Geschrieben von Nina Gorgus am 19. Februar 2009 15:54
Hinschauen, nicht wegsehen. Gurs 1939-1943 heisst die Ausstellung, die zur Zeit im Historischem Museum in Luzern gezeigt wird.
Anzuschauen sind die Werke aus der Sammlung Elsbeth Kasser. Frau Kasser war eine Krankenschwester aus der Schweiz, die während des Zweiten Weltkriegs für die Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder und das Schweizerischen Roten Kreuzes in Internierungslagern des besetzten Frankreichs tätig war. Sie brachte vor allem aus dem Lager in Gurs Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien mit, die ein Stück weit den Alltag in den Lagern widerspiegeln.
In Gurs wurden u.a. deutsche, jüdische EmigrantInnen interniert, die sich in Frankreich vor dem NS-Regime sicher glaubten. Darunter waren viele Intellektuelle und KünstlerInnen wie Charlotte Salomon, Lisa Fittko, Hannah Arendt oder Max Lingner, von dem auch das Bild stammt (von der Seite des Historischen Museums). 1942/1943 wurden knapp 4000 Juden und Jüdinnen, die sich noch in Gurs befanden über Drancy bei Paris ins Todeslager nach Auschwitz deportiert.
Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Elsbeth Kasser-Stiftung, des Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern, der Hochschule Luzern und der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz. Die Gestaltung entwickelten Studierende der Hochschule Luzern – auf der Seite der Elsbeth-Kasser-Stiftung ist das alles nachzulesen.
Die Sammlung wird heute im Archiv für Zeitgeschichte an der ETH Zürich verwahrt und kann hier angesehen werden.
Historisches Museum Luzern
Pfistergasse 24, CH-6000 Luzern 7 +41 41 228 54 24 / 22
Öffnungszeiten: 10-17 Uhr, Montag geschlossen
Geschrieben von Nina Gorgus am 25. Januar 2008 11:07
Aus einer Rezension „Die Logistik des Holocaust“ der NZZ zur Ausstellung „Sonderzüge in den Tod“ in Berlin:
„In den Eröffnungsreden wurde der heftige Konflikt zur Frage, ob eine solche Ausstellung auf Bahnhöfe gehört, stillschweigend übergangen. Man gratulierte sich gegenseitig dazu, dass es überhaupt zu einer solchen Ausstellung kommen konnte. Und doch war zu spüren, dass die Deutsche Bahn diese Ausstellung nicht wollte. Mit Publikumsandrang war offensichtlich nicht gerechnet worden, und so reichten die Plätze nicht einmal für die aus Paris angereisten betagten Vertreter des Verbandes «Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs». Der Presse wurde kaum eine halbe Stunde Zeit eingeräumt, um sich die vierzig Stellwände anzuschauen, und diese wiederum sind so eng angeordnet, dass man sich gegenseitig auf die Füsse tritt. (…) Aus unerfindlichen Gründen wurde die Ausstellung in die hinterste Ecke einer riesigen unterirdischen Halle gedrängt. Überdies ist der Bahnhof Potsdamer Platz zwar zentral gelegen, hat aber als Regionalbahnhof in Berlin keine Bedeutung und ist entsprechend menschenleer.“
Deswegen: hingehen.
Berlin, Regionalbahnhof Potsdamer Platz, bis 11. Februar. Man muss ein bißchen suchen.
Geschrieben von Nina Gorgus am 23. Januar 2008 12:02
Lange weigerte sich die Deutsche Bahn bzw. Herr Mehdorn, die in Frankreich auf Bahnhöfen gezeigte Ausstellung „Elftausend Kinder“ über die Transporte der französischen Bahn in die deutschen Vernichtungslager auch auf deutschen Bahnhöfen zu zeigen. Nun hat Herr Mehdorn auf Weisung von Minister Tiefensee eingelenkt: die veränderte Ausstellung mit dem Titel „Sonderzüge in den Tod – Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn“ ist ab heute in Berlin am Potsdamer Platz zu sehen und thematisiert die Rolle der Reichsbahn bei den Todestransporten. Das Protestieren hat also genutzt; allen voran hatte sich die Initiatorin Beate Klarsfeld immer wieder dafür eingesetzt. Bis zum 11. Februar ist die Fotoausstellung in Berlin zu sehen; danach sollen andere Städte wie Frankfurt am Main und Stuttgart angefahren werden.
Eine andere Ausstellung mit ähnlicher Thematik, „Zug der Erinnerung“ hat hingegen immer noch Probleme mit der Deutschen Bahn. Laut taz-Bericht tun die Entscheidungsträger der DB alles, um den Gedenkzug durch Deutschland zu verhindern.
Bilderserie hier auf n-tv.
Meldung hier auf Spiegel-online; der ausführlichere Artikel steht hier.
Geschrieben von Nina Gorgus am 30. Januar 2007 10:38
„Elftausend Kinder“, das ist eine Foto-Ausstellung über die während des Nationalsozialismus ermordeten Kinder, die Beate und Serge Klarsfeld federführend in Frankreich mit einem Verein erarbeitet haben. Sie erinnert an die Kinder zumeist deutscher Herkunft, die mit der Bahn von Frankreich aus in die deutschen Vernichtungslager fuhren. In Frankreich wurde die Ausstellung, unterstützt von der französischen Bahngesellschaft SNCF, an vielen Bahnhöfen gezeigt. In Deutschland lehnte die Deutsche Bahn, bzw. Herr Mehdorn, das Ansinnnen mit fadenscheinigen Gründen ab. Es kam im Sommer 2006 zum Eklat, über den der Museumsblog berichtete. Am 1.12.2006 kam es, durch die Vermittlung von Verkehrsminister Tiefensee, zu einer Einigung: Dem Deutschlandfunk sagte Beate Klarsfeld im Interview, dass das Bahnmuseum in Nürnberg für Januar 2008 eine Ausstellung vorbereiten werde, in der es auch über die Rolle der Reichsbahn bei den Deportationen gehen solle. Der Verein stelle dafür Material zur Verfügung, wobei alle weiteren Modalitäten für Beate Klarsfeld nicht geklärt waren: sie ging weiterhin von einer Ausstellung auf deutschen Bahnhöfen aus. Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar zeigte sich nun, das keine Einigung erzielt wurde und die Fronten eher verhärtet sind. So wird in der Frankfurter Rundschau der Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff zitiert:
„Mehdorn beschädige mit seiner Weigerung „massiv“ das moralische Fundament der Bundesrepublik, rügte Krippendorff. Der Bahnchef kündige „partiell den Konsens der deutschen Demokratie auf“. Besonders infam sei es, dass die Bahn AG Beate Klarsfeld aufgefordert habe, Exponate aus der Ausstellung „Elftausend Kinder“ für eine eigene Bahnschau zu Verfügung zu stellen. Damit werde das Gedenken ins Belieben der Bahn AG gestellt, kritisieren die Demonstranten. Vor allem das Schicksal der Kinder werde dann wohl nicht mehr gewürdigt.“
Letzten Samstag setzten sich mehrere Menschen in vielen Aktionen dafür ein, dass die Ausstellung nun endlich hier auf deutschen Bahnhöfen gezeigt werden kann. Es fuhr der „Zug der Erinnerung“ zwischen Würzburg und Schweinfurt mit Teilen der Ausstellung „Elftausend Kinder“, ganz legal von einer Bürgerinitiative gemietet. In anderen Städten verteilte Demonstranten auf den Bahnhöfen und in den Zügen Flyer, um die Reisenden auf das Thema aufmerksam zu machen. Die Bahn ging mit den Demonstranten nicht zimperlich um, verhinderte Vorträge vor den Bahnhöfen und auf den Bahnsteigen, wie mehrere TeilnehmerInnen berichten. Das Ganze trägt also weiterhin zur Beschädigung der Bahn bei.
Auf der Seite von German-Foreign-Policy.de ist ein Dossier zu den „Elftausend Kindern“ zu finden.
Geschrieben von Nina Gorgus am 11. Juli 2006 10:05
Seit einiger Zeit verweigert die Deutsche Bahn AG, eine Wanderausstellung auf ihren Bahnhöfe zu zeigen: „11 000 Kinder“ heisst die in Frankreich von der Organisation „Fils et Filles des Déportés Juifs de France“ konzipierte Ausstellung. Sie gibt den Opfern des Nationalsozialismus Gesichter, da die Bilder Jungen und Mädchen porträtieren, die auf der Schiene in die Todeslager gebracht wurden. Während auf den 18 französischen Bahnhöfen die Schau von den Reisenden gut angenommen wurde, befürchtet man auf deutscher Seite, dass die hektischen Bahnhofatmosphäre dem Thema nicht angemessen sei. Beate Klarsfeld (ja, die mit der Ohrfeige), die federführend in der Organisation tätig ist, sagte neulich in der Frankfurter Rundschau (29.6.06) dazu: „Es hieß, es gäbe kein Geld, etwa um die Ausstellung zu bewachen. Zudem könne man das deutschen Reisenden nicht zumuten.“ Wenn ich daran denke, was einem sonst auf den Bahnhöfen zugemutet wird (billige Ramschstände, Werbeaktionen von Autofirmen etc), dann wäre diese Ausstellung ein großer Gewinn – gerade auch für die Bahn, um mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte zu beginnen. Denn es wurden über die Gleise der Deutschen Reichsbahn, die heute die Deutsche Bahn AG nutzt, die Todes-Transporte durchgeführt. In einigen Orten wie in Weimar bildeten sich sogar Bürgerinitiativen für die Ausstellung, die diese Aufarbeitung fordern und den Opfern gedenken wollen – doch bislang vergebens. In Frankreich hat sich die SNCF hat sich zu dieser Verantwortung bekannt und stellte immerhin Stellwände, Aufsicht und Transport kostenlos zur Verfügung. Die Deutsche Bahn AG zieht sich hinter fadenscheinigen Argumenten zurück und möchte die Ausstellung ins hinterste Eck des Nürnberger Eisenbahnmuseums verbannen. Die resolute Frau Klarsfeld hat nun ein Ultimatum gestellt: Da das für gestern vorgesehene Gespräch mit der Deutschen Bahn AG und anderen kurzfristig abgesagt wurde, möchte sie bis heute um 14 Uhr einen anderen Gesprächstermin – oder sie mobilisiert die Weltöffentlichkeit. Dann bin ich ganz sicher, dass wir die Ausstellung bald im Frankfurter Bahnhof oder in einem Berliner Bahnhof sehen werden – und nicht in Hintertupfingen.