Wenn die Dinge tanzen

Geschrieben von am 31. Juli 2008 15:11

Mit bunt arrangierten Dingen, die sich (nicht maßstabsgetreu) auf dem Umschlag tummeln, lockt das Buch schon von außen, es doch so schnell wie möglich aufzuschlagen. Innen geht es vielversprechend weiter. Das einfallsreiche Layout bewirkt, dass man gerne blättert und sich dann festliest.
Der Titel „Kampf der Dinge“ bezieht sich auf die gleichnamige neue Präsentation der Dauerausstellung, die letztes Jahr im Museum der Dinge in Berlin eröffnet wurde. In dem Begleitheft thematisiert sich das Museum bzw. das Werkbundarchiv in kürzeren Beiträgen sich selbst, seine Sammlungen, seine von ihm geprägten Begriffe und reflektiert historische wie aktuelle Einflüsse. Gleichzeitig sollen Fragen formuliert werden, mit denen Museum sich künftig beschöftigen möchte. Manufactum, Ikea oder der Kunsthistoriker Gustav E. Pazaurek sind gleichberechtigte Themen.

Werkbundarchiv – Museum der Dinge: Kampf der Dinge. Der Deutsche Werkbund zwischen Anspruch und Alltag. Leipzig 2008. Das Buch ist im Koehler & Amelang Verlag erschienen und kostet 16,90.

Das Museum am südwestlichsten Zipfel Europas

Geschrieben von am 30. Juli 2008 17:01

Was macht man mit einem verlassenen Dorf? Natürlich ein Museum. So geschehen in Guinea, das auf der kleinsten Kanareninsel El Hierro liegt. Das Ecomuseo Guinea möchte Architektur und Wohnformen vermitteln. Die Siedlung geht auf die Zeit der ersten europäischen Eroberer zurück, die ab dem 15. Jahrhundert auf der Insel kamen. An dem Ort hatten bereits die Ureinwohner gesiedelt, die wohl die langen Lavastollen für sich und ihre Tiere nutzten. Über sie weiß man nur wenig; die Thematik der Eroberung scheint heute kein Thema mehr zu sein. Während der Führung – nur so kann man Guinea besichtigen – sind vier Häuser von innen zu sehen; sie sollen den Alltag des 17. bis 20. Jahrhunderts illustrieren. Arbeitsgeräte, einfaches Essgeschirr und Betten mit Strohmatratzen füllen die kleinen Räume aus.Die Führerin bemüht sich, etwas vom alltäglichen Leben zu erzählen; die Überlieferung wird aber nicht offengelegt. Die Einrichtungen der Häuser ähneln sich, Zeit und Raum verschwimmen, die Gegenstände erscheinen freilich, je näher wir an die Gegenwart rücken, etwas moderner. Während im letzten Haus etwa Porzellangeschirr zu sehen ist, finden sich in den anderen Schüsseln aus Holz. Kurios ist die gewebte Tragevorrichtung für Frauen mit einem Durchschlupf für den Kopf. Die Einrichtungsgegenstände hinterlassen einen schwammigen Eindruck; die chronologische Einteilung lässt sich nicht überprüfen, noch lassen sich soziale oder ökologische Kriterien nachvollziehen. Hier erinnert das Ecomuseo an auch bei uns gängige Praktiken in deutschen Freilichtmuseen, die „gute alte Zeit“ zu beschwören. Diese pittoreske Tendenz wird noch mit dekorativ auf den Mauern liegenden Kürbissen, Blumentöpfen und (leeren) Vogelkäfigen verstärkt.

Die Besucherin nimmt dennoch wahr, dass das Leben hier zu keiner Zeit leicht gewesen sein konnte. Durch die Zeit hinweg wurde sehr einfach und beengt gelebt; die Häuser aus Lavasteinen haben nur einen Raum, kleine Fenster- und Türöffnungen und ein aus Roggenstroh gedecktes Giebeldach. Mauern aus Lavasteinen markierten die Hausgrenzen, dienten aber auch dazu, Wind geschützt Gemüse anbauen zu können sowie die eigenen Tiere einzusperren. Genügend Wasser zu haben, war das größte Problem: wie das dritte Foto zeigt, konstruierte man große, weißgekalkte Flächen, um möglichst viel Regenwasser aufsammeln zu können. Da die Nahrung knapp war, wurde geteilt: nicht mit den Nachbarn, sondern mit den Tieren. Besondere Aufmerksamkeit erzielte die Führerin mit dem Hinweis auf die kleine Stall-Toilette – mit dieser baulichen Konstruktion wurde das Schwein gefüttert.

Ich hätte mir fundiertere Informationen und mehr Geschichte gewünscht, sei es zu den ersten Besiedlern und zur spanischen Eroberung, zum Klima, zu den Abholzungen der Wälder, zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, zum Geschlechterverhältnis und zu Kultur, eben etwas, was den Grundgedanken des Ecomusée charakterisiert.

Doch die meisten BesucherInnen kommen aber nicht wegen der Häuser, sondern wegen der Rieseneidechse, die es einmal auf EL Hierro gab und deren Unterart hier nachgezüchtet wird, um sie wieder auszusiedeln. So findet der erste Teil der Führung in der Zuchtsation der Eidechsen statt. Sowieso ist es relativ sicher, dass jede InselbesucherIn auch das Museum bzw. die Zuchtstation besucht – es ist, neben dem ethnographischem Zentrum, das einzige auf der Insel. Und es ist das südwestlichste Museum Europas, kurz vor dem Ende der Welt – denn hier verlief einmal der Nullmeridian. Insofern hat es sich natürlich voll gelohnt.

Ecomuseo de Guinea, Carretera Gral. de Las Puntas s/n Frontera, El Hierro (Spanien)

Geld für den Menschen

Geschrieben von am 23. Juli 2008 15:48

Im Musée de l’Homme in Paris freut man sich dieser Tage bestimmt ganz ordentlich, denn die französische Regierung hat 50 Millionen Euro für die Renovierung des Museums bereitgestellt. Damit soll, wie es in Le Monde heisst, das Gebäude saniert und die Dauer- und Wechselausstellungsräume von rund 3500 qm eine neue Inhalte und eine neue Museographie erhalten. Das war, nachdem große Teile der Sammlung in das Musée du quai Branly überführt worden waren, so eigentlich gar nicht zu erwarten gewesen.
Der Leiter des Projektes, Jean-Pierre Mohen, erzählte der Zeitung auch, was genau geplant ist:

„Das Ziel ist es, der Öffentlichkeit die große Saga des Menschen seit ihren Ursprüngen bis in unsere Zeit zu präsentieren, indem alle Aspekte behandelt werden, die dem Menschen eigen sind: seine Evolution, seine Biologie, seine verschiedenen Gesellschaftsformen, seine Eingriffe in die Umwelt und seine aktuelle Situation.“

Damit würde das Museum einen völlig neuen Akzent setzen. 2012 soll alles komplett fertig sein.
Der erste Teil der Saga ist ja bereits im Museum zu sehen.
Der Museumsblog hat hier und hier bereits darüber berichtet.
Im Musée de l’Homme ist übrigens gerade eine Ausstellung über die Ethnologin, Widerstandskämpferin und KZ-Überlebende Germaine Tillion zu sehen, die im April dieses Jahres verstarb und die lange Jahre für das Musée de l’Homme gearbeitet hat.

Sitzmöbel VII

Geschrieben von am 22. Juli 2008 09:29

Hier lässt es sich in der Cité national de l’histoire de l’immigration in Paris angenehm sitzen: Im ehemaligen Rezeptionssaal während der Kolonialausstellung 1931 und dem heutigen Forum.

Sitzen im Museum VI

Geschrieben von am 22. Juli 2008 09:23


So unprätentiös kann man in der Cité nationale de l’histoire de l’immigration in Paris sitzen.
In der Realität sieht man die Bank allerdings doch etwas besser als die Kamera.

Zum Aha- und Wiedererkennungseffekt

Geschrieben von am 21. Juli 2008 09:19

Dass die Kunsthistorikerin Sabine Haag Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums Wien* wird, hat der Museumsblog bereits begrüßt. Und hier ist ein Interview mit Frau Haag in der Frankfurter Rundschau. Haag hat vor, vor allem der „Qualität und Substanz der Sammlungen des Kunsthistorischen Museums“ zu vertrauen und nicht so sehr auf Blockbuster-Ausstellungen von außen zu setzen. Sie möchte die wissenschaftliche Qualität fördern und jüngere KuratorInnen zum Zuge kommen lassen. Ihr Rezept für eine erfolgreiche Ausstellung:

„Für einen erfolgreichen Museumsbesuch braucht es von allem ein bisschen: den Aha-Effekt und den Wiedererkennungswert, der Sicherheit gibt. Wenn es gelingt, diese Mischung zu generieren, dann hat man eine fantastische Ausstellung.“

Aufschlussreich war neben den inhaltlichen Vorstellungen auch die Antwort auf folgende Frage der FR:

„Zu Ihrer Bestellung hat die Hälfte der befragten Museumsdirektoren gesagt: „Tut mir leid, ich kann dazu nichts sagen. Ich kenne Sabine Haag nicht.“

Frau Haag meinte dazu:

„Ich nehme das zur Kenntnis. Da geht es offensichtlich um Hierarchien. Viele der Museumsdirektoren, die sagen, sie kennen mich nicht, waren sehr wohl bei meinen Ausstellungseröffnungen. Es zeigt mir einfach, in welchen Bahnen da gedacht wird.“

*Das KHM Wien umfasst u.a. die Gemäldegalerie, die Antikensammlung, die Wagenburg und das Monturdepot, das Museum für Völkerkunde, das Münzkabinett und die Kunstkammer.

Natur und Kultur verbinden

Geschrieben von am 19. Juli 2008 13:36

In der Standortdebatte für das Musem der Weltkulturen in Frankfurt steht eine weitere Alternative zur Diskussion: der Campus Bockenheim. Da die Universität in absehbarer Zeit in das Campus Westend zieht, werden Gelände frei. So auch eines direkt neben dem Senckenberg-Museum. Sehr gut können sich das der Universitätspräsident Steinberg, der den Vorschlag vorbrachte und der Stadtplaner Jourdan, der die Verknüpfung von Natur und Kultur letztes Jahr anregte, vorstellen. Der Frankfurter Magistrat als politischer Entscheidungsträger ist freilich schon im Sommerurlaub.
Hier steht etwas dazu in Faz-net.

Auch das gehört zu einem perfekten Museumsbesuch

Geschrieben von am 18. Juli 2008 10:22

Es geht um ein heikles, aber wichtiges Thema: auch die sanitären Anlagen eines Museums sollten einem gewissen Niveau doch folgen. Neulich in Paris wollte ich vor dem Besuch der Ausstellungen zunächst einem dringenden Bedürfnis nachkommen. Also gehe ich ins Foyer und folge den Schildern. Hierzu muss die Treppen am Musik-Zylinder nehmen – die KennerInnen wissen nun natürlich, dass ich mich im Musée du quai Branly befinde. Ich gehe zwei Etagen die Treppe hinunter und komme auf einen schmalen, dunklen Gang. Hier erkenne ich die richtige Richtung an den Schlangen: vor beiden Toiletten steht jeweils eine halbe Schulklasse, hinzu kommen die anderen BesucherInnen. Ich schaue nach, wieviel Toiletten eigentlich da sind, um die Wartezeit einschätzen zu können. Vier Toiletten habe ich gezählt! Vier Damentoiletten in einem Museum, das Millionen gekostet hat! Vier! Müssen Stararchitekten nie aufs Klo? Da ich unten keine weiteren Hinweisschilder auf Toiletten gesehen hatte, begebe ich mich in die Ausstellung, in der Hoffnung, dort etwas zu finden. Der Weg ist auch ausgeschildert – doch mein Ziel wegen Sanierungsmaßnahmen geschlossen. Und die nächste Toilette befindet sich einen Stock höher, für die Treppe muss man wieder ein ganzes Stück zurückgehen… Es ist aber nochmals alles gut gegangen. Aber der Museumsbesuch erhält dadurch keinen optimalen Auftakt.

Ein anderer Verwandtenbesuch

Geschrieben von am 17. Juli 2008 09:34

Dieser Tage groß in der Presse: Zwei Männer aus Niedersachsen können im Museum ihre Verwandten besuchen, die vor über 3000 Jahren gelebt haben. DNA-Analysen haben die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt. Im Höhlenerlebniszentrum befindet sich das Museum, in dem nun gezeigt wird, wie Menschen in dieser Zeit – der Bronzezeit – gelebt haben. Doch es geht nicht nur um Vorfahren und Stammbäume: im zweiten Teil des Museums geht es um Geologie. Hierzu wurde ein Gang in den Fels gesprengt, in dem man die Steinformationen erklärt bekommt. Und schließlich kann man die Iberger Tropfsteinhöhle besichtigen. Klingt nach einem interessanten Ausflug!
Über das Museum hier in Welt online, hier die dpa-Meldung in der Süddeutschen, hier ein Interview in der Faz und hier gibt es was zu hören.

Aus dem Leben eines Museumswärters

Geschrieben von am 16. Juli 2008 12:54


Museumswärter zu sein, ist anstrengend. Das weiss auch der Vater des Protagonisten von „Mein Herz so weiss“ von Javier Marias, Ranz, der im Prado arbeitet. Ranz hatte beobachtet, dass man die Aufpasser „fantastisch bezahlen und bei bester Laune halten müsse, denn von ihnen hänge nicht nur die Sicherheit und Bewachung, sondern schlicht die Existenz der Gemälde ab.“ Ranz hatte erkannt, dass ein Museumswärter, der zu lange Zeit mit dem selben Gemälde verbringt, Hassgefühle entwickeln kann. Deswegen veranlasste er, dass im Prado jeden Monat die Aufsicht den Standort wechselte. Ranz erzählte weiter, wie er eines Abends vor einem Gemälde von Rembrandt den Wärter Mateu antraf, der schon seit 25 Jahren auf die Bilder des Prado aufpasste. Nun stand dieser mit dem Feuerzeug in der Hand vor dem Gemälde und kokelte den Rahmen an – es handelte sich um das oben abgebildete Gemälde Artemisia – weil er die „dicke Kuh satt“ hatte und gerne einmal die Dienerin sehen wollte, die den Kelch reichte.

„Das ist ja das Schlimme“, sagte er, „dass es für immer so gemalt ist und wir nie wissen werden, was los ist, sehen Sie, Herr Ranz, es ist unmöglich, das Gesicht des Mädchen zu sehen oder zu wissen, was die Alte im Hintergrund soll, das einzige, was man sieht, ist die Dicke mit ihren verdammten Ketten, die nie den Kelch nimmt. Sie soll ihn verdammt noch mal austrinken, damit ich das Mädchen sehen kann, wenn es sich umdreht.“

Ja, und wie geht es weiter? Fackelt der Wärter das Bild noch ab oder nicht? Oder kann ihn Ranz daran hindern, ohne die Gefühle des Wärters zu verletzen? Und kann Mateu weiterhin Museumswärter im Prado sein?

Einfach selbst nachlesen in Javier Marias: Mein Herz so weiss. Ich habe die Ausgabe vom Heyne-Verlag in München von 1992 benutzt; die Begebenheit ist ab S. 133 zu lesen.

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