Ein neues Buch

Geschrieben von am 16. April 2011 12:48

Das klingt interessant: die FEMS und das Ocim – also die Vereinigungen für das kulturhistorische Museum in Frankreich haben den neuesten Tagungsband veröffentlicht: in Le rôle social du musée geht es um Exklusion und Inklusion und den Umgang damit im Museum. 15 Euro ist ein annehmbarer Preis, allerdings auf französisch…

Das Museum am südwestlichsten Zipfel Europas

Geschrieben von am 30. Juli 2008 17:01

Was macht man mit einem verlassenen Dorf? Natürlich ein Museum. So geschehen in Guinea, das auf der kleinsten Kanareninsel El Hierro liegt. Das Ecomuseo Guinea möchte Architektur und Wohnformen vermitteln. Die Siedlung geht auf die Zeit der ersten europäischen Eroberer zurück, die ab dem 15. Jahrhundert auf der Insel kamen. An dem Ort hatten bereits die Ureinwohner gesiedelt, die wohl die langen Lavastollen für sich und ihre Tiere nutzten. Über sie weiß man nur wenig; die Thematik der Eroberung scheint heute kein Thema mehr zu sein. Während der Führung – nur so kann man Guinea besichtigen – sind vier Häuser von innen zu sehen; sie sollen den Alltag des 17. bis 20. Jahrhunderts illustrieren. Arbeitsgeräte, einfaches Essgeschirr und Betten mit Strohmatratzen füllen die kleinen Räume aus.Die Führerin bemüht sich, etwas vom alltäglichen Leben zu erzählen; die Überlieferung wird aber nicht offengelegt. Die Einrichtungen der Häuser ähneln sich, Zeit und Raum verschwimmen, die Gegenstände erscheinen freilich, je näher wir an die Gegenwart rücken, etwas moderner. Während im letzten Haus etwa Porzellangeschirr zu sehen ist, finden sich in den anderen Schüsseln aus Holz. Kurios ist die gewebte Tragevorrichtung für Frauen mit einem Durchschlupf für den Kopf. Die Einrichtungsgegenstände hinterlassen einen schwammigen Eindruck; die chronologische Einteilung lässt sich nicht überprüfen, noch lassen sich soziale oder ökologische Kriterien nachvollziehen. Hier erinnert das Ecomuseo an auch bei uns gängige Praktiken in deutschen Freilichtmuseen, die „gute alte Zeit“ zu beschwören. Diese pittoreske Tendenz wird noch mit dekorativ auf den Mauern liegenden Kürbissen, Blumentöpfen und (leeren) Vogelkäfigen verstärkt.

Die Besucherin nimmt dennoch wahr, dass das Leben hier zu keiner Zeit leicht gewesen sein konnte. Durch die Zeit hinweg wurde sehr einfach und beengt gelebt; die Häuser aus Lavasteinen haben nur einen Raum, kleine Fenster- und Türöffnungen und ein aus Roggenstroh gedecktes Giebeldach. Mauern aus Lavasteinen markierten die Hausgrenzen, dienten aber auch dazu, Wind geschützt Gemüse anbauen zu können sowie die eigenen Tiere einzusperren. Genügend Wasser zu haben, war das größte Problem: wie das dritte Foto zeigt, konstruierte man große, weißgekalkte Flächen, um möglichst viel Regenwasser aufsammeln zu können. Da die Nahrung knapp war, wurde geteilt: nicht mit den Nachbarn, sondern mit den Tieren. Besondere Aufmerksamkeit erzielte die Führerin mit dem Hinweis auf die kleine Stall-Toilette – mit dieser baulichen Konstruktion wurde das Schwein gefüttert.

Ich hätte mir fundiertere Informationen und mehr Geschichte gewünscht, sei es zu den ersten Besiedlern und zur spanischen Eroberung, zum Klima, zu den Abholzungen der Wälder, zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, zum Geschlechterverhältnis und zu Kultur, eben etwas, was den Grundgedanken des Ecomusée charakterisiert.

Doch die meisten BesucherInnen kommen aber nicht wegen der Häuser, sondern wegen der Rieseneidechse, die es einmal auf EL Hierro gab und deren Unterart hier nachgezüchtet wird, um sie wieder auszusiedeln. So findet der erste Teil der Führung in der Zuchtsation der Eidechsen statt. Sowieso ist es relativ sicher, dass jede InselbesucherIn auch das Museum bzw. die Zuchtstation besucht – es ist, neben dem ethnographischem Zentrum, das einzige auf der Insel. Und es ist das südwestlichste Museum Europas, kurz vor dem Ende der Welt – denn hier verlief einmal der Nullmeridian. Insofern hat es sich natürlich voll gelohnt.

Ecomuseo de Guinea, Carretera Gral. de Las Puntas s/n Frontera, El Hierro (Spanien)

Was wird aus Ungersheim?

Geschrieben von am 25. Mai 2007 10:28

Ich gebe zu, dass ich nie eine große Freundin des Ecomusée Ungersheim im Elsaß war. Bei meinen Besuchen in den 1990er Jahren präsentierte sich mir das Freilichtmuseum im Dreiländereck im Elsaß als Ort der Verklärung, mit einem nach meiner Beobachtung zu starken Akzent auf Kommerzialisierung und Vermarktung des Elsässischen. Dennoch, das 1984 gegründete Museum ist in der Region sehr beliebt und gut besucht (um die 280.000 Besucher pro Jahr), findet Anerkennung in nationalen und europäischen Gremien, ist etwa Gründungsmitglied der Vereinigung der Ecomusees und der Musée de sociétés FEMS.
Nun ist das Museum in die Krise geraten und die Gründe erscheinen mir unschön.
Die Geschichte, die nur schwer zu rekonstruieren ist, geht ungefähr so:
Um mehr Touristen aus Straßburg und Colmar abzugreifen und um etwas Neues für die von Arbeitslosigkeit geschüttelte Region zu tun, forciert der Generalrat der Region das Projekt eines Bio-Freizeitparkes. Auf diese Weise sollen neue Arbeitsplätze entstehen.Eine direkte Konkurrenz zum Museum kommt dadurch zustande, als der Biopark in unmittelbarer Nähe des Freilichtmuseums in der Gemeinde Ungersheim aufgebaut wird, zynischerweise auf dem Gelände eines Biotops. 2004 beginnt der Aufbau des Freizeitparkes, im Juni 2006 wird das Bioscope eröffnet und in der Region gemischt aufgenommen. Dass das Bioscope nicht so erfolgreich ist, wie die Politik es versprochen hatte, kann man schon daran merken, dass die Eintrittspreise im Vergleich zum letzten Jahr erheblich gefallen sind.
Es zeichnet sich ab, dass die Kosten für das Bisocope im Ecomusée eingespart werden sollen. Das Museum, das seine Kosten als eigenständiger Verein um größten Teil selbst erwirtschaftet und im Vergleich zu anderen Kulturinstitutionen geringe Subventionen erhält, strebt seit Jahren an, regelmäßig öffentliche Gelder zu bekommen. Angestrebt sind 20 % des jährlichen Budgets. 2005 fehlt Geld, das weder der Generalrat in Colmar noch der Regionalrat in Straßburg gewähren möchte; beide reagieren nicht auf Anfragen des Museums. Ende 2005 wird die Situation bedenklich; die Betriebskosten sind in Frage gestellt. Das Museum beginnt mit phantasievolllen Aktionen in der Öffentlichkeit zu treten, um auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen. Offensichtlich wird das Geld woanders gebraucht: die Region trägt den Freizeitpark zu 49% – das sind rund 60 Millionen Euro (den Rest übernimmt die Betreibergesellschaft).

Das Museum gerät in eine Zwangslage und kann Gehälter nicht mehr zahlen. Der Gründungsdirektor Marc Grodwohl wird der finanziellen Mißwirtschaft beschuldigt und versucht sich dagegen mit Gegengutachten zu wehren. Im März 2006 wendet sich die Museumsleitung an das zuständige Handelsgericht in Colmar, um den Vorwurf gerichtlich klären zu lassen und um einen drohenden Konkurs abzuwenden. Gegen die Schließung protestieren viele Bürger, die Grünen, MuseumskollegInnen und viele WissenschaftlerInnen wie der Ethnologe Isac Chiva. Im September 2006 tritt Marc Grodwohl zurück, ebenso wie der Präsident der Vereinigung des Ecomusée, François Capber. Es werden über 60 Personen entlassen. Lange Zeit ist es ungewiss, ob das Museum 2007 überhaupt öffnen kann.
Schaut man nun die Homepage des Museums an, scheint alles wie gehabt weiterzulaufen. Stutzig macht mich nur, dass in der Rubrik „Programme“ nichts mehr zu finden ist – obwohl es genau die Vorführungen aller Art waren, die die BesucherInnnen so begeistert haben.
Bisocope und Ecomusée machen nun gemeinsame Sache und gewähren sich gegenseitigen Rabatt beim Eintritt.

Werbefilm über das Ecomusée (Sprache: schweizerdeutsch) von 2006.
Über das Ecomusée in Le Monde hier und hier.

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