Im Gammelgard des Herrn Zorn

Geschrieben von am 28. September 2009 10:32

Das ist der ehemalige Eingang eines ungewöhnlichen Freilichtmuseums: sein Begründer Anders Zorn (1860-1920)war kein Museumsfachmann oder Volkskundler, sondern einer der bekanntesten Künstler Schwedens, der schon zu Lebzeiten sehr erfolgreich war. Zorn ist berühmt für seine Landschaftsbilder, Porträts, Akte und Druckgraphik – die war vor einiger Zeit auch in Hamburg zu sehen. Heute präsentiert das ZornMuseet vor allem seine Werke, aber auch Teile seiner Kunstsammlung.

Zorn reiste viel in Europa umher, identifizierte sich aber vor allem mit seiner Heimatregion Dalarna. Ihre spezifische ländliche Kultur wollte er seinen Mitmenschen ans Herz legen. Dafür gründete er 1914 in Mora ein Museum. Doch nicht alle seine Vorhaben waren verwirklicht, als er 1920 starb. Seine Frau Emma Zorn setzte sein Anliegen weiter um.

Zorn wollte vor allem die für die Region typischen Blockhäuser vor ihrem Verfall retten. Mit der Gründung von Zorns Gammelgård steht er natürlich in bester schwedischer Tradition: Artur Hazelius hatte 1891 Skansen (Als Annex des Nordiska Museet in Stockholm) gegründet, das zum Vorbild aller Freilichtmuseen in Europa wurde.
Zorn ließ die für Dalarna typischen Gebäude aus Holzbalken wie Schuppen, Kuhstall, Scheune oder Wohngebäude ins Museum translozieren. Die Gebäude sind wohl nicht immer originalgetreu aufgestellt, wie man es aus der etwas kargen deutschen Beschreibung entnehmen kann: Zorn ging es vor allem darum zu vermitteln, wie in früheren Jahrhunderten in Dalarna gewohnt und gearbeitet wurde.

So ließ er zwischen 1916 und 1918 einen Hof aufstellen, wie er in Mora typisch war: die Gebäude wie Scheune, Schuppen oder Handwerkshaus formen einen Innenhof. Sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten; einige Gebäude gehen auf das 14. Jahrhundert zurück.

In einige Gebäude dieses Hofes kann man hineinsehen, in andere hineingehen und Wohnarrangements anschauen. Besonders interessant ist die Bergkarlascheune: hier sind Objektarrangements zu sehen, die auf Zorn zurückgehen. Zorn sammelte nicht nur Häuser, sondern stellte hier so etwas wie ein Inventar der ländlichen Gesellschaft auf. Hier zählt vor allem die Masse – und die Vielfalt.

In späteren Jahren wurde der Hof noch um weiteren Gebäudekomplexe ergänzt – wie Sennhütten, Handwerkshäuser und Bootshäuser.

Zorns Gammelgård steht für das Bildungs- und Sendungsbewusstsein eines engagierten Paares, das Kultur und Kunsthandwerk bewahrt sehen wollte – nach welchen Kriterien, konnte ich nicht herausfinden, da die Informationen auf englisch oder deutsch eher spärlich sind. Es steht aber mit Sicherheit auch für die Erfindung von Traditionen, als Museum im Museum – wie es die meisten musealen Institutionen, die um diese Zeit gegründet wurde, tun. Zorns Gammelgård ist auf jeden Fall einen Besuch wert, wirkt es doch durch seine Kargheit – an Informationen, an living history oder sonstigen events sehr eindrucksvoll.

Politisch ausstellen

Geschrieben von am 22. September 2009 09:53

„Politisch schwer korrekt“ nennt die NZ-Online die Ausstellung El Dorado. Über das Versprechen der Menschenrechte, die letzte Woche in der Kunsthalle Nürnberg eröffnet wurde. Die Ausstellung findet im Rahmen des Themenschwerpunkts Alles was recht ist! Menschenrechte des KunstKulturQuartier statt.

Zu sehen sind Werke von 16 KünstlerInnen aus verschiedenen Ländern. Diese nehmen sich mit ihren eigenen Stilmitteln dem Thema an, prangern nicht plakativ Menschenrechtsverletzungen an, sondern nähern sich eher subtil von verschiedenen Seiten an. Dazu heisst es auf der Ausstellungsseite:
„Gemeinsam ist allen Positionen der Ausstellung, dass sie nicht versuchen, Konflikte zu illustrieren oder Menschenrechtsverletzungen zu visualisieren. Vielmehr bieten sie durch ihren Reichtum an psychologischen und formalen Schattierungen einen neuen Zugang zum Thema.“

Videos, Installationen, Fotoarbeiten oder Skulpturen erklären sich zum Teil aber nicht von selbst. So empfängt die Besucherin die wuchtigen, blockartige Installation „The Trial of Henry Kissinger“ von Eva Grubinger, die die Architektur des Internationalen Gerichtshofs von Den Haag zitiert. Man darf auch ausprobieren: die Gruppe U.R.A./Filoart setzt sich mit der allgegenwärtigen Videoüberwachung auseinander. In ihrer Installation kann man sich eine Art verkabelte Kopfhörer aufsetzen, die bewirken, dass man von Überwachungskameras nicht mehr gesehen wird.

Subtiler wird es hier: Eigentlich schön anzusehen sind die Tintenstrahldrucke von ÖzlemGünyol/Mustafa Kunt, die man mit weißen Handschuhen ausgerüstet, in einem großen Buch anschauen kann. Sie zeigen verschiedene graphische Muster – die Vergrößerungen von Wasserzeichen auf Ausweisen.

Oliver Boberg überzeugt mit seinen fotografischen Annäherungen. Er hat Miniatur-Slums gebaut und diese dann sehr ästhetisch in Szene gesetzt.

Die Räume sind insgesamt großzügig inszeniert. Da sich manches nicht von selbst erklärt, ist man mit einem Flyer gut ausgerüstet. Die Gruppenausstellung lohnt sich: sie ist politisch, kommt aber nicht mit der moralischen Keule, sie bietet viele Annäherungen, die kurzweilig sind.

Schwer korrekt ist auch der Katalog: er erscheint auf englisch und auf deutsch für 24 Euro.
Die leider etwas dunklen Bilder sind von der Eröffnung.

Ausstellungswürdig?

Geschrieben von am 15. September 2009 16:10

Was ist guter Geschmack? Spätestens seit Pierre Bourdieu wissen wir ja, wie sich Geschmack ausbildet. Doch wie sehen die Dinge des schlechten Geschmacks aus? Dieser Frage geht das Werkbundarchiv im Museum der Dinge in der Ausstellung Böse Dinge. Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks in Berlin nach.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Geschmacks-Kategorien von Gustav E. Pazaurek, Museumsdirektor im Landesgewerbemuseum in Stuttgart, der 1909 dort die „Abteilung der Geschmacksverirrungen“ einrichtete.
Dinge zeugen nach Pazaurek entweder von gutem oder schlechtem Geschmack. So heisst es auf der Ausstellungsseite des Museums der Dinge:

„Die strafrechtlichen Kategorien, mit denen Pazaurek die Dinge etikettierte, lesen sich wie eine Metaphorik des Bösen. Die Bösartigkeit der Dinge bezieht sich dabei nicht auf Taten, die mit ihnen ausgeführt werden könnten, nicht auf ihren Zweck oder ihren Zeichencharakter, sondern auf das Böse bzw. Schlechte, das sich in ihrer Ausführung, Gestaltung und in ihrer Funktionsfähigkeit manifestiert.“

Der Werkbund stellte einige der von Pazaurek gesammelten Stücke zeitgenössischen Stücken gegenüber, verlängert also die Geschmacksverirrungen bis in die Gegenwart. Freilich setzt man nun auf andere Prämissen. Verwies für Pazaurek ein „böses“ Ding etwa auf ästhetische oder materielle Mängel, so liegt das Böse heute eher bei „sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren“, wie es im Ausstellungstext heisst. Wie etwa das mit Schmucksteinen verzierte Handy, das es sogar zum Ding des Monats schaffte.

Besucherinnen werden gebeten, solche Dinge von zu Hause mitbringen; sie werden dann ausgestellt. Oder zerstört: Wohl nur Ende August war die Destruktionsmaschine von Antoine Zgraggen zu Gast, die eine radikale Lösung für das eine oder andere Stück anbot.

Interessant ist auch, dass sich die Einrichtung, die in Deutschland für die guten Dinge schlechthin steht, Sorgen macht, man könne etwas aus ihrem Sortiment in die Ausstellung bringen: so fordert Manufactum in den letzten Hausnachrichten dazu auf, diese Stücke doch bitte zu melden.

Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Januar 2010 zu sehen. Hier ein Einblick zum Hören in Deutschlandradio Kultur und hier etwas zu lesen in der taz und hier auf Fr-online.

Man spricht Deutsch

Geschrieben von am 14. September 2009 17:45

Während der kommende dgv-Kongress („Mobilitäten“, 27.-30.9.2009 in Freiburg im Breisgau) unter anderem von den zögerlichen Versuchen volkskundlicher (im weiten Sinne) Museen, moderne Migration darzustellen berichten wird, hat das Österreichische Museum für Volkskunde ein originelles und intelligentes Projekt entwickelt.

Migranten sind dabei nicht das Objekt einer Ausstellung oder passives Publikum sondern aktive Teilnehmer. Nicht über sie sondern mit ihnen wird gearbeitet, das Museum wird für sie zum Erlebnisraum, zum Tor in eine – eventuelle – neue Heimat.
Neue, immer striktere, Einwanderungsbestimmungen verlangen heutzutage in den meisten Ländern Europas dass Kandidaten für Aufenthaltsgenehmigungen Kenntnisse über das Aufnahmeland und dessen Sprache nachweisen müssen. Und wo kann das besser geschehen als im Museum, fragte sich Katharina Richter-Kovarik, Kulturvermittlerin am ÖMV und Sprachtrainerin. Sie entwickelte in der Folge spezielle Rundgänge sowie Begleitmaterial das zusätzliche Informationen und ein Glossar bietet.
Die Teilnehmer müssen beispielsweise verschiedene Objekte in der Schausammlung finden, Fragen dazu beantworten und sie dann den anderen Gruppenmitgliedern vorstellen. „Es ist uns wichtig, alle vier sprachlichen Fähigkeiten, nämlich Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören zu schulen“, betont Katharina Richter-Kovarik.
Senioren, eine andere Zielgruppe aktiver Museumsintegrierung, nehmen ebenfalls an den Kursen teil, um diverse Objekte des täglichen Lebens aus eigener Erfahrung zu erklären. Land und Leute, Geschichte und Sprache, Eigenes und Fremdes, all dies fliesst ein und ermöglicht ein besseres gegenseitiges Verständnis.
Das Programm wurde 2008 für den Österreichischen Staatspreis für Erwchsenenbildung im Rahmen des „Interkulturellen Jahres“ nominiert und es wäre zu hoffen, dass es in Zukunft auch von anderen Museen aufgenommen wird.
Mehr dazu in der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde LXIII/112, 2009, p.98-102 und auf der website des ÖMV

Sitzen im Museum XIII

Geschrieben von am 12. September 2009 09:22

Sie sind schön anzusehen: die Sitzgelegenheiten in den Galeries de Paléontologie et d’Anatomie comparée des naturhistorischen Museums von Paris.

Nicht immer ist es allerdings ratsam, sich auch hinzusetzen:

Kultur in Köln

Geschrieben von am 11. September 2009 09:46

Köln hat es schwer mit der Kultur: erst versinkt das historische Archiv im U-Bahn-Schacht, dann wird aus dem Plan mit dem jüdischen Museum nichts und nun hat das Stifterehepaar, das der Stadt einen Anbau für das Kölnische Stadtmuseum finanzieren wollte, seine Zusage zurückgenommen. Kulturelle Einrichtungen haben es in Köln schwer, langfristig auf festem Grund zu stehen.

Liest man den Kölner Stadt-Anzeiger oder die Welt online, so hat man den Eindruck, dass es sich bei dem Erweiterungsbau um einen großen Verlust handelt. Und die Schuldigen sind auch schon ausgemacht: PolitikerInnen von den Grünen und Linken, die unbequeme und überflüssige Fragen stellten.

Andere Quellen wie der WDR3 sind da schon etwas differenzierter.
Hier kann man sich anhören, dass es sich eigentlich um gar kein richtiges Geschenk gehandelt hätte – zuviele Klauseln, zuviel Kleingedrucktes, zuviel Rechte, die sich die Stifter vorbehalten hätten. Der Erweiterungsbau sollte schlüsselfertig übergeben werden, gebaut werden sollte nur mit einem bestimmten Architekten und einem Bauunternehmen – das widerspricht dem geltenden EU-Recht. Die Stifter hätten sehr viele Bedingungen gestellt, u.a. hätten sie oder ihre Erben den Erweiterungsbau jederzeit zurückverlangen können. Die Stadt hätte sich auf diese Weise in unabwägbare Abhängigkeiten begeben.

Vom Stadtmuseum selbst war in den Medien immer nur ganz am Rande die Rede: so, wie sich das anhörte, hätte das Museum nur sehr wenig zur Gestaltung zu sagen gehabt.
So gesehen ist es also eher positiv zu bewerten, dass eine solche unglückliche Form des Mäzenentums nicht realisiert wird. Es ist also doch wieder einmal alles gutgegangen!

Figurinen XII

Geschrieben von am 7. September 2009 13:56

Figurinen lauern überall. In der kleinen Stadt Rain am Lech lümmeln sie auf diese Weise im Heimatmuseum:*

mit Dank an Beate Spiegel!

Wasser und Kunst

Geschrieben von am 6. September 2009 12:12

Wer sich beeilt und in Hamburg wohnt, schafft es vielleicht noch zur Ausstellungseröffnung von KlimaWasserWerke – Kunstpositionen im Fluss im ehemaligen Wasserwerk Wilhelmsburg.
Malerei, Fotografie, Multimedia und Installation sind die Mittel, mit denen sechs Künstlerinnen ihre Blicke auf das Wasser in Szene setzen. Der Schwerpunkt liegt auf Wasser, da Wilhemsburg im Wasser liegt – auf einer Elbinsel. Wer sich auf den Weg macht, wird auch noch die Performance des U-Boot-Orchesters erleben können.

Die Ausstellung findet im Rahmen der Internationalen Gartenschau statt, die 2013 in Wilhelmsburg veranstaltet wird.
Die Ausstellung läuft dann noch bis zum 27. September.

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