Eine Art Gemischtwarenladen
Bei meinem ersten Besuch hatte ich u.a. bemängelt, dass den BesucherInnen zuwenig Informationen geliefert werden und die Besucherführung quasi nicht existent ist. Nun hat das Musée du quai Branly nachgerüstet und in der Dauerausstellung Orientierungstische aufgestellt. Sie sind mit Texten und Karten versehen, auf denen, zum Teil mit Fotos, die geographische Herkunft der Objekte vermerkt ist. Ebenso ist hier nun ein Ausstellungsplan zu finden, so dass man jetzt wenigstens weiß, wo man sich in der Ausstellung befindet.
Auch dieses Mal war ich wieder verblüfft, wie sehr die als Innvovation verkaufte Präsentationsform der Dauerausstellung an die des vor zwei Jahren geschlossenen Musée national des Arts et Traditions populaires erinnert. Der Museologe Georges Henri Rivière hatte in den 1960/70er Jahren hier die populäre französische Kultur eloquent und kunstvoll in Szene gesetzt. Allerdings mit einem Unterschied: in den von ihm inszenierten Vitrinen spielten sich Geschichten ab, werden ganze Zusammenhänge aufgezeigt, während die im Musée du Quai Branly gestalteten Vitrinen auf mich eher dekorativ wirken.
Ansonsten war im Musée du Quai Branly der Pokal der Rugby-Weltmeisterschaft zu sehen, eine Fotografie der neuseeländischen Rugby-Mannschaft kontrastiert mit einer (Auftrags-) Fotografie, die die Mannschaft nochmals anders interpretiert, eine Ausstellung mit dem Titel Diaspora mit Video-Installationen und eine Ausstellung über Fünf Jahrhunderte höfische Kunst in Benin. Damit will das Museum offensichtlich gleich drei Terrains abstecken:
1. Aktualität: Frankreich war erstmals Austragungsort einer Rugby-Weltmeisterschaft und das diente dem Museum als Anlass, über das Gedränge von Kulturen* nachzudenken. Frankreich war in dieser Zeit im Rugby-Fieber, es waren sehr viel ausländische Fans in der Stadt. (Rugby-Fans sind zudem, was man hierzulande vielleicht nicht weiß, zahlungskräftige Gäste, die in Mehr-Sterne-Hotels absteigen und wahrscheinlich tagsüber sogar in Museen gehen.) Aktueller geht es also nicht!
2. Zeitgenössische Kunst: Die Ausstellung Diaspora wurde von der Filmemacherin Claire Denis kuratiert. Die ließ von KünstlerInnen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Afrika leben, Auftragsarbeiten – Video, Ton und Licht-Installationen – anfertigen, die sich mit Afrika als Inspirationsquelle beschäftigen. Zudem soll auf einschlägigen Plattformen wie Youtube und flickr ein „digitaler Katalog“ enstehen (viel scheint da aber nicht zu passieren). Damit positioniert sich das Museum im Bereich zeitgenössische Kunst;
3. Tradition: Die Ausstellung über die höfische Kunst aus Benin schließlich ist vom Wiener Museum für Völkerkunde übernommen und repräsentiert eine klasssische völkerkundliche Ausstellung mit einem wissenschaftlichen Katalog. Damit kann sich das Museum seine Bedeutung für die Welt der ethnologischen Museen unter Beweis stellen. .
Jetzt liegt es an den BesucherInnen, das alles zusammenzubringen – wobei eines klar ist: das Musée du quai Branly ist trotz aller Kritik eine Adresse, um die man nicht herumkommt.
Über das Musée du quai Branly hier, hier, hier und hier im Museumsblog.
*Auch das Außenministerium hatte gemeinsam mit anderen Institutionen, während der Weltmeisterschaft eine Aktion gestartet, bei der man „Französisch im Gedränge“ lernen sollte.
Geschrieben von Nina Gorgus am 30. Oktober 2007 20:14