Odilon Redon. Oder: Walking Man, engl. für: Diogenes

Geschrieben von am 31. Januar 2007 14:24

Merkwürdig, merkwürdig, was einem in der Ausstellung Wie im Traum. Odilon Redon in der Frankfurter Schirn passieren kann…
Zunächst zur Ausstellung selbst: sie ist sehr gediegen gemacht (d.i. hier positiv gemeint!), Brauntöne herrschen vor, es ist aufgrund der vielen Papierarbeiten nicht sonderlich hell. Die grelle Sensation wird dankenswerter Weise auch im übertragenen Sinn nicht gesucht, die Bilder hängen sogar, horribile dictu, chronologisch, innerhalb der Chronologie sind sie zusätzlich in leicht erfassbaren Themen wie Blumen, Apollo u.ä. geordnet.

Die wirklichen Perlen finden sich erst in der geduldsamen Lektüre der Ausstellung, gleich am Anfang etwa, unauffällig und dezent platziert, einige Vorbilder von Odilon Redons Arbeiten, zum Beispiel der Kuperstich Melancholie von Dürer, Goyas Radierung Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer und Bresdins großartige Arbeit Der gute Samariter (wer sich in das Bild mal reinzoomen will, hier ist dazu eine gute Gelegenheit).

Am erstaunlichsten (und der eigentliche Anlaß für dieses Posting) sind allerdings zwei Bildtitel in der Ausstellung. Die bekannten kleinen Kärtchen kleben neben den Bildern und geben die Provenienz (was für ein schönes Wort, nach hochnäsigen, verstaubten Depotwächterinnen klingend…), die Technik (Radierung etc.) und natürlich den Titel an, und zwar (in dieser Reihenfolge) auf französisch, deutsch und englisch.
Bei zwei Bildern ist mir aufgefallen, dass die englische Übersetzung etwas völlig anderes meint als der originale französische Bildtitel:

  1. Diogène / Diogenes / Walking Man
  2. David et Goliath / David und Goliath / Primitive Being

Merkwürdig, oder? Auch wenn sich meiner Kenntnis entzieht, wer letztendlich über Bildtitel bzw. genauer: Bildtitelübersetzungen bei Kunstwerken entscheidet, so erstaunt hier doch die übersetzerische Freiheit. Nimmt man hier evtl. Rücksicht auf einen (natürlich irrtümlicherweise angenommenen) kleineren mythologischen bzw. bildungsbürgerlichen Bildungshorizont bei Angelsachsen?

Sehr schön ist übrigens auch, das aus dem letzten Raum, der Wandbilder von Redon in einem ehemaligen Kloster räumlich andeutet, leise Klaviermusik durch die Ausstellung wandert. Man muß ja nicht gleich von Synästhesie sprechen, aber es lockert die Sache auf, weg vom stillen Götzendienst an der Kunst, die Musik schafft eine lockere Salonatmosphäre.

Sonst noch was?: Klar, großartige Werke von einem Künstler, von dem ich bisher nur das Muschelbild und die Poe-Illustrationen (das berühmte Auge als Fesselballon) kannte. Das Bild mit der Muschel ist natürlich da & großartig, aber auch einige Blumenbilder bezaubern.
Tipp: Man sollte nicht an einem dunklen Wintertag reingehen, die Papierarbeiten sind oft tiefschwarz und lassen einen in der nächsten Nacht schlecht träumen.

Hier ein paar Bilder aus der Ausstellung.

Wie im Museum gearbeitet wird

Geschrieben von am 26. Januar 2007 10:22

Es ist ja manchmal etwas schwierig, nicht Museumsfachmenschen zu erklären, welche Arbeiten und Tätigkeiten im Museum anfallen. Das Musée Dauphinois in Grenoble schafft da Abhilfe: Im Rahmen der Ausstellung „Rester libres“ wurde die Arbeit hinter den Kulissen verfolgt. Im Sinne eines „The Making of…“ stellten sich Beteiligte der Kamera und erzählen, was sie mit der Ausstellung zu tun haben und wie sie vorgehen. Diese kurzen Filme, die in der Ausstellung zu sehen sind, sind auch auf Internet zu finden: der Museumsdirektor und Ausstellungskurator, die Restauratorin oder der Museograph erzählen sehr plastisch, wie eine Ausstellung entsteht.

Klassik gewinnt

Geschrieben von am 23. Januar 2007 10:17

Knapp zwei Jahre nach der Eröffnung, sind nun die Architekten Gerhards & Glücker aus Berlin für die Gestaltung der Dauerausstellung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden mit dem Bauwelt Preis 2007 für die Kategorie „Innenräume“ ausgezeichnet worden. Der Bauwelt Preis ist ausdrücklich der „Next Generation“ vorbehalten und eingereicht werden darf nur das Erstlingswerk. Da sind wir ja gespannt, welche Museen sich die Berliner Architekten in den nächsten Jahren vornehmen (können). Mir hat die Dauerausstellung des DHMD sehr gut gefallen; das klassisch Schlichte, das durch die Materiauswahl doch sinnlich wirkte, hat mich auch überzeugt.
Der Bauwelt Preis ist Thema einer Wanderausstellung, die auf Messen (u.a. in China) und in deutschen Kunsthochschulen zu sehen sein wird.
Hier öffnet sich das PDF der entsprechenden Seiten von Bauwelt zum Bauwelt Preis 2007, Kategorie Innenräume.

Museen zum Reinhören

Geschrieben von am 4. Januar 2007 12:22

Auf Deutschlandradio Kultur ist ab morgen, Freitag, 5. Januar eine Serie über kleine Regionalmuseen zu hören, die doch Großes zu bieten haben. Die Sendereihe wurde zusammen mit dem Deutschen Museumsbund konzipiert. „Ziel der Sendereihe ist es, auf das vielfältige Spektrum der kleineren Museen in Deutschland und ihrer oft unerwarteten Schätze hinzuweisen und zu einem Besuch anzuregen,“ so heißt es in der Presseerklärung von Deutschlandradio Kultur. Wer also schon immer einmal wissen wollte, wieviele Bilderbogen sich in Neuruppin befinden oder was sich hinter dem „Boxenstop“ von Tübingen eigentlich verbirgt – in den nächsten Wochen immer Freitags um 10.50 Deutschlandradio Kultur einschalten.
Frequenzen und Programm

Schönes Neues Jahr – auch für die Museen!

Geschrieben von am 2. Januar 2007 12:02

Im Dezember 2006 hat das Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz zusammen mit dem Deutschen Museumsbund die statistische Gesamterhebung der Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2005 veröffentlicht. Für die Erhebung wurden 6.155 Museen in Deutschland befragt und 85% der befragten Institutionen schickten den ausgefüllten Fragebogen zurück. Und das klingt doch ganz gut: die Museen verzeichneten 101.406.806 Eintritte; was im Vergleich zu 2004 einen ganz leichten Rückgang von 1,8% bedeutet. Hinzu kommen die Eintritte in Ausstellungshäuser, die keine eigene Sammlungen besitzen, aber Ausstellungen mit „musealen Charakter“ zeigen: Hier kommen 6.924.337 Eintritte zusammen. Insgesamt gingen also etwas über 108 Millionen Menschen 2005 in Museen oder Ausstellungen; 2004 waren es um die 109 Millionen. Auch wenn die Zahl einigermaßen stabil geblieben ist und seit 1990 die Zahl der Museumsbesuche ansteigt, so wurde deutlich, dass Besuche in Kunstmuseen bzw. Ausstellungen zunehmen, während Naturkundemuseen, volks-und heimatkundliche Museen einen leichten Rückgang hinnehmen mußten. Wir sind gespannt auf die Zahlen von 2006!

Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2005. Including an English Summary, Berlin 2006 (96 S.). ISSN 0931-7961, Heft 60.
(Als PDF zum download oder als Broschüre hier zu finden.)

Blog Material World ist online

Geschrieben von am 13. Dezember 2006 12:13

Ein englischsprachiger Blog zur materiellen und visuellen Kultur ist seit kurzem online. Die MacherInnen des Blogs von Material World dazu:
„Material World is an interactive, online hub for contemporary debates,
discussion, thinking and research centered on material and visual culture.
Material World is the brainchild of scholars working in the anthropology
department of University College London and in the anthropology and museum
studies departments of New York University, but it aims to create a new
international community of academics, students, curators, artists and anyone
else with particular interests in material and visual culture“.
Auch Ausstellungen und Museen haben eine eigene Rubrik; so wird etwa ausführlich das „Museum of Chinese in the Americas (New York City, NY)“ vorgestellt.

"Erzwungene Wege" besichtigt

Geschrieben von am 19. Oktober 2006 10:16


Noch bis zum 29. Oktober ist die vieldiskutierte Ausstellung Erzwungene Wege in Berlin im Kronprinzenpalast zu sehen. Sie hat mir doch etwas Unwohlsein bereitet: aus inhaltlicher Sicht, da die Kontextualisierung der dort aufgeführten Vertreibungen vollkommen fehlt bzw. stark verkürzt ist. Die Thematisierung der Vertreibungen jüdischer Menschen etwa wirkte auf mich wie ein Alibi. Und was wollen uns die Ausstellungsmacher sagen, wenn wahllos Fotos nebeneinandergelegt werden, auf dem man Flüchtende aus unterschiedlichen Zeiten und Orten (mit und ohne Handkarren, mit Schlitten, in einem Zug…) sieht?
Auch gestalterisch hat die Ausstellung mich nicht überzeugt. Der erste Raum, in dem es um die verschiedenen Vertreibungen im 20. Jahrhundert in Europa geht, wirkt wie ein an die Wand geklatschtes Buch. Überrascht hat mich, dass aber doch so viele, wirklich wunderbare Objekte präsentiert wurden – man müßte allerdings eher sagen: versteckt wurden. Sie sind im ersten Raum mit in die Schautafeln integriert, aber nicht an prominenter Stelle. In den anderen Raumen sind die Objekte in gestapelten Kisten versteckt. An für sich eine gute Idee. Leider passt sie nicht in diese Räumlichkeiten, und wenn es viel zu dunkel ist, um sie richtig zu betrachten und die Beschriftungen erst einmal gesucht werden müssen, halte ich diese Idee für verschenkt.

Mehr Informationen: was Zeit online, taz, Spiegelonline und der Hauptstadtblog darüber schreiben.

Was ist das?

Geschrieben von am 2. Oktober 2006 17:06


Gesehen in einem großen, deutschen Museum

Über "echte" Gerüche im Museum

Geschrieben von am 21. September 2006 11:44

Nachtrag zu den Grüchen: Über „echte“ Gerüche im Museum – also über Ausstellungen, die sich mit dem Geruch und/oder Duft beschäftigen, hat mein ehemaliger Kollege Jörn Borchert ausführlich auf seinem Blog geschrieben und das ist alles hier nachzulesen.

Wer kennt die schönste Eintrittskarte?

Geschrieben von am 14. August 2006 15:51

Zugegebenermaßen bekomme ich selten welche, da ich stolze Besitzerin einer ICOM-Karte bin und oft einfach durchgewunken werde. Darüber beklage ich mich gar nicht, sondern darüber, das das Eintrittsbillet häufig nicht mehr als ein Kassenzettel ist. Statt Gemüse und Wein steht dann „1 Erwachsener, voller Tarif“. Oder es gibt Plastikkärtchen, die man wie beim Metro-Fahren in eine Maschine stecken muss. Ich erinnere mich dunkel, irgendwann einmal schöne Bildchen in der Hand gehabt zu haben, die man danach noch prima als Lesezeichen nutzen konnte. Ich finde, mit einer kreativ gestalteten Eintrittskarte macht der Museumsbesuch gleich viel mehr Spaß. Deswegen nehme ich gerne Hinweise entgegen: In welchen Museen gibt es noch schöne Eintrittskarten?

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