Geschrieben von Eva C.-K am 12. März 2009 17:46
36 Stunden in London und 9 Ausstellungen besucht – wenn das keine Leistung ist!
Ein kurzer Überblick über das Gesehene sei hier gegeben:
Erste Station, das
Victoria & Albert Museum das zwei Ausstellungen zu bieten hat.
„Hats. An Anthology by Stephen Jones“ klang vielversprechend. Der Modist Stephen Jones dessen extravagante Kopfbedeckungen die Kreationen von Vivienne Westwood, John Galliano oder Jean-Paul Gaultier ergänzen kuratiert hier eine kleine, amüsante Ausstellung. Man hätte sich von diesem exzentrischen Hutkünstler vielleicht mehr Kreativität erwartet. Der Raum ist dunkel, die Objekte, zumeist kühne Kreationen aber auch historische Stücke aus der Sammlung des Museums in den kioskartigen Vitrinen sind nach Themen gegliedert: Einflüsse (Exotismus, Stilepochen, Natur…), Materialien (Filz, Papier, Federn…), berühmte Kunden (natürlich die königliche Familie, aber auch Stars des Showbiz). Filmausschnitte zeigen Modeschauen, die Techniken des Hutmachers, ein Interview mit Stephen Jones…
Die zweite Ausstellung im V&A war dem Glanz der Zaren gewidmet „Magnificence of the Tsars“. Auch dies eine sehr konventionelle Kostümausstellung. Der Schwerpunkt liegt auf den Einflüssen der europäischen Mode seit dem 18. Jhdt. und dem allmählichen Aufkommen der schlichten Uniform als Alltagskleidung des Monarchen. Prächtige Stickereien, leuchtende Farben kennzeichneten die Männermode lange Zeit hindurch und bildeten einen krassen Gegensatz zu den extrem schlichten schwarzen, schmucklosen Trauergewändern wie zB. dem Trauermantel von Peter dem II. Im Alter von nur 15 Jahren am Morgen seiner Hochzeit verstorben, ist dies das Kleidungsstück das der junge Mann in seinem kurzen Leben am häufigsten getragen hat und das die stärksten Abnutzungsspuren zeigt.
Nächste Station die
Tate Modern. Dieses ehemalige Elektrizitätswerk mit seinen überdimensionierten Räumen kam uns diesmal auch eher enttäuschend vor. Schon der Gesamteindruck ist irgendwie trübe, die Beleuchtung setzt keine Akzente, das Mobiliar mutet bereits leicht gestrig an. Eine Ausstellung ist den russischen Konstruktivisten und Designern
Alexander Rodchenko und Liubov Popva gewidmet eine zweite der Fotografin
Roni Horn. Auch hier nichts Neues unter der Sonne, brave, konventionelle Ausstellungen.
Die
Royal Academy of Arts zeigt
„Byzantium, 330-1453“. Auch hier ist das Ergebnis leider enttäuschend. Kostbare und eindrucksvolle Objekte in klobigen, schlecht ausgeleuchteten Vitrinen. Der Besucherandrang ist gross und die Disposition der Vitrinen erschwert die Zirkulation noch zusätzlich. Man fragt sich zB. warum bei grossen Vitrinen die Beschriftungen nicht auf beiden Seiten angebracht sind sodass mehr Leute gleichzeitig zum Lesen kämen. Eine weitere Ausstellung unter dem, ach so beliebten, Motto „Die Schätze von…“, beliebig abzuwandeln mit dem Zusatz „der Pharaonen“, „der Vikinger“, „der Inka“ etc. etc.
Ein amüsantes, wenig bekanntes Museum ist das „Museum of Brands, Packaging and Advertising“ in Notting Hill. Aus einer Privatsammlung hervorgegangen kann man hier eine historische Tour durch Werbung und Verpackung machen, seit den Zeiten der Queen Victoria bis heute. Die von oben bis unten vollgepackten Vitrinen sind szenografisch gesehen eher katastrophal aber man amüsiert sich, bekannte Produkte und die Wandlungen ihrer Verpackung oder die sozialen und historischen Einflüsse in Werbung und Packaging aufzuspüren.
Sehr interessant war schliesslich die Ausstellung
„Unveiled: New Art from the Middle East“ in der
Saatchi Gallery. 21 Künstler aus dem Mittleren Osten, Iran, Irak, Palästina… präsentieren hier ihre Bilder, Installationen, Photos, Skulpturen. Auch wenn der Grossteil von ihnen inzwischen im Westen lebt, ist ihr Werk stark von ihrem jeweiligen kulturellen Background aber auch der aktuellen sozialen und politischen Lage beeinflusst. Besonders beeindruckend die aus Alufolie gerformten knieenden Frauen von Kader Attia, die lebensgrossen puppenartigen „Teheran prostitutes“ von Shirin Fakhim und die „Men of Allah“ von Ramin Haerizadeh, die verschleierten Frauen von Shadi Ghadirian deren Gesichter durch ein Haushaltsgerät (Sieb, Plastikhandschuh, Besen…) ersetzt sind und vor allem die Installation des in Hebron geborenen und in Ramallah lebenden Wafa Hourani. Die Website der Saatchi Gallery erlaubt es, sich eine Idee zu machen.
Last but not least stand noch eine andere Galerie auf dem Programm, die
Mall Galleries die eine Auswahl iranischer Künstlerinnen mit sehr unterschiedlichen Arbeiten ausstellte:
„The Masques of Shahrazad: evolution and revolution through three generations of Iranian women artists“. Den stärksten Eindruck in dieser Galerie hinterliessen jedoch die schwarz/weiss Fotos von Munem Wasif
„Salt Water Tears: Lives left behind in Satkhira, Bangladesh“. Der junge Fotograf erhielt 2008 den Auftrag, die fatalen Folgen der Wasserknappheit und der Schäden durch planlose Ausbeutung der Ressourcen einer Region zu dokumentieren um damit die Arbeit der NGO WaterAid zu unterstützen. Die Fotos der vom Salz zerfressenen Landschaft, der wassertragenden Frauen, der an schweren Krankheiten leidenden Bevölkerung sind unheimlich ausdrucksstark, berührend und trotz ihrer Ästhetik nicht beschönigend sondern eben dadurch noch ergreifender.
Abschliessend noch ein paar allgemeine Feststellungen. In allen Museen und Ausstellungen herrschte grosser Publikumsandrang, viele junge Leute, viele Schulklassen, aber auch zahlreiche Gruppen älterer Damen die zum Teil an Kursen (Aquarellmalerei etc.) vor Ort teilnahmen. Der Eintritt in die Museen und Galerien ist (fast durchwegs) gratis, die Sonderausstellungen hingegen sind eher teuer und es wird an allen Ecken und Enden um Spenden geworben. Jeder Orientierungsplan soll durch eine Spende „erworben“, jedes Garderobestück von freiwilligen Geldgaben begleitet werden. Ebenso mündet jede Ausstellung direkt in einen reich bestückten Shop. Cafés und Restaurants profitieren gleichermassen von den Ersparnissen beim Eintritt. A propos Café: das Museumsrestaurant im V&A Musem ist das erste Museumsrestaurant überhaupt und lohnt den Besuch: reiche Dekorationen, Keramikfliessen, Art déco Leuchter etc. – schade nur dass Tische und Stühle aus Plastik nicht dem edlen Rahmen entsprechen.