Das Centre Pompidou wird mobil

Geschrieben von am 24. Oktober 2007 20:02

Das Centre Pompidou in Paris streckt die Fühler aus: 30 Jahre sind Konzept und Gebäude alt; viele halten es schon selbst für museumsreif. Dagegen wird nun eine Offensive gestartet: 2009 wird die Antenne in Metz eröffnet. 2010 soll mit dem Centre Pompidou-Alma eine Dependance in Paris selbst entstehen, und zwar im Untergeschoss des Palais de Tokyo, dem Museum für zeitgenössische Kunst. Hier sollen vor allem jüngere, französische KünstlerInnen ausstellen. Das ist noch nicht alles: Das Centre Pompidou wird mobil und will Kunst in die Regionen und zu Menschen bringen, die eigentlich für Kunst nicht so empfänglich sind. Das alles erzählte Alain Seban, der Präsident des Centre, heute in Le Monde. Und ich empfehle, bis 11. Februar 2008 die Alberto-Giacometti-Ausstellung im Centre anzuschauen. Ein Hochgenuß, da nicht nur viele Skulpturen, sondern Teile seines Ateliers, Gemälde, Fotos und Zeichnungen klug präsentiert werden.

Kunst und Terror

Geschrieben von am 11. September 2007 23:52




Im September auf der Biennale di Venezia

Nicht oft geht man durch eine Ausstellung und hat Angst, dass sich die Welt jeden Moment auf dramatische Weise verändern könnte. Mir ging es so, als ich am 5. September in Venedig die Räume der Arsenale auf der 52. Biennale di Venezia 2007 betrat. Das lag nicht unbedingt daran, dass es gleich am Eingang eine „Airplanecrashclock“ (1997) von Charles Gaines (USA) zu sehen gab, und andere Kunstwerke, die explizit das Thema „Terror“ aufgriffen – es lag schlichtweg daran, dass seit meinem letzten Besuch in Venedig, am 11. September 2001, die Welt tatsächlich nicht mehr dieselbe ist. Nie werde ich vergessen, wie an einem Café-Stand am Seitenausgang der Arsenale-Hallen Unruhe aufkam. Es war früher Nachmittag, und ich wollte einen stärkenden Espresso zu mir nehmen, doch niemand interessierte sich dafür. Alle hefteten ihre Ohren an ein Radio und rätselten in allen Sprachen, was da wohl passiert sein könnte. So ganz ließ sich nicht klären, was in New York los war, also wendete ich mich wieder den Ausstellungsräumen zu. Erst am Abend, als ich im Hotel die Bilder im italienischen Fernsehen sah, wurde mir bewusst, dass sich diese Aufnahmen tiefer in mein Bewusstsein brennen würden als alle Kunstwerke, die ich zuvor gesehen hatte. Bereits am nächsten Tag war ich froh, Venedig verlassen und nach Hause fahren zu können, Zwischenstopps auf dem Weg nach Hamburg hatte ich abgesagt. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

Sechs Impressionen zur Documenta

Geschrieben von am 24. August 2007 10:04

Zu allererst: die Documenta 12 ist ein Erlebnis. Es ist toll, soviel Kunst auf einmal sehen und erfahren zu können. Ich habe spannende Sachen gesehen, die mich mächtig beeindruckt haben, aber auch Langweiliges. Es gehört dazu, dass die Ausstellungsräume viel zu voll sind und dass man am Ende eines Nachmittags nur noch flaniert und eigentlich nichts mehr sehen möchte. Hier einige Impressionen zur Documenta:

1. Faul sein gilt nicht. Im Documenta-Prospekt heisst es, dass die Besucherin die Werke „ästhetisch zueinander in Beziehung“ setzen soll. Deshalb gibt es (fast) keine Informationen zu Werken und KünstlerInnen. Auf den Objekttafeln steht der Name des oder der KünstlerIn, ggf. das Jahr, sowie die verwendeten Materialien. Es kommt auch vor, dass das Werk weder einen Titel hat noch ein Datum und der Name auchz nicht weiterhilft. Einerseits ist das interessant, weil man nicht gleich in das Schubladendenken Mann-Frau- Zeit-Ort verfällt. Wenn man sich darauf einlässt, dann sieht man schon die Zusammenhänge, wie Materialien oder Themen; die Besucherin ist in „das Gespräch“ miteinbezogen, wie es die Documenta-Leitung vorsieht. Andererseits gelingt es nicht immer, sich darauf einzulassen. Katalog oder Audio-Guide wären eine Alternative gewesen. Ich hätte mir aber zuweilen mehr Information gewünscht, ohne dass ich mit einem zwei-Kilo-Katalog oder einem Knopf im Ohr hätte rumlaufen müssen. Manchmal waren Blätter mit Informationen neben einzelnen Kunstwerken geheftet – Konzept oder nachträglich hingehängt?

2. Als Alternative gab es zum ersten Mal einen Audio-Guide. So hilfreich das sein kann: ich ziehe es aber vor, mich mit meiner Begleitung auszutauschen oder mit anderen BesucherInnen ein Gespräch zu beginnen. Viele andere BesucherInnen wählten den Audio-Guide. Leider hatte das zur Folge, dass viele stumm, andächtig und sprachlos vor den Kunstwerken standen oder damit beschäftigt waren, mit der Technik ihres Mp3-Players klarzukommen.

3. Schön fand ich die Grafik des Leitsystems der Documenta, also etwa die Pfeile und die Schrift. Verantwortlich dafür ist die Gruppe? Vier5, die ihren Sitz in Paris hat. Interessanterweise hat dasselbe Büro auch das Logo für das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt entwickelt (die übereinanderlappenden Buchstaben) – das mir ja gar nicht zusagt.

4. Die Einbindung des Schlosses Wilhelmeshöhe. Das gab es noch nie zuvor, dass eine Documenta hier den Dialog suchte – und leider nicht gefunden hat. Die eine Leitfrage, die Leiter Buergel aufstellte, „Ist die Moderne unsere Antike?“ hätte eigentlich hervorragend in die Präsentation der Antike im Schloss gepasst. Etwa die Themen Körper und Bewegung, mit denen sich unten in der Stadt viele Künstlerinnen beschäftigten. In der Antikensammlung ist aber leider nichts von der Documenta zu finden. Statt dessen läuft man eher verloren durch die ohne Zweifel schöne Gemäldesammlung, auf der Suche nach Documenta-Werken. Neben einigen geschlossenen Präsentationen innerhalb der Ausstellungssäle tritt die zeitgenössische Kunst nur sporadisch und etwas lieblos mit der alten Kunst in den Dialog; das Ganze wirkt wie: Hier haben wir noch etwas Platz, dann können wir doch noch eben mal den oder die soundso hinhängen. Schade! Immerhin habe ich nun endlich Schloss Wilhelmshöhe gesehen und bin gebührend beeindruckt: ein schönes, klassisches Museum, das auch einen Besuch außerhalb der Documenta-Zeit verdient. Das Reisfeld allerdings hätte man sich schenken können.

5. Gut gefallen hat mir das Publikum, dass zum Teil so ausgestattet war, als würde es sich mindestens auf eine 20-Kilometer-Wanderung begeben. Es war nicht das typische bürgerliche-Sonntagsnachmittag-Museumspublikum, sondern ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Gibt es eine Statistik dazu?

6. Auch ein Kunstwerk: Als wir am Spätnachmittag erschöpft im Aue-Pavillon auf den chinesischen Stühlen saßen, durch die verglaste Wand nach daußen blickten und auf eine Animation warteten, die uns ein sehr flüchtig gelesenes Schild versprach, tat sich lange Zeit erstmal nichts. Doch plötzlich, wie von Geisterhand gesteuert, plusterte sich ein draußen am Boden liegender Schlauch auf und einer Schlange gleich huschte sekundenschnell eine Welle an uns vorbei, dann sackte der Schlauch wieder zusammen. Für einen Moment waren wir verunsichert, war es das? Ging es hier nicht um Bewegung, Körperlichkeit und Vergänglichkeit? Um die Animation eines Stückes Alltags? Das war dann doch zu naiv gedacht: Das Schild richtig gelesen, kündigte es eine Flash-Animation in der Dunkelheit an. Irgendwie waren wir darüber enttäuscht.

Des Hausmeisters Sammlung

Geschrieben von am 19. Juli 2007 14:57

Voll war es letzte Woche, als im Frankfurter Portikus die Ausstellung „It takes something to make something. Die Sammlung Rausch“ eröffnet wurde. Das Sammlungskonzept ist genial, wenn man wenig Geld hat, aber Kunst liebt: Man werde Hausmeister in einer Kunsthochschule und lässt sich von den Studierenden und Professoren mit Kunstwerken beschenken. Die Sammlung des Hausmeisterpaares Rausch von der Städelschule ist nun im kleinen, aber feinen Portikus-Gebäude auf der Main-Insel zu sehen. Dazu ist ein Katalog erschienen. Der Blick von der Empore in den Ausstellungsraum offenbart: Bei solch einer Fülle von Werken kann nur die Petersburger Hängung in Frage kommen.


Zum Nachlesen: Die Sammlung Rausch auf FAZ-Online.

Cocktails im Wasser

Geschrieben von am 18. Juni 2007 11:30

Wenn man sich erst mal überwunden hat, den hellen Sommertag zu verlassen und sich ins Dunkle des Ausstellungsgebäudes auf der Mathildenhöhe zu begeben, dann vergisst man sofort, dass draußen die Sonne scheint. Gleich die erste Installation des kanadischen Künstlerpaares Janet Cardiff & George Bures Miller zieht einen in den Bann: „The Killing Machine“, die auch der Ausstellung den Titel gab (+ andere Geschichten 1995-2007) ist abstoßend-faszinierend. Abstoßend, da in der Installation ein Zahnarztstuhl an prominenter Stelle steht und sofort Assoziationen auslöst; faszinierend, weil sich filigrane, an Schreibtischlampen- Gestelle erinnernde Roboterarme tänzerisch um den Stuhl bewegen, dann aber mit spitzen Metallteilen zuzuhacken scheinen. Für die Ausstellung muss man Zeit mitbringen, und den Willen, sich mit unterschiedlichen Formen der Wahrnehmung auseinanderzusetzen. Die Werke sind sehr abwechslungsreich, so erwartet einen in „The Dark Poole“ ein dunkler Raum, in dem anscheinend bis vor kurzem noch jemand hauste, der sein Bett, seine Bücher, Geschirr und allesmögliche andere Sammelsurium dagelassen hat. Licht, Töne und Stimmen, die man selbst durch einen Bewegungsmelder auslöst, verleihen den Dingen plötzlich ein Eigenleben. Eine weihevolle Stimmung empfängt dann einen im Saal des „40 Stimmen Motetts“, in dem eine englische Motette aus dem 16. Jahrhundert als Audioinstallation zu hören und irgendwie zu fühlen ist: Jede Stimme des Chores wird durch einen eigenen Lautsprecher verstärkt, so dass man das Gefühl hat, Teil des Chores zu sein. Den Abschluss der Ausstellung bildet ein Spaziergang im Wasserreservoir unterhalb des Ausstellungsgebäudes. In Gummistiefeln stapft man durch das stockfinstere Gewölbe, und angezogen durch Musik und Licht in der hintersten Ecke, stößt man auf eine Art Cocktail-Bar. Leider ist der Alkohol für die Cocktails alle, und so macht man sich dann doch wieder auf in den hellen Tag.

Die Ausstellung ist noch bis zum 26. August auf der Mathildenhöhe in Darmstadt zu sehen.
Ein Interview mit Cardiff/Miller auf hr-online.

Künstlern über die Schulter sehen

Geschrieben von am 14. Juni 2007 09:52

Tate Shots heißt die Reihe auf der Internetseite von Tate Online, in der jeden Monat eine Auswahl von mehreren Kurzfilmen gezeigt werden. Der Schwerpunkt liegt auf moderne und zeitgenössische Kunst; Ziel ist es wohl, auf laufende Ausstellungen neugierig zu machen. Das klappt auch. So präsentiert eine Kuratorin die derzeit laufende Fotoausstellung in Tate Modern „How we are“. Oder man schaut sich im Archiv den Film „Meet the Artists“ an, in dem wir Thomas Hirschhorn sehen, der mit einem entzückenden Schweizer Akzent auf Englisch davon erzählt, wie es ist, ein Künstler zu sein.

Kunst suchen

Geschrieben von am 11. Juni 2007 14:54

Sehenswert: die Skulpturen im Kurpark von Bad Homburg v.d.H., die sechste Ausstellung in der Reihe Blickachsen. Manchmal hängen sie im Baum, verstecken sich im Gras oder sind so gut integriert, dass sie gar nicht auffallen, wenn nicht ein kleines Täfelchen davorstände. Leider stehen auf den Tafeln nur ganz wenig Informationen (allerdings ist eine Telefonnummer angegeben – ob man da mehr erführe?), so dass es sich empfiehlt, den sehr nützlichen und schön gemachten Mini-Katalog (als Pdf) herunterzuladen. Auch einen Plan empfiehlt sich auf der Wanderung in dem von Herrn Lenné anglegten Park mitzunehmen, ist er doch viel größer als erwartet. Schön ist er, mit oder ohne Skulpturen, die bis Mitte Oktober stehen, allemal.

Frankfurts Kunstszene boomt

Geschrieben von am 3. Juni 2007 12:08

Innerhalb von nur drei Wochen haben drei kreative Menschen eine Ausstellung auf die Beine gestellt, die sich sehen lassen kann. Helberger 23 nennt sich das Projekt: Helberger ist ein ehemaliges Möbelkaufhaus in der Innenstadt von Frankfurt, das vor einiger Zeit geschlossen hat. Da, wo einst Schlafzimmer und Sofas aufgebaut waren, wird nun Kunst von 23 KünstlerInnen gezeigt. Fotografie, Video, Malerei, Zeichnung, Wandmalerei, Skulptur und Installationen fügen sich wunderbar in das nischenartig strukturierte Geschoß ein. Es ist eine Fläche, der man es anmerkt, dass einmal hier Dinge in Szene gesetzt wurden. Die Ausstellung profitiert vom edlen Ambiente mit hellgrauem Teppichboden, blitzeweißen Wänden und gezielter Beleuchtung. Von den 23 KünstlerInnen stechen insbesondere drei hervor: Die grellen, orange-grünen Bilder von Stefan Bressel, die man aber lieber nicht in seinem Wohnzimmer hängen haben möchte, da ein Augenflimmern vorprogrammiert ist; die Bild-Ton-Installation der Hamburger Künstlerin Ina Hattebier, die verschiedene Motive aus dem Alltag, die doch etwas gemeinsam haben, an die Wand projiziert; und die Bilder von Michael Wagener, der Collagen aus Landkarten auf verblüffende Weise collagiert und der zugleich einer der drei Kuratoren der Ausstellung ist. Es ist eine Ausstellung, die Spass macht, und die ein schönes Spektrum zeitgenössischen Kunstschaffens bietet. Bis zum Ende des Jahres – so lange steht der Raum zur Verfügung – sind Einzelausstellungen der 23 KünstlerInnen geplant.

helberger 23 – Große Friedberger Straße 23 HH – 60313 Frankfurt am Main
1. Juni – 1. Juli 2007, Do 18 – 21 und So 15 – 18 Uhr
Kontakt: info(at)helberger23ausstellungsraum
www.helberger23ausstellungsraum.de

Lust auf Kunst

Geschrieben von am 8. Mai 2007 18:43

Hervorragende Ausstellungen, die Lust machen, sich mit zeitgenössischen Kunstformen auseinanderzusetzen, bietet das CaixaForum in Barcelona. In der Nähe des Weltausstellungsgeländes von 1929, der heutigen Messe, befindet sich das Forum in einem Fabrikbau aus der Jahrhundertwende. Man kann sich die ständige Sammlung ansehen (u.a. Joseph Beuys, Thomas Hirschhorn und Sophie Calle) oder sehr schöne Ausstellungen. Bis 14. Mai ist etwa noch die Ausstellung über die Modekünstlerin Agatha Ruiz de la Prada zu sehen (Fotos). Sehr schön gehängt ist die großartige Retrospektive des großen amerikanischen Fotografens Lee Friedländer. In jeder Ausstellung gibt es ein „Familienlabor“, in dem nicht nur die Kinder abgestellt, sondern sich alle mit dem Thema auf eine andere Art und Weise beschäftigen können. Gefallen haben mir hier auch die vielen Kindergruppen, die sich mit sichtbarer Begeisterung mit den Werken beschäftigten. Der Eintritt ist frei; das Forum ist eine Stiftung der großen katalanischen Sparkasse LaCaixa, die sich neben den Geldgeschäften sozial und kulturell engagiert. Anders als auf der Internetseite sind im Forum selbst alle Informationen auch auf Englisch vorhanden.

Wer den Ton angibt in der zeitgenössischen Kunst

Geschrieben von am 3. November 2006 12:17

Man kennt sie ja, die Listen, die vorzugsweise Boulevardblätter erstellen: die 100 erotischsten Frauen oder Männer, die schlechtangezogensten usw. usw.
Interessant ist, dass die Kunstzeitschrift „Art Review“ eine Liste herausgibt mit den 100 mächtigsten Personen im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Auf Platz 1 steht ein Franzose: François Pinault, Kaufhausbesitzer und Kunstliebhaber, der im April seine immense Sammlung von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts in Venedig im Palazzo Grassi präsentierte.
Interessant ist auch der letzte Platz auf der Liste: ihn nimmt keine Person ein , sondern die Bildersuchmaschine von Google. Sie dient den mächtigen und noch nicht so mächtigen Menschen im Museums- und Ausstellungsbereich als das Recherchemittel, um die Kunst überhaupt lokalisieren zu können.
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