Sitzmöbel XXXXV
Im Rijksmuseum in Amsterdam hat man keine Zeit, zu sitzen, gibt es doch soo viel zu sehen fotografieren!
Im Rijksmuseum in Amsterdam hat man keine Zeit, zu sitzen, gibt es doch soo viel zu sehen fotografieren!
Dass die Bilder des MuCEM unter solchen besonderen Bedingungen entstanden sind, war mir gar nicht bewußt: Über Wien erreichte mich ein explosver Hinweis: auf der Baustelle des MuCEM wurde eine amerikanische Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Um die Bombe zu entschärfen, wurde das gesamte Viertel geräumt und gesperrt.
Die Lokalzeitung berichtete hier darüber und zeigt auch in einem Film, wie das Ganze vonstatten geht. Beeindruckend zu sehen, wie der Experte die Bombe fast liebevoll vom Dreck befreit!
Nun ist es geschafft: das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden hat das äußerst erfolgreiches Eröffnungswochenende hinter sich. Wer noch nicht da war bzw. erst seine Reise plant, kann zumindest mal die neue Internetseite des Museums anschauen und über das Eröffnungsprogramm staunen: heute war der Direktoren-Walk dran, morgen gibts ein kommentiertes Militärkonzert. Gerne würde ich morgen abend zur Diskussion über künstlerische Interventionen im Museum
Auch an den vielen Beiträgen kann man sich bereits erfreuen, die die Eröffnung feiern. Hier erzählt Projektleiter Gorch Pieken etwas über das Projekt in Deutschlandradio und die Hinwendung zur Kultur- und Sozialgeschichte.
Andreas Kilb zeigt sich in der FAZ recht angetan und Burkhard Müller schaut sich für die Süddeutschen Zeitung das neue Haus an.
Wenn ich hier jetzt nicht mehr ganz so viel blogge, dann liegt es auch zum Teil daran, dass ich nun ebenfalls ab und an dienstlich blogge:
Hier ist der link zum Blog – vielleicht haben Sie dort ja auch ab und zu Lust, vorbeizuschauen, wenn wir über die Arbeiten zur Neukonzeption hinter den Kulissen berichten.
Das Altonaer Museum in Hamburg wird NICHT geschlossen!
Das wurde gestern auf dem Kulturgipfel beschlossen.
Mehr dazu hier in der Welt und im Abendblatt.
Museen können, im Vergleich zu anderen kulturellen Institutionen, damit punkten, dass sie Originale zeigen. Das hat sich wohl auch das Musée d’art et d’industrie in Roubaix gedacht, das künftig das Pariser Künstleratlier von Henri Bouchard aufnehmen wird. Das Musée ist seit einiger Zeit im sehr schön restaurierten Art-Déco-Schwimmbad untergebracht. Das Atelier von Bouchard soll hier, so heißt es in der FAZ vom 13.2.2007, „originalgetreu“ wieder aufgebaut werden. Der kleine Schönheitsfehler dabei ist: Das Atelier des Bildhauers steht in keinem Abbruchhaus, noch irgendwo in Kisten verpackt, nein, es ist das Musée Bouchard in Paris selbst, das frühestens in drei Jahren wieder zu sehen sein wird. Dabei ist dieser Beschluss schon ein Kompromiss, dass das von der französischen Museumsdirektion DMF registrierte Museum aushandeln konnte. Die Museumskonservatoren – der Sohn des Bildhauers, François und seine Frau Marie, (beide über 80), fühlen sich langsam zu alt, um weiter zu kämpfen, wie sie es über 40 Jahre lang mit kleinen Ausstellungen und Publikationen getan haben. Zwar kennt kaum noch jemand Henri Bouchard (1875-1960), zu seiner Zeit war der Künstler aus Dijon aber als Kunstprofessor und Bildhauer fest in die Pariser Szene eingebunden. In seinem Atelier, in das er 1924 eingezogen war, wurde kaum etwas verändert. Marie Bouchard studierte extra an der renommierten Pariser Kunsthistoriker-Schule École du Louvre, um das Werk ihres Schwiegervaters richtig würdigen zu können. Denn man kennt ihn doch, da Bouchard auch Skulpturen für den öffentlichen Raum gestaltet hat, die noch heute zu sehen sind, darunter Fassaden, Grabmale oder die Apollon-Figur am Palais de Chaillot in Paris. Ein Besuch im Atelier ist, glaubt man den Beschreibungen wie zum Beispiel hier, sehr bewegend und einzigartig. Ein letztes Kleinod, wie die FAZ schreibt. Ob es in Roubaix auch noch so sein wird?
Eher nicht, deswegen hier die Adresse – bis 14. März haben wir noch die Gelegenheit:
Musée Bouchard, 25, rue de l’Yvette, 75016 Paris, geöffnet mittwochs und samstags von 14-19 Uhr.
Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt eine sehr schöne Ausstellung über Piktogramme. Kunst meets Gebrauchsgraphik, so könnte man fast sagen, finden doch auch etwa die Bildstatistiken von Otto Neurath und Gerd Arntz ihre Berücksichtigung. Sehr schön fand ich auch das Blatt von Otl Aicher, auf dem er verschiedene Zeichen für Frauentoiletten aus der ganzen Welt gesammelt hat. Interessant ist die Art von Geheimbotschaften, die Künstler wie Kandinsky und Willi Baumeister entwickelten. Dürers Hase und seine Kopien aus der Neuzeit werden durchdekliniert, ebenso kann die Bild-Datenbank eines chinesischen Künstlers durchforstet werden. Die Ausstellung war sehr inspirierend, zugleich hätte ich mir mehr Informationen gewünscht. Ein kleines Heft, wie ich es einmal hier beschrieben habe, hätte mir noch mehr Genuß und Erkenntnis verschafft.
Wenn man einmal so überlegt, was die Museen weltweit miteinander verbindet, ist es eigentlich nicht der Bildungsauftrag, noch das Ansinnen, das kulturelle Erbe möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Nein, es ist die Sorge, möglicherweise ein Objekt in der Sammlung zu haben, das unter dubiosen Umständen ins Museum kam. Möglichkeiten gibt es hier viele: etwa die Stücke, die die Nazis jüdischen Sammlern abpressten und die irgendwie in die Museen kamen; die Objekte, die in den Wirren des zweiten Weltkrieges mitgenommen wurden oder die Stücke, die durch Kolonialismus abhanden gekommen sind. Hier ist es besonders krass: Über 95 Prozent des afrikanischen Patrimoine, so war dieser Tage auf einer Veranstaltung der UNESCO in Paris zu hören, ist in Museen auf anderen Kontinenten zu finden. (Dass die etablierten Museumsdirektoren davon nichts hören wollten, wundert nicht).
Eine weitere Variante, Objekte ohne Stammbaum zu vertreiben, findet man in Italien. Dort verschwinden wohl seit Jahren im großen Stil Stücke aus Museen oder von Ausgrabungen, die dann später in großen amerikanischen Museen wieder auftauchen. Den Drahtziehern ist man auf die Spur gekommen und in Rom läuft gerade ein Prozess gegen eine ehemalige Angestellte des J. Paul Getty Museums in Los Angeles, die für ihren Arbeitgeber im großen Stil auf diese Weise eingekauft hat. Der Bericht über ihre Machenschaften und die der anderen Kunsträuber (in der FAZ vom 10.2.2007) liest sich wie ein gut ausgedachter Krimi.
Eine weitere Gemeinsamkeit der Museen ist, dass die betroffene Institutionen bzw. die als Diebe veurteilten Hehler oft argumentieren: Es ist ja nicht so wichtig, wie das Stück in die betreffende Institution gekommen ist (also ob durch Raub, Erpressung oder Hehlerei), sondern dass das Stück hier ohne Zweifel am allerbesten präsentiert werde. Zynisch ist auch die Antwort, die die Vertreterin von ICOM dem Vertreter aus Afrika auf der UNESCO-Veranstaltung gab: Heute sei man ja mit der Digitalisierung von Bildern schon so weit, dass man sich in Afrika die Dinge auf dem Bildschirm anschauen und auf diese Weise am kulturellen Erbe teilhaben könne. Wie war das nochmals mit den Originalen?
Patrick Blanc hat grüngefärbte Haare und ganz lange Fingernägel, mit denen er aber erstaunlich filigran zarte Pflanzen anfasst. Er ist habilitierter Biologe, genauer Tropen-Botaniker. Seine Liebe zu Pflanzen hat sich während zahlreicher Besuche von Aquarien schon in seiner Kindheit entwickelt, wobei er bald feststellte, dass die Fische eigentlich überflüssig sind. Seit einiger Zeit erfreut er andere Menschen mit seinen Kenntnissen von Pflanzen, indem er sogenannte murs végétals in oder an Gebäuden in der ganzen Welt erstellt. Die mittlerweile bekannteste ist die am Verwaltungsgebäude des Musée du Quai Branly. Nun hat er im Espace Electra des französischen Stromkonzernes EDF in Paris eine Ausstellung inszeniert, die eine wahre Freude ist. Das graue Pariser Schmuddelwetter war sofort vergessen, als ich durch die Tür trat: Es ist dunkel, sehr feucht und über mir wölbt sich eine Decke aus hängenden Pflanzen, begleitet vom Rauschen eines Wasserfalles. Die Ausstellung widmet sich den Pflanzen, die ganz wenig Licht brauchen, Pflanzen, die etwa in oder am Rande von Grotten wachsen. Es macht totalen Spass, diese Pflanzen zu entdecken, die beim näheren Betrachten viele Eigenheiten aufweisen. Im Untergeschoß wabert Nebel um eine Felsinstallation, auf dem oberen Stockwerk rauscht das Wasser in kunstvoll arrangierten Röhren, in denen Wasserpflanzen gleichsam schweben. Beeindruckend sind auch die Fotografien bzw. die Mikroskopaufnahmen von Früchten, Blüten, Blättern und Wurzeln. Und im Film (deshalb weiss ich auch von seinen Haaren und den Fingernägeln), der Patrick Blanc vorstellt, sagt er präzise, was sein Anliegen ist: Zu zeigen, wie anpassungsfähig Pflanzen sind und welchen großen Beitrag sie für die Biodiversität leisten. Das Rauschen des Wassers, die Lichteffekte, der Geruch der Pflanzen und die Farben der Pflanzen machen aus der Ausstellung ein wahrhaft synästhetisches Erleben. Kein Wunder, dass die Ausstellung an einem Vormittag mitten in der Woche sehr gut besucht ist. Aufgrund des großen Erfolges ist die Ausstellung bis zum 18. März verlängert worden.
Folies végétales via Kulturelle Welten.
Das Musée des arts décoratifs in Paris präsentiert sich seit September 2006 mit neuem Konzept und neuer Gestaltung. Das Ergebnis ist mehr als gelungen. Hier haben sich offensichtlich Menschen, die ihre Arbeit lieben, mit der Sammlung intenisv auseinandergesetzt, sie haben sich nicht von Gestaltern reinreden lassen, sondern mit ihnen zusammengearbeitet und viele schöne Ideen umgesetzt, von denen man gar nicht genug bekommen kann. Der chronologische Rundgang beginnt im Mittelalter und reicht bis in die Gegenwart, und führt durch das ganze Gebäude (einem Seitenflügel des Louvre). Das Kunsthandwerk wird so interessant und abwechslungsreich präsentiert, es ist hell und freundlich, die Texte sind angenehm zu lesen. Schön sind die 10 auf allen Epochen verteilten „Period rooms“ (usprünglich eine deutsche Erfindung von Herrn Bode), die einen Eindruck ganzer Ensembles wiedergeben. Der Audioguide, der gratis in vier Sprachen zur Verfügung gestellt wird, stellt Objekte und Sammlung in einen größeren Kontext. Gut gefallen hat mir auch die thematische Ausstellungen in der Galerie d’études: Hier geht es um die beiden zentralen Themen Essen und Ausruhen. Die beiden Themen werden mit zahlreichen Objekten durchdekliniert. Dazu gibt es ein Heft, in dem ein Glossar Wörter und Ausdrücke zu beiden Themen kombiniert und erklärt. Ich bin restlos begeistert von dieser Präsentation: Der Museumsbesuch ist ein einziger Genuß, nicht, weil es sich nur um „schöne“ Objekte handelt, sondern weil alles stimmig ist.