Marbach I
Noch bis zum 27. August läuft die Ausstellung Arno Schmidt? – Allerdings!“ im Schiller- Nationalmuseum in Marbach am Neckar- die erste große Ausstellung zu und über Arno Schmidt. Konzipiert hat sie die Arno-Schmidt-Gesellschaft in Bargfeld, inszeniert hat sie der Typograph (!) Friedrich Forssmann, der schon seit Jahren an einem neuen (Druck-)Satz für das Monumentalwerk „Zettels Traum“ arbeitet. Auch wenn man, so wie ich, nur ein Buch von Arno Schmidt kennt, hat man an der Ausstellung viel Freude. Ein Grund liegt mit in der wirklich schönen, intellektuellen und nie langweiligen Inszenierung. Die Ausstellung ist in 10 Abschnitte unterteilt. Der Auftakt bildet eine Installation in einem abgedunkelten, halbrunden Raum, in dem Wortschnipsel von Schmidt sehr ansprechend projiziert werden. Der Haupterzählstrang ist eher klassisch mit Texten, Dokumenten wie Briefen und Fotos inszeniert: hier konnte ich mir einen Überblick über die Biographie und die verschiedenen Lebensstationen verschaffen. Interesssant fand ich hier einen Brief des Oberbürgermeisters aus Darmstadt, der die Schmidts 1955 herzlich in seiner Stadt begrüßte und auf die künstlerischen Traditionen verweist, und ein praktisches Geschenk für den Haushalt ankündigt! Der Hauptstrang zieht sich treppauf und treppab über die Räumlichkeiten des Museums. Von dieser Haupterzählung gehen immer wieder thematische Abzweigungen ab, die sich hinter herrlich quietschenden Türen verbergen. Bei so viel Inszenierung kann das doch nur gewollt sein! Da gibt es etwa einen Raum, der an eine Bibliothek erinnert. Hier geht es um die Schriftsteller, die Schmidt verehrt, die er übersetzt und denen er Radioessays gewidmet hat. Diesen Künstlern ist jeweils eine Art Schreibtisch gewidmet, daneben kann man, in einem bequemen Sessel gelehnt, die von Schmidt gestalteten Sendungen anhören (eine perfekte Art von Klangdusche, wir erinnern uns an den Beitrag von Thomas Rößler im Museumsblog). Kurios ist das „pornographische Lachkabinett“, ein Turm, in dessen unterem Geschoss kleine Nischen eingelassen sind. In diesen Nischen sieht man die Textstellen vorbeihuschen, die Schmidt in den 1950er Jahren den Vorwurf der Pornographie eingebracht hatte, gelesen von einem Schauspieler. Köstlich! Irritiert hat mich etwas der Raum, der dem Schaffensprozess von Arno Schmidt gewidmet war: Hier waren seine Zettelkasten zu sehen, seine Schreibmaschinen, seine Bildersammlung. Nur, weshalb war dieser Raum in einem fürchterlichen Schwimmbad-Blau gehalten? Selbst der Schmidt-Kenner, mit dem ich die Ausstellung besichtigte, konnte sich das nicht erklären. Schön war es, dass in jedem Raum ein kleines Heftchen mit dazu passenden Textstellen für die inhaltliche Nachbereitung für zu Hause parat lag .
Wie gesagt, es war eine rundum gut inszenierte, spannende Ausstellung. Etwas Kritisches möchte ich dennoch anmerken. Die Ausstellung wirkte auf mich manchmal irgendwie steril bzw. die dargestellte Person Arno Schmidt etwas blaß und aseptisch. Es werden zwar viele Fotos von ihm gezeigt; es gibt am Ende der Ausstellung eine Art „Musée sentimental“ mit Dingen, die er beschrieben und die sich in seinem Besitz befanden. Aber er wurde für mich nicht richtig „Fleisch“. Was mir auch fehlte, war eine Erläuterung zur Rolle von Alice Schmidt. Sie tippte als brave Ehefrau wohl alle seine Manuskripte ab und man erfährt, dass sie ihr Büro in einem Wohnwagen hatte, aber mehr auch nicht. Da hätte ich doch gerne mehr gewußt.
Die Ausstellung läuft nur noch bis zum 27. August -also schnell hingehen.
Zum vorher lesen: eine Rezension in der Literaturkritik von Jan Süselbeck.
Geschrieben von Nina Gorgus am 18. August 2006 10:28