Eine Art Gemischtwarenladen

Geschrieben von am 30. Oktober 2007 20:14

Bei meinem ersten Besuch hatte ich u.a. bemängelt, dass den BesucherInnen zuwenig Informationen geliefert werden und die Besucherführung quasi nicht existent ist. Nun hat das Musée du quai Branly nachgerüstet und in der Dauerausstellung Orientierungstische aufgestellt. Sie sind mit Texten und Karten versehen, auf denen, zum Teil mit Fotos, die geographische Herkunft der Objekte vermerkt ist. Ebenso ist hier nun ein Ausstellungsplan zu finden, so dass man jetzt wenigstens weiß, wo man sich in der Ausstellung befindet.
Auch dieses Mal war ich wieder verblüfft, wie sehr die als Innvovation verkaufte Präsentationsform der Dauerausstellung an die des vor zwei Jahren geschlossenen Musée national des Arts et Traditions populaires erinnert. Der Museologe Georges Henri Rivière hatte in den 1960/70er Jahren hier die populäre französische Kultur eloquent und kunstvoll in Szene gesetzt. Allerdings mit einem Unterschied: in den von ihm inszenierten Vitrinen spielten sich Geschichten ab, werden ganze Zusammenhänge aufgezeigt, während die im Musée du Quai Branly gestalteten Vitrinen auf mich eher dekorativ wirken.
Ansonsten war im Musée du Quai Branly der Pokal der Rugby-Weltmeisterschaft zu sehen, eine Fotografie der neuseeländischen Rugby-Mannschaft kontrastiert mit einer (Auftrags-) Fotografie, die die Mannschaft nochmals anders interpretiert, eine Ausstellung mit dem Titel Diaspora mit Video-Installationen und eine Ausstellung über Fünf Jahrhunderte höfische Kunst in Benin. Damit will das Museum offensichtlich gleich drei Terrains abstecken:
1. Aktualität: Frankreich war erstmals Austragungsort einer Rugby-Weltmeisterschaft und das diente dem Museum als Anlass, über das Gedränge von Kulturen* nachzudenken. Frankreich war in dieser Zeit im Rugby-Fieber, es waren sehr viel ausländische Fans in der Stadt. (Rugby-Fans sind zudem, was man hierzulande vielleicht nicht weiß, zahlungskräftige Gäste, die in Mehr-Sterne-Hotels absteigen und wahrscheinlich tagsüber sogar in Museen gehen.) Aktueller geht es also nicht!
2. Zeitgenössische Kunst: Die Ausstellung Diaspora wurde von der Filmemacherin Claire Denis kuratiert. Die ließ von KünstlerInnen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Afrika leben, Auftragsarbeiten – Video, Ton und Licht-Installationen – anfertigen, die sich mit Afrika als Inspirationsquelle beschäftigen. Zudem soll auf einschlägigen Plattformen wie Youtube und flickr ein „digitaler Katalog“ enstehen (viel scheint da aber nicht zu passieren). Damit positioniert sich das Museum im Bereich zeitgenössische Kunst;
3. Tradition: Die Ausstellung über die höfische Kunst aus Benin schließlich ist vom Wiener Museum für Völkerkunde übernommen und repräsentiert eine klasssische völkerkundliche Ausstellung mit einem wissenschaftlichen Katalog. Damit kann sich das Museum seine Bedeutung für die Welt der ethnologischen Museen unter Beweis stellen. .
Jetzt liegt es an den BesucherInnen, das alles zusammenzubringen – wobei eines klar ist: das Musée du quai Branly ist trotz aller Kritik eine Adresse, um die man nicht herumkommt.

Über das Musée du quai Branly hier, hier, hier und hier im Museumsblog.

*Auch das Außenministerium hatte gemeinsam mit anderen Institutionen, während der Weltmeisterschaft eine Aktion gestartet, bei der man „Französisch im Gedränge“ lernen sollte.

Das Centre Pompidou wird mobil

Geschrieben von am 24. Oktober 2007 20:02

Das Centre Pompidou in Paris streckt die Fühler aus: 30 Jahre sind Konzept und Gebäude alt; viele halten es schon selbst für museumsreif. Dagegen wird nun eine Offensive gestartet: 2009 wird die Antenne in Metz eröffnet. 2010 soll mit dem Centre Pompidou-Alma eine Dependance in Paris selbst entstehen, und zwar im Untergeschoss des Palais de Tokyo, dem Museum für zeitgenössische Kunst. Hier sollen vor allem jüngere, französische KünstlerInnen ausstellen. Das ist noch nicht alles: Das Centre Pompidou wird mobil und will Kunst in die Regionen und zu Menschen bringen, die eigentlich für Kunst nicht so empfänglich sind. Das alles erzählte Alain Seban, der Präsident des Centre, heute in Le Monde. Und ich empfehle, bis 11. Februar 2008 die Alberto-Giacometti-Ausstellung im Centre anzuschauen. Ein Hochgenuß, da nicht nur viele Skulpturen, sondern Teile seines Ateliers, Gemälde, Fotos und Zeichnungen klug präsentiert werden.

Dürer, klassisch. Im Städel. Hingehen.

Geschrieben von am 22. Oktober 2007 11:20

Ja, das kann man schon fast klassisch nennen (obwohl es doch die Renaissance betrifft), was man im Frankfurter Städel erleben (und das heißt in diesem Fall: sehen und hören) darf. Die Ausstellung „Dürer. Das druckgraphische Werk“ kommt nämlich genau so sachlich und ruhig daher wie der Ausstellungstitel: kein reisserischer Aufmacher (etwa: „Dürer — Zeichner des Todes“ oder „Dürer — Meister seiner Epoche“ o.ä.), keine Ausstellungsarchitektur, die sich wichtiger nimmt als die Werke, keine extravagante Präsentation, die das Studium der Werke und die Kontemplation vor ihnen stören könnte.
Stattdessen: eine in ein vornehmes, dunkles Grün getauchte Ausstellungsarchitektur ohne Extravaganzen, sparsam gesetzte Lichter (natürlich auch angesichts der empfindlichen Arbeiten auf Papier), zurückhaltende Titel für die Sektionen („Anfänge“), kurze, Hintergründe beleuchtende Texte zu den einzelnen Blättern, knappe Angaben zum Herstellungs- und Druckdatum, gut beleuchtete Vitrinen oder Rahmen.
Vielleicht ist es schon diese vornehme Zurückhaltung, die dafür sorgt, dass sich keine event-versessenen Kulturdeppen in die Ausstellung verirren? Jedenfalls waren am Samstagnachmittag ab 16 Uhr nur wenige Besucher und Besucherinnen zu sehen. Man hatte genügend Zeit und Platz und Ruhe, um sich mit den einzelnen Blättern der Drucke zu beschäftigen. Und kam doch einmal ein anderer Besucher des Weges (in der Stille des Raumes wirkte die Besucherschaft fast wie ein verschworener und verschwiegener Geheimbund, der sich auf ein geheimes Signal hin an diesem Ort zu einem mysteriösen Gottesdienst getroffen hatte…), so ging man sich aus dem Weg, machte Platz und kehrte dann wieder zu dem Blatt zurück.
Und das zur Auflösung der Einleitung: man ‚hört‘ diese Ausstellung eben auch, denn man hört — nichts. Kirchenatmosphäre, ab und zu ein Rascheln, ein Besucher, der wie Darth Vader atmet und die abgebildeten Thematiken von Vorhölle und Hölle noch einmal auf ganz andere Art erfahrbar macht, ab und zu Hinweise des Aufsichtspersonals an vorwitzige Besucher, die dachten, in eine Ausstellung mit Dürer-Originalen wie ein Café gehen zu können.
Die ausgestellten Werke an sich sind natürlich großartig, Herr Dürer brachte die Technik des Kupferstichs und anverwandter (für dieses Wort werden mich die Kenner pfählen wollen…)Techniken wie die Ätzradierung zu höchsten und völlig neuen Höhen. So ist es oft schier unglaublich, wie fein die Striche (oder sagt man hier: Stiche?) gesetzt sind, um mit dem letztlich nicht abtönbaren Stich doch feinste Nuancen und Schattierungen zu erzielen.
Ständig habe ich mich gefragt, warum er oft so kleine Formate genutzt hat, man meint ihn förmlich mit dem Vergrößerungsglas (ob es so etwas damals schon in nutzbarer Form gab?) über der Kupferplatte sitzen zu sehen, wenn man sich die Details der Arbeiten betrachtet.
Die als Folgen veröffentlichten Arbeiten hängen auch als Folgen in der Ausstellung (heutzutage muss man auf solche Selbstverständlichkeiten hinweisen), auf Auslassungen und die Abbildung der fehlenden Blätter im Katalog wird hingewiesen.
Muß man halt gesehen, die Qualität der Apokalypse-Drucke ist exorbitant und wirkt (sorry, Dürer) wie gerade aus einem exzellenten Kopierer geworfen: tiefschwarz, frisch, keine Flecken.
Doll, der „Reiter (Ritter, Tod und Teufel)“. Der christliche Ritter auf seinem Weg (ins Morgenland?), unbeirrt von Teufeln, die auch auf anderen Bilder immer wieder um die Ecke lugen und sagen: alles vergänglich, alles in Gefahr, der Tot wartet, führe ein anständiges Leben.
Was gibt es noch zu sagen?
– „Die Heilige Familie mit Libelle“ heißt ein Druck. Aber beim besten Willen, wenn das da rechts unten eine Libelle ist, dann fresse ich, Stop, bis hierhin und nicht weiter. Aber für mich sieht es wie eine größere Florfliege aus.
– Eine Besucherin, jung, blond, von der Bauchnabelfrei-Fraktion, ging mit dem Audio-Guide am Ohr gelangweilt von Audio-Nr. zu Audio-Nr., fand das Ganze aber offenbar nicht so ganz schlecht, denn in ihrer ganzen Haltung wirkte sie ständig so, als ob sie mit ihrem Handy telefonieren würde. Business as usual gewissermaßen.
– Die berühmte „Melancholie“ ist nicht Dürers beste Arbeit, liebe Kunstgeschichte.
– Störend fielen wie üblich die Nutzerinnen der Audio-Guides auf (tatsächlich waren es nur Frauen, es braucht eben schon einiges, bis Männer nach dem Weg fragen…), nicht nur durch die (weil akustisch getrübte) laute Kommunikation mit ihren Partnern, sondern auch durch das Gequäke, das aus den ähnlich wie Telefonhörern geformten Guides kam. Aber wie oben erwähnt, es herrscht eben auch eine sehr ruhige Atmosphäre, fast wie in einer Kirche.
-Liebes Städel, bei allem noch so ironisch verbrämten Kommerzmist, muss das wirklich sein, „das Taschentuch zur Ausstellung“? Das Taschenbuch zur Ausstellung würde ich ja noch tolerieren, aber das Taschentuch? Und dann noch mit dem wirklich hornochsen-dumm-blöden Hinweis darauf, dass sich das Taschentuch auf Dürers Melancholie-Grafik bezieht. Muss so etwas wirklich sein?

Vorher war die Ausstellung im Guggenheim Museum in Bilbao, ob sie dort jemand gesehen hat in dem spektakulären Bau?

Hingehen, angucken.

So hell wie auf den Pressefotos des Städels ist es natürlich in der Ausstellung niemals…

27. September 2007 bis 6. Januar 2008
Graphische Sammlung im Städel

Städel Museum

Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie
Dürerstr. 2
60596 Frankfurt am Main

Bezugspunkte schaffen im Museum

Geschrieben von am 18. Oktober 2007 10:47


Auf den ersten Blick kommt die Dauerausstellung „Repères“ in der Cité nationale de l’histoire de l’immigration leicht und locker daher: die Szenographie wirkt beschwingt, da sich die Gestaltungselemente abwechseln: bunte Vitrinen, Einbauten aus Pappe und Holz, große Leinwände, Monitore, beleuchtete Tische, all das trägt dazu bei, dass man neugierig auf das doch eigentlich schwerfällige Thema Immigration wird. Nach dem Prolog – hier erfährt man auf großen Karten allgemein etwas über die weltweiten Migrantenströme durch die Jahrhunderte, begibt man sich einige Stufen hinunter in den großen, luftigen Ausstellungsraum. Die Geschichte der Immigration in Frankreich wird ab Beginn des 19. Jahrhundert erzählt. Die drei großen Blöcke – Emigrieren, in Frankreich leben und Vielfältigkeiten (also welche Kulturen werden mitgebracht) – werden auf verschiedene Weise erzählt: Zum ersten durch die ganz persönlichen Geschichten einzelner Personen, repräsentiert mit persönlichen Stücken und Interviews, die man sich auf Monitoren anschauen kann. So geht es etwa um die Lebensgeschichte eines Radiomoderatoren aus dem Kongo und seinen Weg nach Paris. Zum zweiten mit einem Blick auf die Geschichte: die beleuchteten Tische thematisieren das große Ganze mit Texten und vielen Fotos. Beispielsweise ist ein Tisch der Herausbildung von Stereotypen des Fremden gewidmet. Zum dritten interpretieren Künstler ihre Sicht auf das Weggehen, Ankommen und Bleiben. So hat zum Beispiel ein Fotograf einen afrikanischen Immigranten auf seiner Irrfahrt durch Afrika bis nach Europa begleitet, ein anderer Künstler machte eine Installation aus Stockbetten und den typischen karierten Plastiktaschen. Diese Kombination von Objekten, Dokumentation und Kunst macht die Stärke der Ausstellung aus, und liefert Anhaltspunkte – so die ungefähre Übersetzung des Ausstellungstitels. Was auch gut gefällt, dass die Ausstellung Stellung bezieht und nicht in einem Bemühen der political correctness versandet.
Ein kleines B-moll (wie man es in Frankreich sagen würde) die Texte sind nur auf französisch.
Über die Cité hier, hier und hier im Museumsblog.

Verlassenes Museum

Geschrieben von am 16. Oktober 2007 11:55

Es ist ja nicht so, dass es das Musée de l’Homme im Palais de Chaillot in Paris nicht mehr gibt. Doch seit fast die gesamte Sammlung (einschließlich der Bibliothek) ins Musée du Quai Branly gebracht wurde und dort laut wikipedia nur zu einem verschwindenden Bruchteil ausgestellt ist, galt es, sich neu zu orientieren. Darüber hat der Museumsblog schon einmal berichtet.
Nun habe ich die Ausstellung L’Homme exposé besucht. Die Idee, in der Ausstellung die Saga des Menschen und die „Wiedererfindung“ des Museums zugleich zu thematisieren, spiegelt sich auf der museographischen Ebene wider: der Besucher bewegt sich zwischen großen Transportkisten. Sie sind zum Teil geöffnet und geben Blicke auf die Museumsschätze frei, eine andere Inszenierungsform sind große Regale, wie man sie in Depots findet. Der narrative Faden der Ausstellung ist interessant: es geht über die unterschiedlichen Blicke auf den Menschen und darum, wie der Mensch zu unterschiedlichen Zeiten repräsentiert wurde, welche Vorstellungen er sich von dem anderen machte. Es sind sehr interessante Objekte zu sehen – von Schädeln über Gipsabdrücke zu Mumien. Leider ist die Beleuchtung katastrophal, die Texte viel zu lang und die Schrift zu klein. Und irgendwie machte das Museum auch nicht den Eindruck einer Baustelle auf mich. Es wirkte eher verlassen. Vielleicht bringt die neue Ausstellung Femmes du Monde mehr Leben ins Museum.

Kein Hof für die Immigration

Geschrieben von am 12. Oktober 2007 10:08

Skandal um die Cité nationale de l’Histoire de l’Immigration – zur Eröffnung am 10. Oktober fand kein offizieller Festakt statt. Staatspräsident Sarkozy hatte keine Zeit, ebensowenig der Minister für „Immigration und nationale Identität“; die Kulturministerin schaute abends mal kurz vorbei, so war in Le Monde nachzulesen. Einst ein Projekt der Linken, hat das Projekt eines Immigrationsmuseum nun nach knapp 30 Jahren einen Ort gefunden; Chirac – er hätte wohl gerne eingeweiht – spielte dabei eine entscheidende Rolle. Aber die Wellen schlagen gerade hoch, was Immigration in Frankreich betrifft, da ein neues, restriktives Einwanderungsgesetz durchgepeitscht werden soll. Schom im Juni gab es einen Eklat, als acht HistorikerInnen aus dem wissenschaftlichen Beirat der Cité zurücktraten. Nicht, weil sie das Museumsprojekt nicht weiter unterstützen wollten, sondern weil sie gegen das Sarkozy eingerichteten Ministerium für „Immigration und nationale Identität“ protestieren wollten.
Aber wir können hingehen: Bis zum Sonntag ist der Eintritt frei und es viele Aktionen sind geplant. Zu sehen gibt es neben dem Gebäude die Ausstellung „Repères„. Am Samstag verlagert Radio France das Studio in die Cité.
Die FAZ berichtet in der Printausgabe heute ausführlich darüber.

Cité nationale de l’histoire de l’immigration
293, avenue Daumesnil, 75012 Paris (Métro Porte Dorée)
Dienstag- Freitag von 10-17.30 Uhr geöffnet, Sa und So 10-19 Uhr.

Museumsecken

Geschrieben von am 3. Oktober 2007 16:18


Gesehen im Mémorial in Caen.

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