Mitmachen oder partizipieren?

Geschrieben von am 20. Juli 2010 09:15

Vor über drei Jahren hatte das Ecomusée Ungersheim im Elsass gewaltige Probleme (hier im Blog.)

Damals wurde über die Schließung des (selbstfinanzierten) Museums diskutiert, da die Region keine Subventionen leisten, sondern das Geld lieber in den neuen Freizeitpark Bioscope stecken wollte. Damals war die Zukunft des Museums alles andere als klar – Zeit, mal wieder nachzuschauen, was eigentlich daraus geworden ist. Bislang allerdings nur aus der Ferne.

Das Museum gibt es noch und ist erfolgreicher denn je, wenn man die Besucherzahlen betrachtet: 2009 hat es 163.000 Besucherinnen empfangen.

Nachlesen konnte ich Details über den Auftakt der Saison 2010. Mit der
Compagnie des Alpes, die das Museum und den Freizeitpark Bioscope über 3 Jahre gemeinsam betrieb, verbindet das Museum so gut wie nichts mehr; die Gesellschaft betreibt über eine Tochtergesellschaft nur noch Boutique, Hotel und Restaurant im Museum.

Ein neuer Direktor, Pascal Schmitt, leitet nun die Geschicke des Museums. Sein Rezept, das so erfolgreich ist, setzt auf ganzheitliches Erleben.
Das Motto des Museums heisst: „Tant d’histoires à raconter“. Der Slogan wurde auch für die deutschen und schweizerischen BesucherInnen eingedeutscht: „So viel zu erleben“.

„Im Écomusée d’Alsace sind Sie mehr als
nur ein Zuschauer! Kinder und Erwachsene
nehmen sich die Freiheit und
erkunden Dorf und Landschaft auf
eigenen Wegen. Entdecken Sie Geschichte
und Geschichten, vielleicht sogar
auch ein Teil Ihrer eigenen Geschichte…“

Konsultiert man die Presse-Broschüre, die man sich auf der Seite des Museums herunterladen kann, so boomt der Nostalgie-Freizeitpark à l’alsacien: im typisch elsässichen Dorf, das das Frelichtmuseum nachbilden soll, gibt es allerlei Aktivitäten, die insbesondere Jahreszeiten und Festtage berücksichtigt. Im Juli können Kinder und Jugendliche das ländliche Leben gar selbst ausprobieren, und nach dem Wecken durch den Hahn den Tag mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten erleben. Im Blog des Museums sieht man dann auch Mädchen, die in Tracht Hasen füttern.

„Bewohnerinnen“ gibt es anscheinend sowieso: die Besucherbetreuung in Form von verkleideten Schaustellern, die den Töpfer oder den Schmied mimen. Hinzukommen, glaubt man den oben erwähnten Artikel, gleich zwei Familien, die im Sommer am Sonntag zwei Häuser bespielen, was natürlich sehr an die Anfänge des Freilichtmuseums Skansen erinnert.

Freuen können wir uns jetzt auch schon auf Weihnachten:
„So richtig authentisch und schön wird Weihnachten erst im Écomusée d’Alsace“ heisst es in der Gebrauchsanweisung im Internet. Hier würde mich natürlich interessieren, wie authentisch definiert wird!

Auch die gerade laufende Wechselausstellung mit dem Titel „Stoffe und Leute“, deren Inhalt ich in einem PDF nachvollziehen kann, vermittelt nicht den Eindruck einer sozialgeschichtlichen, analytischen Betrachtungsweise.

„Die ganze Kommune bildet ein lebendiges Museum, dessen Publikum sich im Innern befindet. Ein Ecomusée hat keine Besucher, sondern Bewohner“, so hatte 1972 Hugues de Varine, der Erfinder der Bezeichnung Écomusee, das Vorhaben für das Ecomusée le Creusot umschrieben.

Was in Ungersheim umgesetzt wird, hat aber meines Erachtens nichts damit zu tun, d.h. mit der Vorstellung von Partizipation der Bevölkerung an der Entstehung eines Museums (ein Gedanke, der gerade wieder Konjunktur hat), wenig zu tun. Oder täusche ich mich da?

Die Badische Zeitung berichtete im März 2010 über einen Besuch im ecomusée. Die Zeitung DNA Region berichtete auch über den Saisonstart.

Ob der Ziegenbock in Ungersheim noch zugange ist, ist eher ungewiss: er wurde bereits Mitte der 1990er Jahre von U. Hägele fotografiert.

Im Gammelgard des Herrn Zorn

Geschrieben von am 28. September 2009 10:32

Das ist der ehemalige Eingang eines ungewöhnlichen Freilichtmuseums: sein Begründer Anders Zorn (1860-1920)war kein Museumsfachmann oder Volkskundler, sondern einer der bekanntesten Künstler Schwedens, der schon zu Lebzeiten sehr erfolgreich war. Zorn ist berühmt für seine Landschaftsbilder, Porträts, Akte und Druckgraphik – die war vor einiger Zeit auch in Hamburg zu sehen. Heute präsentiert das ZornMuseet vor allem seine Werke, aber auch Teile seiner Kunstsammlung.

Zorn reiste viel in Europa umher, identifizierte sich aber vor allem mit seiner Heimatregion Dalarna. Ihre spezifische ländliche Kultur wollte er seinen Mitmenschen ans Herz legen. Dafür gründete er 1914 in Mora ein Museum. Doch nicht alle seine Vorhaben waren verwirklicht, als er 1920 starb. Seine Frau Emma Zorn setzte sein Anliegen weiter um.

Zorn wollte vor allem die für die Region typischen Blockhäuser vor ihrem Verfall retten. Mit der Gründung von Zorns Gammelgård steht er natürlich in bester schwedischer Tradition: Artur Hazelius hatte 1891 Skansen (Als Annex des Nordiska Museet in Stockholm) gegründet, das zum Vorbild aller Freilichtmuseen in Europa wurde.
Zorn ließ die für Dalarna typischen Gebäude aus Holzbalken wie Schuppen, Kuhstall, Scheune oder Wohngebäude ins Museum translozieren. Die Gebäude sind wohl nicht immer originalgetreu aufgestellt, wie man es aus der etwas kargen deutschen Beschreibung entnehmen kann: Zorn ging es vor allem darum zu vermitteln, wie in früheren Jahrhunderten in Dalarna gewohnt und gearbeitet wurde.

So ließ er zwischen 1916 und 1918 einen Hof aufstellen, wie er in Mora typisch war: die Gebäude wie Scheune, Schuppen oder Handwerkshaus formen einen Innenhof. Sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten; einige Gebäude gehen auf das 14. Jahrhundert zurück.

In einige Gebäude dieses Hofes kann man hineinsehen, in andere hineingehen und Wohnarrangements anschauen. Besonders interessant ist die Bergkarlascheune: hier sind Objektarrangements zu sehen, die auf Zorn zurückgehen. Zorn sammelte nicht nur Häuser, sondern stellte hier so etwas wie ein Inventar der ländlichen Gesellschaft auf. Hier zählt vor allem die Masse – und die Vielfalt.

In späteren Jahren wurde der Hof noch um weiteren Gebäudekomplexe ergänzt – wie Sennhütten, Handwerkshäuser und Bootshäuser.

Zorns Gammelgård steht für das Bildungs- und Sendungsbewusstsein eines engagierten Paares, das Kultur und Kunsthandwerk bewahrt sehen wollte – nach welchen Kriterien, konnte ich nicht herausfinden, da die Informationen auf englisch oder deutsch eher spärlich sind. Es steht aber mit Sicherheit auch für die Erfindung von Traditionen, als Museum im Museum – wie es die meisten musealen Institutionen, die um diese Zeit gegründet wurde, tun. Zorns Gammelgård ist auf jeden Fall einen Besuch wert, wirkt es doch durch seine Kargheit – an Informationen, an living history oder sonstigen events sehr eindrucksvoll.

Das Museum am südwestlichsten Zipfel Europas

Geschrieben von am 30. Juli 2008 17:01

Was macht man mit einem verlassenen Dorf? Natürlich ein Museum. So geschehen in Guinea, das auf der kleinsten Kanareninsel El Hierro liegt. Das Ecomuseo Guinea möchte Architektur und Wohnformen vermitteln. Die Siedlung geht auf die Zeit der ersten europäischen Eroberer zurück, die ab dem 15. Jahrhundert auf der Insel kamen. An dem Ort hatten bereits die Ureinwohner gesiedelt, die wohl die langen Lavastollen für sich und ihre Tiere nutzten. Über sie weiß man nur wenig; die Thematik der Eroberung scheint heute kein Thema mehr zu sein. Während der Führung – nur so kann man Guinea besichtigen – sind vier Häuser von innen zu sehen; sie sollen den Alltag des 17. bis 20. Jahrhunderts illustrieren. Arbeitsgeräte, einfaches Essgeschirr und Betten mit Strohmatratzen füllen die kleinen Räume aus.Die Führerin bemüht sich, etwas vom alltäglichen Leben zu erzählen; die Überlieferung wird aber nicht offengelegt. Die Einrichtungen der Häuser ähneln sich, Zeit und Raum verschwimmen, die Gegenstände erscheinen freilich, je näher wir an die Gegenwart rücken, etwas moderner. Während im letzten Haus etwa Porzellangeschirr zu sehen ist, finden sich in den anderen Schüsseln aus Holz. Kurios ist die gewebte Tragevorrichtung für Frauen mit einem Durchschlupf für den Kopf. Die Einrichtungsgegenstände hinterlassen einen schwammigen Eindruck; die chronologische Einteilung lässt sich nicht überprüfen, noch lassen sich soziale oder ökologische Kriterien nachvollziehen. Hier erinnert das Ecomuseo an auch bei uns gängige Praktiken in deutschen Freilichtmuseen, die „gute alte Zeit“ zu beschwören. Diese pittoreske Tendenz wird noch mit dekorativ auf den Mauern liegenden Kürbissen, Blumentöpfen und (leeren) Vogelkäfigen verstärkt.

Die Besucherin nimmt dennoch wahr, dass das Leben hier zu keiner Zeit leicht gewesen sein konnte. Durch die Zeit hinweg wurde sehr einfach und beengt gelebt; die Häuser aus Lavasteinen haben nur einen Raum, kleine Fenster- und Türöffnungen und ein aus Roggenstroh gedecktes Giebeldach. Mauern aus Lavasteinen markierten die Hausgrenzen, dienten aber auch dazu, Wind geschützt Gemüse anbauen zu können sowie die eigenen Tiere einzusperren. Genügend Wasser zu haben, war das größte Problem: wie das dritte Foto zeigt, konstruierte man große, weißgekalkte Flächen, um möglichst viel Regenwasser aufsammeln zu können. Da die Nahrung knapp war, wurde geteilt: nicht mit den Nachbarn, sondern mit den Tieren. Besondere Aufmerksamkeit erzielte die Führerin mit dem Hinweis auf die kleine Stall-Toilette – mit dieser baulichen Konstruktion wurde das Schwein gefüttert.

Ich hätte mir fundiertere Informationen und mehr Geschichte gewünscht, sei es zu den ersten Besiedlern und zur spanischen Eroberung, zum Klima, zu den Abholzungen der Wälder, zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, zum Geschlechterverhältnis und zu Kultur, eben etwas, was den Grundgedanken des Ecomusée charakterisiert.

Doch die meisten BesucherInnen kommen aber nicht wegen der Häuser, sondern wegen der Rieseneidechse, die es einmal auf EL Hierro gab und deren Unterart hier nachgezüchtet wird, um sie wieder auszusiedeln. So findet der erste Teil der Führung in der Zuchtsation der Eidechsen statt. Sowieso ist es relativ sicher, dass jede InselbesucherIn auch das Museum bzw. die Zuchtstation besucht – es ist, neben dem ethnographischem Zentrum, das einzige auf der Insel. Und es ist das südwestlichste Museum Europas, kurz vor dem Ende der Welt – denn hier verlief einmal der Nullmeridian. Insofern hat es sich natürlich voll gelohnt.

Ecomuseo de Guinea, Carretera Gral. de Las Puntas s/n Frontera, El Hierro (Spanien)

Auf Pfählen wandeln

Geschrieben von am 18. April 2008 10:35

Im Reiseführer kam das Pfahlbautenmuseum in Unteruhldingen am Bodensee nicht gut weg, und ein Besuch wurde nicht unbedingt empfohlen. Wir gingen jedoch hin, erhofften wir uns doch etwas Aufklärung. Man hat leider als erstes den Eindruck, in einer Art Touristenschleuse gelandet zu sein – ein Besuch des Museums ist fester Bestandteil des Bodensee-Programms. Der Eintritt von sieben Euro ist sehr hoch im Vergleich zu den anderen Museen am See, auch bekommt man nicht einmal einen Plan mit Vorabinformationen. Ein französisches Paar lässt sich empört das Eintrittsgeld zurückzahlen, als es erfährt, dass es nochmals 4 Euro extra für einen Heftchen mit Erklärungen auf Französisch zahlen soll. Denn die Pfahlbauten können nur mit einer Führung besichtigt werden. Bis zur Führung ist noch Zeit, und so können wir die zwei Ausstellungen – einmal eine Einführung zum Leben in den Pfahlbauten und einmal zum Steinzeit-Experiment anschauen. Beide Ausstellungen sind sehr pädagogisch aufgezogen; meine Begleitung (nichts mit Museum am Hut) mokiert sich über die Texte, die sie unterfordert. In der Einführung wundere ich mich etwas über den sehr kurzen Abriss über die Geschichte des Museums, als über den langjährigen Leiter Hans Reinerth zu erfahren ist, dass er während des Nationalsozialismus sich stark in verschiedenen Verbänden engagiert hatte. Im nächsten Satz steht, dass er das Museum zwischen 1954 und 1986 das Museum leitete. Da bleiben doch einige Fragen offen!
Als die Führung beginnt, finden sich etwa 30 Personen ein. Gemeinsam gehen wir in die Anlage; bei den Erklärungen der Führerin hat man das Gefühl, einer Prüfung beizuwohnen. Wir gehen in einige Häuser hinein, aber da die Gruppe sehr groß ist, können die weiter hinten Stehenden nicht richtig sehen und hören. Es ist schon interessant, wie die Menschen in der Bronzezeit Löcher in Steine bohrten oder – theoretisch – Feuer machten. Und gut ist auch die Fokuisierung auf den Alltag. Aber das Ganze hat etwas Verklärendes, wie es meiner Ansicht nach in Besuchen von Freilichtmuseen öfters der Fall ist, da Zeit und Raum irgendwie verschwimmen. Wenig erfährt man über die Geschichte des Museums, und wenn, dann sind es nur Hinweise wie hier stand der erste Museumsbau. Mehr über die Geschichte des Museums selbst zu erfahren, wäre aber schon sinnvoll gewesen – etwa über den „Pfahlbaustreit“ oder die manipulative Ausrichtung in der Zeit der Nationalsozialismus. Hierzu hat das Museum selbst, wie man dann auf der Internetseite erfährt, beachtliche Forschungen geleistet.
Aber der „Normalbesucher“ interessiert sich wohl für anderen Dinge: eigenständig kann man die neueren Inszenierungen des steinzeitlichen Alltags, nachgestellt mit Puppen (!) und ausgestopften Tieren anschauen. Interessant finde ich, ist, dass man zuweilen auch zwei Inszenierungs-Vorschläge sehen kann, die deutlich machen sollen, dass es aufgrund der aufgefundenen Gegenstände mehrere Möglichkeiten der Rekonstruktion gibt. Im Haus der Fragen erhält man auf riesigen Tafeln Antworten zum Alltagsleben; das Projekt ist Teil des EU-Projektes Orakel von Delphi. Alles in allem war es ein Museumsbesuch, der mehr Fragen aufwarf, als Antworten gab, was ja an für sich nicht schlecht ist, aber einen irgendwie unzufrieden entlässt.
Es bleibt ein romantischer Blick auf den See.

Häuserfriedhof

Geschrieben von am 15. Mai 2007 09:44



Da liegen sie und harren der Dinge und dem Laufe der Zeit. Auf einer Schafweide im Freilichtmuseum Hessenpark warten mehrere translozierte Gebäude auf den Aufbau. Den Schafen scheint es egal zu sein, mit wem sie sich die Weide teilen.

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