durchblicken, Vexierbildern ist – heute – John Soane’s Museum. Eines der merkwürdigsten, bizarrsten, interssantesten Museen überhaupt.
John Soane (1753 – 1837) galt bereits zu Lebzeiten und gilt bis heute als einer der bedeutendsten englischen Architekten. Von dem Einkommen, das er aus seinen Projekten bezog – darunter war eine der wichtigsten und größten Bauaufgaben seiner Zeit, der Neubau der Bank of England –, und auf Grund von Erbschaften konnte er sich, als angesehener und wohlhabender Mann, im Londoner Lincoln’s Inn Fields niederlassen.
Er erwarb dort das Haus Nr.12 und nach und nach zwei benachbarte Häuser und baute sie in Etappen aus. Zum Entsetzen seiner Erben vermachte er alles dem Staat und bestimmte in einer testamentarischen Verfügung, dieses Ensemble unverändert als Museum der Öffentlichkeit zu bewahren – for the benefit of Amateurs and Students of Painting, Sculpture and Architecture. Dieser Wunsch wurde nach Soanes Tod erfüllt, das Museum öffnete noch in seinem Todesjahr und so blieb dieser einzigartige Ort seither weitgehend unverändert erhalten.
Die elegante und schlichte Fassade und der schmale Korridor, den man hinter der Eingangstür findet, lassen nicht ahnen, in welch labyrinthisch verzweigtes Pasticcio von Räumen man sich gleich verirren wird. Vertikale und horizontale Durchbrüche lenken den Blick auf ständig wechselnde Sichtachsen, von raffiniert konstruierten verdeckter, z.T. von buntem Glas gefilterter Belichtungen magisch erhellte Räume verschachteln und verschieben sich wie Kulissen ineinander, Verspiegelungen und Nischen und diaphane Wandteile verrätselten zusätzlich die Rumstruktur. Kunstwerke, wie z. B. eine Florabüste, sind vor Spiegelglas aufgestellt und spiegeln ihr Spiegelbild ihrerseits wieder in einem konvexen Rundspiegel.
Nicht genug damit. Soane hatte eine Vorliebe für in die Decke eingelassene, gewölbte, runde Konvexspiegel, die den umliegenden Raum wie in einem Brennglas fangen und Raum und Ausstattung verfremden.
Der Grundriss sieht recht überschaubar aus, aber es scheint der Architekt alles unternommen zu haben, um über diesem rationalen Raster ein Reich der überraschenden Übergänge, der beständigen Verwandlung, der Auflösung der festen Grenzen, des flutenden Lichts zu schaffen. Die Räume sind auf recht unterschiedliche Weise untereinander verbunden, nicht alle kann man betreten, aber man kann in sie hineinsehen und andere bilden überlegt inszenierte Blicke auf Räume, Raumteile oder ein bestimmtes Arragement von Objekten.
Soane scheint sein Haus wie ein Regisseur genutzt zu haben, das er Interessierten wie eine Bühne öffnete, aber nur wenn das ihm geeignet scheinende Licht herrschte, lumiére mysterieuse, das den Dingen ein eigentümliche Zwischendasein zwischen Schatten und Helligkeit verleiht.
Alle Räume sind Auf- und Ausstellungsorte für Soane’s Sammlung aberhunderter Objkete: Kunstwerken, Fragmente, Spolien, Kopien, Gemälde, Zeichnungen, Pläne, Statuen, Büsten, Ornamente, Figurinen, Architekturskizzen, Modelle. An die 3000 Objekte umfasst die Sammlung überwiegend ägyptischer, griechischer und römischer Objekte. Und das in einer keineswegs musealen, sondern in einer – zumindest nicht auf den ersten und zweiten Blick – durchschaubaren, rätselhaften Mischung.Die von Museen gewohnte chronologisch-kunsthistorische Ordnung, die sich in jener Zeit in Museen durchsetzt, gibt es hier nicht. Völlig unterschiedliche Dinge halten engste Nachbarschaft, weder nach Größe, Herkunft, Stil oder Funktion vergleichbar.
Tatsächlich gibt es all die einzelnen Funktionen, die man von einem (gutbürgerlichen) Haus erwartet – die wohnlichen Räume, einen Ankleideraum, einen Speiseraum usw., aber auch ein Studio, in dem Soane mit seinen Architekturstudenten arbeitete, die Bildergalerie (picture room), die durch eine ingeniöse Anordnung verschiebbarer und aufklappbarer Wände in einem verhältnismäßig kleinen Raum viele Werke aufnehmen kann, dann aber auch eine Art Binnenhof, monks parlour, der mit einschlägigen Spolien bestückt, Soane als Bühne für gesellige Zusammenkünfte diente. In der ‚mittelalterlichen‘ Mönchszelle – die von manchen Interpreten als Parodie auf die zeitgenössiches Gotik-Mode gedeutet wird -, mit ihren bleiverglasten Fenstern und einer morbiden Ausstattung wie einem hölzernen Skelett, versammelte Soane die Gäste zum Nachmittagstee.
In den sogenannten Katakomben – die ihren Namen nach den in ihnen auf gestellten Aschenurnen erhielten – steht im Zentrum ein römischer Altar des 2. Jahrhunderts nachchristlichen Jahrhunderts. Der Raum enthält aber unter anderem auch Porträtbüsten der Kaiserzeit, Aschenurnen, von denen eine wiederum aus dem Besitz von Giovanni Battista Piranesi stammt, Reliefs mit Theatermasken, die aus Pompeji stammen, den Torso einer knieenden Niobide, die römische Kopie eines tanzenden Satyr, zwei ägyptische Stelen der XXII. Dynastie und vieles andere mehr. Wie im ganzen Haus geht es auch hier weder um eine historische, chronologische oder taxonomische Anordnung, sondern um eine ästhetische, um geheime Verwandtschaften und Beziehungen unter den Dingen, die man als Besucher in einer nie enden wollenden Entdeckungsreise zu entziffern – oder einfach zu genießen – aufgefordert ist.
Wie in durch Foucalts Zitierung berühmt gewordnen Text Borges’, ist es auch hier so, daß das einzig Gemeinsame der Dinge das Fehlen eben eines Gemeinsamen ist, insofern ist es ein unvollendbares Universum, das erst mit dem Tod des Sammlers zum Stillstand kam.
Herzstück des Museums ist The Dome, auch Sepulcral Chamber, Krypta oder Museum genannt, ein durch drei Stockwerke reichender schachtartiger Raum. Als das British Museum seinen Ankauf ablehnte, erwarb Soane den (leeren) Sarkophag Pharao Sethis (oder Sethos) I. – dieser war im Oktober 1817 von Giovanni Battista Belzoni entdeckt und nach London gebracht worden.
Dieser Toten- und Unsterblichkeitsraum im Zentrum des Ganzen ist von Fund- und Sammlerstücken über und über bedeckt und bestückt, wobei er von vielen Seiten her betreten und über eine umlaufende Galerie aus verschiedensten Perspektiven betrachtet werden kann. Hier ist die Lichtregie besonders raffiniert und man muß sich vorzustellen versuchen, daß Kerzenlicht – Soane soll für Gäste Kerzen auch in den Sarkophag gestellt haben – den dicht an dicht arrangierten Objekten einen besonderen Effekt verlieh. So etwas wie einen Nabel des gesamten Ensembles und des gesamten Hauses bildet die Büste Soanes selbst, die auf die auf der gegenüberliegenden Galerie Kopie des Apoll von Belvedere blickt.
Eine Deutung bietet der Kunsthistoriker Donald Preziosi an. Nämlich daß es sich bei begehbaren und bei, z.B. vertikalen, bloß betrachtbaren Raumachsen um freimaurerischen Ritualen folgende Inszenierungen halten, die immer einen Weg der Verwandlung beschrieben, z.B. vom Dunklen zum Licht oder vom Tod zum Leben (wie im Dome). Was hier, extrem vereinfacht zusammengefasst, etwas pedantisch klingen mag, stellt Prezios in den Kontext einer bemerkenswert sicher vorgetragenen erweiterten These auf. Daß nämlich das moderne Museum sowieso eine freimaurerische ‚Erfindung‘ sei. Wofür er etwa das Ashmolean Museum oder Lenoires Musée des Monuments (auf das sich Soane u.a. bezog) als Beispiele nennt – aber auch Soanes Mitgliedschaft und seine architektoniuschen Projekte für die londoner Freimaurer.
Ich bin noch nicht sicher, ob ich Preziosi in dieser Deutung folgen will, aber wenn er damit den Verwandlungscharakter des Museums ins Spiel bringt, kann ich ihm gut folgen. Er rückt damit die zivilisatorische Rolle des Museums der Moderne ins Zentrum und dessen Bedeutung für die Ausbildung, das Prozessieren, das Entwerfen und Erproben individueller wie kollektiver Identitäten ins Zentrum der Museumsidee der Moderne.
Daß das Museum unter anderem ‚modern‘ ist, insofern dies Transformation oder Zivilisierung notwendigerweise immer unabgeschlossen bleiben muß, das macht Soanes kaleidoskopische Maschinerie deutlich.