Auf Pfählen wandeln
Im Reiseführer kam das Pfahlbautenmuseum in Unteruhldingen am Bodensee nicht gut weg, und ein Besuch wurde nicht unbedingt empfohlen. Wir gingen jedoch hin, erhofften wir uns doch etwas Aufklärung. Man hat leider als erstes den Eindruck, in einer Art Touristenschleuse gelandet zu sein – ein Besuch des Museums ist fester Bestandteil des Bodensee-Programms. Der Eintritt von sieben Euro ist sehr hoch im Vergleich zu den anderen Museen am See, auch bekommt man nicht einmal einen Plan mit Vorabinformationen. Ein französisches Paar lässt sich empört das Eintrittsgeld zurückzahlen, als es erfährt, dass es nochmals 4 Euro extra für einen Heftchen mit Erklärungen auf Französisch zahlen soll. Denn die Pfahlbauten können nur mit einer Führung besichtigt werden. Bis zur Führung ist noch Zeit, und so können wir die zwei Ausstellungen – einmal eine Einführung zum Leben in den Pfahlbauten und einmal zum Steinzeit-Experiment anschauen. Beide Ausstellungen sind sehr pädagogisch aufgezogen; meine Begleitung (nichts mit Museum am Hut) mokiert sich über die Texte, die sie unterfordert. In der Einführung wundere ich mich etwas über den sehr kurzen Abriss über die Geschichte des Museums, als über den langjährigen Leiter Hans Reinerth zu erfahren ist, dass er während des Nationalsozialismus sich stark in verschiedenen Verbänden engagiert hatte. Im nächsten Satz steht, dass er das Museum zwischen 1954 und 1986 das Museum leitete. Da bleiben doch einige Fragen offen!
Als die Führung beginnt, finden sich etwa 30 Personen ein. Gemeinsam gehen wir in die Anlage; bei den Erklärungen der Führerin hat man das Gefühl, einer Prüfung beizuwohnen. Wir gehen in einige Häuser hinein, aber da die Gruppe sehr groß ist, können die weiter hinten Stehenden nicht richtig sehen und hören. Es ist schon interessant, wie die Menschen in der Bronzezeit Löcher in Steine bohrten oder – theoretisch – Feuer machten. Und gut ist auch die Fokuisierung auf den Alltag. Aber das Ganze hat etwas Verklärendes, wie es meiner Ansicht nach in Besuchen von Freilichtmuseen öfters der Fall ist, da Zeit und Raum irgendwie verschwimmen. Wenig erfährt man über die Geschichte des Museums, und wenn, dann sind es nur Hinweise wie hier stand der erste Museumsbau. Mehr über die Geschichte des Museums selbst zu erfahren, wäre aber schon sinnvoll gewesen – etwa über den „Pfahlbaustreit“ oder die manipulative Ausrichtung in der Zeit der Nationalsozialismus. Hierzu hat das Museum selbst, wie man dann auf der Internetseite erfährt, beachtliche Forschungen geleistet.
Aber der „Normalbesucher“ interessiert sich wohl für anderen Dinge: eigenständig kann man die neueren Inszenierungen des steinzeitlichen Alltags, nachgestellt mit Puppen (!) und ausgestopften Tieren anschauen. Interessant finde ich, ist, dass man zuweilen auch zwei Inszenierungs-Vorschläge sehen kann, die deutlich machen sollen, dass es aufgrund der aufgefundenen Gegenstände mehrere Möglichkeiten der Rekonstruktion gibt. Im Haus der Fragen erhält man auf riesigen Tafeln Antworten zum Alltagsleben; das Projekt ist Teil des EU-Projektes Orakel von Delphi. Alles in allem war es ein Museumsbesuch, der mehr Fragen aufwarf, als Antworten gab, was ja an für sich nicht schlecht ist, aber einen irgendwie unzufrieden entlässt.
Es bleibt ein romantischer Blick auf den See.
Geschrieben von Nina Gorgus am 18. April 2008 10:35