Odilon Redon. Oder: Walking Man, engl. für: Diogenes
Merkwürdig, merkwürdig, was einem in der Ausstellung Wie im Traum. Odilon Redon in der Frankfurter Schirn passieren kann…
Zunächst zur Ausstellung selbst: sie ist sehr gediegen gemacht (d.i. hier positiv gemeint!), Brauntöne herrschen vor, es ist aufgrund der vielen Papierarbeiten nicht sonderlich hell. Die grelle Sensation wird dankenswerter Weise auch im übertragenen Sinn nicht gesucht, die Bilder hängen sogar, horribile dictu, chronologisch, innerhalb der Chronologie sind sie zusätzlich in leicht erfassbaren Themen wie Blumen, Apollo u.ä. geordnet.
Die wirklichen Perlen finden sich erst in der geduldsamen Lektüre der Ausstellung, gleich am Anfang etwa, unauffällig und dezent platziert, einige Vorbilder von Odilon Redons Arbeiten, zum Beispiel der Kuperstich Melancholie von Dürer, Goyas Radierung Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer und Bresdins großartige Arbeit Der gute Samariter (wer sich in das Bild mal reinzoomen will, hier ist dazu eine gute Gelegenheit).
Am erstaunlichsten (und der eigentliche Anlaß für dieses Posting) sind allerdings zwei Bildtitel in der Ausstellung. Die bekannten kleinen Kärtchen kleben neben den Bildern und geben die Provenienz (was für ein schönes Wort, nach hochnäsigen, verstaubten Depotwächterinnen klingend…), die Technik (Radierung etc.) und natürlich den Titel an, und zwar (in dieser Reihenfolge) auf französisch, deutsch und englisch.
Bei zwei Bildern ist mir aufgefallen, dass die englische Übersetzung etwas völlig anderes meint als der originale französische Bildtitel:
- Diogène / Diogenes / Walking Man
- David et Goliath / David und Goliath / Primitive Being
Merkwürdig, oder? Auch wenn sich meiner Kenntnis entzieht, wer letztendlich über Bildtitel bzw. genauer: Bildtitelübersetzungen bei Kunstwerken entscheidet, so erstaunt hier doch die übersetzerische Freiheit. Nimmt man hier evtl. Rücksicht auf einen (natürlich irrtümlicherweise angenommenen) kleineren mythologischen bzw. bildungsbürgerlichen Bildungshorizont bei Angelsachsen?
Sehr schön ist übrigens auch, das aus dem letzten Raum, der Wandbilder von Redon in einem ehemaligen Kloster räumlich andeutet, leise Klaviermusik durch die Ausstellung wandert. Man muß ja nicht gleich von Synästhesie sprechen, aber es lockert die Sache auf, weg vom stillen Götzendienst an der Kunst, die Musik schafft eine lockere Salonatmosphäre.
Sonst noch was?: Klar, großartige Werke von einem Künstler, von dem ich bisher nur das Muschelbild und die Poe-Illustrationen (das berühmte Auge als Fesselballon) kannte. Das Bild mit der Muschel ist natürlich da & großartig, aber auch einige Blumenbilder bezaubern.
Tipp: Man sollte nicht an einem dunklen Wintertag reingehen, die Papierarbeiten sind oft tiefschwarz und lassen einen in der nächsten Nacht schlecht träumen.
Geschrieben von Nina Gorgus am 31. Januar 2007 14:24