Museen in Frankreich expandieren

In Frankreichs Medien ist am Wochenende eine Polemik wieder entfacht, die seit einiger Zeit die Museumswelt beschäftigt. Manche nennen es Ausverkauf, manche reden von kulturellem Auftrag: Es geht um die Expansion des Louvre. Nach einer Außenstelle in Frankreich, in Lens, präsentiert sich der Louvre seit Oktober 2006 in der Coca-Cola-Stadt Atlanta und bekommt für Bilder, die sonst nur in Paris zu sehen waren, Millionenbeträge – auf der Internetseite von LouvreAtlanta werden die „masterpieces“ in einer Animation wie für einen Hollywood-Blockbuster angekündigt. Nun ist von einer weiteren Depandance die Rede: von einem „Louvre-Klon“ in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Dieses Land, das sich den Luxus leisten kann, mitten in der Wüste riesige Hallen zum Skifahren aufzustellen, möchte nun auch europäische Kultur zur kulturellen Attraktion (neben einer Guggenheim-Dependance, versteht sich) auf der „Insel des Glücks“ machen; also in der riesigen Anlage, wo die Reichsten der Welt künftig unter sich sein können. Mitarbeiter des Louvre und des französischen Kulturministeriums waren schon vor Ort, um Konditionen auszuhandeln. Es gibt Gerüchte, dass für den Louvre dabei ein Betrag von 500 Millionen Euro herausspringen könnte und dass Stararchitekt Jean Nouvel das Gebäude entwerfen soll. Freilich müßte sich der Louvre für einige Zeit (es ist von Jahren die Rede) von manchen seiner Meisterwerke trennen. Nicht nur das, sondern der Umstand, dass die Bilder nicht als Patrimoine, sondern als Ware behandelt werden, hat Kritiker auf den Plan gerufen. Allen voran Françoise Cachin, ehemalige Direktorin der Musées de France, die in „Le Monde“ vom 8. Dezember 2006 gemeinsam mit den renommierten Kunsthistorikern Jean Clair und Roland Recht, das „entertainment business“ auf dem Kunstmarkt anprangerte. „Die Museen sind nicht zu verkaufen“, so Titel und Tenor des Artikels, sie „verkauften dann auch ihre Seele“. Auf Regierungsseite ist man nun bemüht, das ganze Unternehmen als Bildungsauftrag darzustellen und dass der Fakt, dass französische Kultur so gefragt ist, zum Prestige von Frankreich beitrüge. Auf keinen Fall, so sagte die Direktorin der Musées de France, Francine Mariani-Ducray, wolle man französische Kulturgüter verkaufen. Der ehemalige Kulturminister Jacques Lang, der von der Zeitung „Liberation“ dazu befragt wurde, meinte dazu: „Spielen wir doch keine eingeschüchterten Jungfrauen“. Es hätte sich auch in der französischen Museumsszene doch längst durchgesetzt, mit teuren Leihgaben Ausstellungen und Museumsgebäude zu finanzieren. Die Gegner? Das sind für Lang nur wenige Personen, die sich Sammlungen kulturell und moralisch aneignen wollen und diese nur einer begrenzten Bevölkerung zugänglich machen möchten.
Dazu sei angemerkt, dass in den Vereinigten Arabischen Emirate weniger Menschen wohnen als jährlich in Paris in den Louvre gehen. Der Direktor des Louvre, Henr Loyrette, stand der Angelegenheit erst ablehnend gegenüber, hat dann aber eingelenkt, möglicherweise aus offensichtlichen politischen Gründen. Denn die ganze Angelegenheit wird erst vor dem Hintergrund so richtig schlüssig, wenn man weiss, dass die Vereinigten Arabischen Emirate in Frankreich 40 Airbus-380 bestellt haben und Frankreich mit der Lieferung in Verzug ist.

Bereits über 1400 Personen, zumeist Museumsfachleute, haben auf der Website von La Tribune de l’Art gegen den Ausverkauf des Louvre und anderen Museen protestiert.
Le Monde geht auf die Diskussionen ein und macht ein Interview mit dem Louvre-Direktor, am 8.1.2007.
Die Liberation widmete der Angelegenheit mehrere Artikel am 6.1.2007.
Le Figaro berichtete am 6.1.2007 über die Louvre-Affäre.
20-Minutes veröffentlichte am 7.1.2007 eine Zusammenfassung von AFP
Marc Zitzmann schreibt heute in der NZZ darüber.

Kategorie: Abu Dhabi, Frankreich, Louvre

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