Figurinen im Museum XVII
Nein, das ist nicht nur einfach eine Figur, die wie ein Mensch aussehen soll, der vor über 27. 000 Jahren lebte und jetzt im Neuen Museum in Berlin rumhockt. Hierbei handelt nichts weniger als einen Eiszeitlicher Künstler, der gerade dabei ist, eine kleine Venus herzustellen.
Die schöne Industriebrache
Manchmal öffnen die Banken in Frankfurt ihre Türen und lassen die Öffentlichkeit teilhaben an ihren Kunstschätzen. Was die DZ-Bank nun zeigt, ist ein fotografisches Juwel: über 50 Werke der Frankfurter Fotografin Inge Rambow. Die Retrospektive mit dem Namen Niemandsland ist als Hommage zum 70-sten Geburtstag der Fotografin gedacht. Die Fotografien reichen über einen längeren Zeitraum und zeigen verschiedene Aspekte der Schaffensperiode.
Mit Niemandsland sind die leeren Deponien und Industriebrachen gemeint, die die Fotografin seit den 1990er Jahren so unglaublich ästhetisch einfängt. Sie erstellt nicht Schnappschüsse, sondern Fotografien, die an Landschaftsmalerei erinnern – so durchdacht erscheint die Konstruktion. Die Werke aus der Serie Luna Baedeker Buna sehen von weiten aus wie schöne Landschaften: die Farben leuchten warm und sinnlich. Erst dann sieht man, dass es sich um Deponien handelt, um Abbruchstellen, in denen der Mensch zwar nicht mehr da ist, aber doch reichlich Spuren der Verwüstung hinterlassen hat.
Auch Fotografien aus ihrer bekanntesten Serie Wüstungen sind zu sehen – Aufnahmen aus ehemaligen Braunkohleabbaugebieten in Sachsen.
Die Werke reichen zurück zu Beginn bis in die 1970er Jahren, als Rambow in schwarzweiss ihre nächste Umgebung im heimischen Taunus fotografierte – mit dem Blick für’s Detail und ungewöhnlichen Sujets.
Insgesamt eine sehr anregende Ausstellung, schön und luftig gehängt in angenehmen Räumlichkeiten.
Über die Ausstellung hier nachzulesen in der Frankfurter Rundschau, auf hr-online und auf dem Kulturportal Hessen.
Die Ausstellung ist im Art Foyer der DZ BANK, Platz der Republik bis zum 17. April zu sehen, von Di – Sa 11 bis 19 Uhr.
Die Fotografien von Inge Rambow bei der Deutschen Börse.
Ein (fast) vergessener Architekt
Wer an das moderne Frankfurt der 1920er denkt, denkt an Ernst May und an die Frankfurter Küche von Magarethe Schütte-Lihotzki. Das es da noch andere ambitionierte Architekten gab, scheint kaum möglich. Erst mit dem Streit um die denkmalgeschützten Großmarkthalle, in die die Europäische Zentralbank ziehen wird, tauchte verstärkt sein Name auf: Martin Elsässer.
Dabei hätte man den Architekten längst kennen können, stehen doch außer der Großmarkthalle noch zahlreiche, wenn auch zum Teil veränderte Gebäude – nicht nur in Frankfurt, sondern etwa auch in Stuttgart und Hamburg.
So hat die Ausstellung über Martin Elsässer, die gerade im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt gezeigt wird, mehrere Ziele: seine überragende Verdienste als Architekt bekannt zu machen und vor allem die Frankfurter Zeit zu würdigen. Martin Elsässer war zwischen 1925 und 1932 künstlerischer Leiter des Hochbauamtes in Frankfurt. Die Nazis wollten ihn nicht mehr beschäftigen, und auch nach dem Weltkrieg konnte er in Deutschland nicht mehr so richtig Fuß fassen.
Die Ausstellung stellt ein abwechslungs- und spannungsreiches Architektenleben dar, realisierte und wie unrealisierte Projekte werden präsentiert. Natürlich sind viele Modelle zu sehen. Die Ausstellung ist klassisch inszeniert und geht chronologisch vor: man liest viel und schaut Fotos an, was aber nicht langweilig wird.
Das Kernstück der Ausstellung bildet die Großmarkthalle, mit Modellen, Entwürfen und Plänen. Sie zeigen, wie umsichtig Elsässer geplant hatte, um alle möglichen Funktionen unterbringen zu können und mit welcher Aufmerksamkeit Elsässer sich auch Details wie Türgriffen widmete. Im Lichthof rührt ein kleines musée sentimental mit Relikten aus der Großmarkthalle an.
Auch die neue Plänen der EZB durch Coop Himmelb(l)au werden präsentiert.
Wer sich etwas für Stadtgeschichte und Architektur interessiert, sollte sich die Ausstellung ansehen. Bis zum 14. März ist dazu noch Zeit. Auf keinen Fall sollte man es auch versäumen, sich die Großmarkthalle nochmals anzusehen, die Annexbauten sind allerdings schon abgerissen.
Am 11. und 12. Februar 2010 findet im DAM das Symposium Martin Elsaesser und seine Zeit(en)
statt.
Noch einige links: Über die Ausstellung in der Frankfurter Rundschau und hier geht es zur Stiftung, die die Erben eingerichtet haben. Hier geht’s zum Dossier von der Frankfurter Rundschau über die Großmarkthalle.
John Soane’s Museum
Für Nina Gorgus, der ich viele inspirierende Texte, Unterstützung als Neo-Blogger und die Entdeckung neuer Museen verdanke. Gottfried Fliedl
Wohnhaus, Studio, Archiv, Galerie, Antikensammlung, Bibliothek, Gruft? Von allem etwas, aber sicher nicht das was wir landläufig unter Museum verstehen. Zu Lebzeiten seines Schöpfers war es das auch nicht, sondern Wohnsitz der Familie Soane. Dieses Hybrid von Räumen, Gängen, Treppen, Schächten, Durchblicken, Vexierbildern ist – heute – John Soane’s Museum. Eines der merkwürdigsten, bizarrsten, interssantesten Museen überhaupt.
John Soane (1753 – 1837) galt bereits zu Lebzeiten und gilt bis heute als einer der bedeutendsten englischen Architekten. Von dem Einkommen, das er aus seinen Projekten bezog – darunter war eine der wichtigsten und größten Bauaufgaben seiner Zeit, der Neubau der Bank of England –, und auf Grund von Erbschaften konnte er sich, als angesehener und wohlhabender Mann, im Londoner Lincoln’s Inn Fields niederlassen.
Er erwarb dort das Haus Nr.12 und nach und nach zwei benachbarte Häuser und baute sie in Etappen aus. Zum Entsetzen seiner Erben vermachte er alles dem Staat und bestimmte in einer testamentarischen Verfügung, dieses Ensemble unverändert als Museum der Öffentlichkeit zu bewahren – for the benefit of Amateurs and Students of Painting, Sculpture and Architecture. Dieser Wunsch wurde nach Soanes Tod erfüllt, das Museum öffnete noch in seinem Todesjahr und so blieb dieser einzigartige Ort seither weitgehend unverändert erhalten.
Die elegante und schlichte Fassade und der schmale Korridor, den man hinter der Eingangstür findet, lassen nicht ahnen, in welch labyrinthisch verzweigtes Pasticcio von Räumen man sich gleich verirren wird. Vertikale und horizontale Durchbrüche lenken den Blick auf ständig wechselnde Sichtachsen, von raffiniert konstruierten verdeckter, z.T. von buntem Glas gefilterter Belichtungen magisch erhellte Räume verschachteln und verschieben sich wie Kulissen ineinander, Verspiegelungen und Nischen und diaphane Wandteile verrätselten zusätzlich die Rumstruktur. Kunstwerke, wie z. B. eine Florabüste, sind vor Spiegelglas aufgestellt und spiegeln ihr Spiegelbild ihrerseits wieder in einem konvexen Rundspiegel.
Nicht genug damit. Soane hatte eine Vorliebe für in die Decke eingelassene, gewölbte, runde Konvexspiegel, die den umliegenden Raum wie in einem Brennglas fangen und Raum und Ausstattung verfremden.
Der Grundriss sieht recht überschaubar aus, aber es scheint der Architekt alles unternommen zu haben, um über diesem rationalen Raster ein Reich der überraschenden Übergänge, der beständigen Verwandlung, der Auflösung der festen Grenzen, des flutenden Lichts zu schaffen. Die Räume sind auf recht unterschiedliche Weise untereinander verbunden, nicht alle kann man betreten, aber man kann in sie hineinsehen und andere bilden überlegt inszenierte Blicke auf Räume, Raumteile oder ein bestimmtes Arragement von Objekten.
Soane scheint sein Haus wie ein Regisseur genutzt zu haben, das er Interessierten wie eine Bühne öffnete, aber nur wenn das ihm geeignet scheinende Licht herrschte, lumiére mysterieuse, das den Dingen ein eigentümliche Zwischendasein zwischen Schatten und Helligkeit verleiht.
Alle Räume sind Auf- und Ausstellungsorte für Soane’s Sammlung aberhunderter Objkete: Kunstwerken, Fragmente, Spolien, Kopien, Gemälde, Zeichnungen, Pläne, Statuen, Büsten, Ornamente, Figurinen, Architekturskizzen, Modelle. An die 3000 Objekte umfasst die Sammlung überwiegend ägyptischer, griechischer und römischer Objekte. Und das in einer keineswegs musealen, sondern in einer – zumindest nicht auf den ersten und zweiten Blick – durchschaubaren, rätselhaften Mischung.Die von Museen gewohnte chronologisch-kunsthistorische Ordnung, die sich in jener Zeit in Museen durchsetzt, gibt es hier nicht. Völlig unterschiedliche Dinge halten engste Nachbarschaft, weder nach Größe, Herkunft, Stil oder Funktion vergleichbar.
Tatsächlich gibt es all die einzelnen Funktionen, die man von einem (gutbürgerlichen) Haus erwartet – die wohnlichen Räume, einen Ankleideraum, einen Speiseraum usw., aber auch ein Studio, in dem Soane mit seinen Architekturstudenten arbeitete, die Bildergalerie (picture room), die durch eine ingeniöse Anordnung verschiebbarer und aufklappbarer Wände in einem verhältnismäßig kleinen Raum viele Werke aufnehmen kann, dann aber auch eine Art Binnenhof, monks parlour, der mit einschlägigen Spolien bestückt, Soane als Bühne für gesellige Zusammenkünfte diente. In der ‚mittelalterlichen‘ Mönchszelle – die von manchen Interpreten als Parodie auf die zeitgenössiches Gotik-Mode gedeutet wird -, mit ihren bleiverglasten Fenstern und einer morbiden Ausstattung wie einem hölzernen Skelett, versammelte Soane die Gäste zum Nachmittagstee.
In den sogenannten Katakomben – die ihren Namen nach den in ihnen auf gestellten Aschenurnen erhielten – steht im Zentrum ein römischer Altar des 2. Jahrhunderts nachchristlichen Jahrhunderts. Der Raum enthält aber unter anderem auch Porträtbüsten der Kaiserzeit, Aschenurnen, von denen eine wiederum aus dem Besitz von Giovanni Battista Piranesi stammt, Reliefs mit Theatermasken, die aus Pompeji stammen, den Torso einer knieenden Niobide, die römische Kopie eines tanzenden Satyr, zwei ägyptische Stelen der XXII. Dynastie und vieles andere mehr. Wie im ganzen Haus geht es auch hier weder um eine historische, chronologische oder taxonomische Anordnung, sondern um eine ästhetische, um geheime Verwandtschaften und Beziehungen unter den Dingen, die man als Besucher in einer nie enden wollenden Entdeckungsreise zu entziffern – oder einfach zu genießen – aufgefordert ist.
Wie in durch Foucalts Zitierung berühmt gewordnen Text Borges’, ist es auch hier so, daß das einzig Gemeinsame der Dinge das Fehlen eben eines Gemeinsamen ist, insofern ist es ein unvollendbares Universum, das erst mit dem Tod des Sammlers zum Stillstand kam.
Herzstück des Museums ist The Dome, auch Sepulcral Chamber, Krypta oder Museum genannt, ein durch drei Stockwerke reichender schachtartiger Raum. Als das British Museum seinen Ankauf ablehnte, erwarb Soane den (leeren) Sarkophag Pharao Sethis (oder Sethos) I. – dieser war im Oktober 1817 von Giovanni Battista Belzoni entdeckt und nach London gebracht worden.
Dieser Toten- und Unsterblichkeitsraum im Zentrum des Ganzen ist von Fund- und Sammlerstücken über und über bedeckt und bestückt, wobei er von vielen Seiten her betreten und über eine umlaufende Galerie aus verschiedensten Perspektiven betrachtet werden kann. Hier ist die Lichtregie besonders raffiniert und man muß sich vorzustellen versuchen, daß Kerzenlicht – Soane soll für Gäste Kerzen auch in den Sarkophag gestellt haben – den dicht an dicht arrangierten Objekten einen besonderen Effekt verlieh. So etwas wie einen Nabel des gesamten Ensembles und des gesamten Hauses bildet die Büste Soanes selbst, die auf die auf der gegenüberliegenden Galerie Kopie des Apoll von Belvedere blickt.
Eine Deutung bietet der Kunsthistoriker Donald Preziosi an. Nämlich daß es sich bei begehbaren und bei, z.B. vertikalen, bloß betrachtbaren Raumachsen um freimaurerischen Ritualen folgende Inszenierungen halten, die immer einen Weg der Verwandlung beschrieben, z.B. vom Dunklen zum Licht oder vom Tod zum Leben (wie im Dome). Was hier, extrem vereinfacht zusammengefasst, etwas pedantisch klingen mag, stellt Prezios in den Kontext einer bemerkenswert sicher vorgetragenen erweiterten These auf. Daß nämlich das moderne Museum sowieso eine freimaurerische ‚Erfindung‘ sei. Wofür er etwa das Ashmolean Museum oder Lenoires Musée des Monuments (auf das sich Soane u.a. bezog) als Beispiele nennt – aber auch Soanes Mitgliedschaft und seine architektoniuschen Projekte für die londoner Freimaurer.
Ich bin noch nicht sicher, ob ich Preziosi in dieser Deutung folgen will, aber wenn er damit den Verwandlungscharakter des Museums ins Spiel bringt, kann ich ihm gut folgen. Er rückt damit die zivilisatorische Rolle des Museums der Moderne ins Zentrum und dessen Bedeutung für die Ausbildung, das Prozessieren, das Entwerfen und Erproben individueller wie kollektiver Identitäten ins Zentrum der Museumsidee der Moderne.
Daß das Museum unter anderem ‚modern‘ ist, insofern dies Transformation oder Zivilisierung notwendigerweise immer unabgeschlossen bleiben muß, das macht Soanes kaleidoskopische Maschinerie deutlich.
Ein Herz für das Ruhr Museum
Wer schon einmal die Zeche Zollverein in Essen besucht hat – etwa anlässlich der Ausstellung Sonne, Mond und Sterne – weiss, dass ihn hier eine der Hochburgen der deutschen Industriekultur erwartet: seit einiger Zeit ja auch Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.
An diesem Wochenende gibt es wieder einen guten Grund, dort hinzufahren: Das Ruhr Museum öffnet am 10.1. in der ehemaligen Kohlewäscherei seine Pforten.
Die Dauerausstellung verbindet, so heisst es auf der Internetseite, „die Natur- und Kulturgeschichte in einem integrativen Konzept und präsentiert die Mythen, Bilder und Phänomene des Ruhrgebietes, die ungeheuren Dimensionen der Erdgeschichte, die lange Geschichte der Industrialisierung ebenso wie deren Folgen und zukünftigen Perspektiven.“
Die wissenschaftliche Leitung hatte Ulrich Borsdorf, Direktor des Ruhr Museums, für die museale Umnutzung des Gebäudes sorgte Rem Kohlhaas und das Stuttgarter Architektenbüros HG Merz für die Gestaltung. Großartig und einzigartig wird es natürlich werden, ein ästhetischer Hochgenuss, wie wir von den beiden Architekten bereits auf Deutschlandradio Kultur erfahren konnten.
Und Ulrich Borsdorf verkündet auf den Seiten der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 : „Ich liebe dieses Museum, und die Menschen im Ruhrgebiet werden es auch in ihr Herz schließen“.
Ob das auch für Menschen außerhalb des Ruhrgebiets gilt, kann ab Sonntag überprüft werden – am besten, man nimmt sich gleich etwas mehr Zeit, um auch noch die eine oder andere Veranstaltung der RUHR.2010 zu besuchen – die europäische Kulturhauptstadt umfasst ja 2010 das gesamte Ruhrgebiet.
Die Erwartungen sind auf alle Fälle hoch!
Figurinen XVI
Die Figurine stammt wohl aus der heutigen Warenwelt, während die Kleidung auf frühere Zeiten verweisen soll – als Autos noch Automobile hießen (und so aussahen). Genauer betrachtet, fehlt dann aber doch der Gesichtsausdruck, der zum Kaufen auffordern soll. Ist da gar etwa eine Sorgenfalte im Gesicht des Fahres? Lastenmannes? zu sehen?
Gesehen im Volvo-Museum in Göteborg.