Hängende Soßentropfen und Wurstsofas

Ein Artikel auf Spiegel online, vor Tagen überflogen, geht nicht mehr aus dem Kopf und deswegen landet der Inhalt jetzt hier: es geht um die Wurst bzw. um die Currywurst. In Berlin soll im August ein solches Museum geöffnet werden. Die Gründung geht natürlich darauf zurück, dass in Deutschland so viele Currywürste gegessen werden und Berlin als Erfinder der Wurst gilt (was Hamburg aber nicht so sieht). Warum man deshalb gleich ein Museum bauen muss bzw. eine übergroße Imbissbude mit historischen Ecken Museum nennen muss, leuchtet nicht wirklich ein.
Das sogenannte Museum soll beim Checkpoint Charlie stehen und auf über 1000 qm eine Art „begehbare Imbussbude“ darstellen: „An Stehtischen sind Hörstationen in Form von Ketchup-Flaschen aufgebaut, an denen Prominente ihre Liebe zur Currywurst erklären“. Natürlich soll die Geschichte der Erfindung gezeigt werden, es werden Wurstsofas rumstehen und Soßentropfen hängen von der Decke. „Das Geheimnis der Currywurst liegt in der Soße, das haben wir als Leitmotiv genommen“, erklärte einer der Macher. Bei so viel Einfallreichstum wundert es nicht, dass man hier auch Currywürste aller Art – von Sterneköchen gemacht – probieren kann.
Was die Besucherzahlen anbelangt, geben sich die Macher bescheiden: 350.000 BesucherInnen im Jahr sind anvisiert. „Wir nehmen das eher sportlich“, sagt der Kurator Martin Löwer. „Es ist ein witziges Thema und ein interessantes.“ So steht es im Spiegel. Was der Spass kostet, auch. Ein paar Freunde haben zusammengelegt und mal eben so 50 Millionen Euro locker gemacht. Bei so einer Summe muss man wohl wirklich nicht so genau hinschauen.
50 Millionen – was man damit alles machen könnte, und das im notorisch armen Berlin, in dem es wirklich genug kulturelle Projekte und Museen gäbe, die förderungswürdig sind – die sich aber als Museum nicht so gut vermarkten lassen, weil unter Umständen Objekte in Vitrinen liegen oder Bilder an der Wand hängen, also keine Soßentropfen von der Decke hängen.
Also ich gehe in Berlin lieber zu meinem bevorzugten Currywurst-Stand und lese das Buch von Uwe Timm. Diejenigen, die nachlesen möchten, was Museum ist bzw. sein kann, verweise ich wieder einmal auf das spannende Glossar von Gottfried Fliedl.

Kategorie: Berlin, Gelesen

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Bisher 4 Kommentare

  1. Andreas sagt:

    Die Staatlichen Museen besitzen eine der größten Sammlungen zur Volkskunde, aber das „Museum Europäischer Kulturen“ ist erstens sehr abgelegen (selbst im Dahlemer Museumskomplex noch kaum zu finden) und zeigt dann in ein paar Räumen auch so gut wie nichts davon. Ähnlich die „Sammlung Kindheit und Jugend“ und andere volkskundliche Sammlungen der Stiftung Stadtmuseum. Werbung wird für diese Museen schon gleich überhaupt nicht gemacht. Alles, was das eigene Alltagsleben und die eigene Biographie (wie man im Osten so gerne sagt) betrifft, ist in den Berliner Großmuseen unzureichend vertreten. Da ist es doch überhaupt kein Wunder, wenn private oder gar kommerzielle Anbieter wie das Currywurstmuseum, das DDR-Museum (und auch das Mauermuseum) die deutlich spürbare Lücke füllen. Ich kann daran nichts verwerfliches finden.

  2. Nina Gorgus sagt:

    Welche Lücke soll denn das Currywurstmuseum schließen? Die des gedankenlos Konsumierens etwa? So wie das DDR-Museum, wo man die DDR als Puppenstube präsentiert bekommt und ein bißchen Stasi spielen darf? (Aber das ist noch was anderes, finde ich). Die von Ihnen genannten kulturwissenschaftlichen Museen/Abteilungen tauchen aus unterschiedlichen Gründen so gut wie nie auf – u.a. weil sie keine Lobby haben, und damit auch kein Geld, um eine gute Arbeit zu leisten und dafür zu werben.

    Ich kann im Prinzip auch nichts Verwerfliches dran finden, wenn man eine gute Idee hat und damit Geld verdienen möchte. Nur soll man es dann auch Imbissbude nennen! Dem Ganzen dann mit dem Schlagwort Museum eine Art bildungsbürgerliche Legitimation verleihen zu wollen, finde ich billig – denn es ist ja offensichtlich, dass es den Machern weder um Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen & Vermitteln geht, was ja zu den Kernaufgaben des Museums gehört.

  3. Andreas sagt:

    Ich sprach nicht von „Lücke schließen“; sondern von „Lücke füllen“… 😉 Dass so etwas nicht optimal ist, ist klar, aber für unterhaltende Museen (oder meinetwegen Shops mit Museumsschgild) für den „kleinen Mann“ ohne allzugroßen intellektuellen Überbau und mit kleinem touristischen Zeitbudget ist nun mal auf allerlei Gebieten offensichtlich Bedarf da (mir fällt in Berlin dazu auch noch das „Erotik-Museum“ von Beate Uhse ein), und solange der nicht von Qualitätsanegboten bedient wird, gibt’s natürlicherweise Versuche minderer Qualität.

  4. Eva C.-K. sagt:

    In der Reihe der „unterhaltenden Museen für den kleinen Mann“ sind wohl neben den allseits spriessenden Sex- und Erotikmuseen, Wachsfigurenkabinetten (MUSEE Grévin) wohl auch die immer beliebten Folter- und andere Torturenmuseen zu sehen…
    Muss „Unterhaltung“ immer vulgär, reisserisch und anspruchslos sein?
    Selbst mit wenig „intellektuellem Überbau“ und knappem Budget kann man in den meisten „echten“ Museen auf durchaus unterhaltsame Weise eine Menge erfahren…

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