Metz ist eine Reise wert V

Geschrieben von am 15. Juni 2010 22:58

Keine Warteschlangen nur nach Kassenschluss.

An dem Pfingstwochenende, als wir in Metz waren, drängten sich freilich die BesucherInnen im Centre Pompidou Metz. In der Überzahl waren eindeutig die, die aus Metz oder Umgebung kamen und die mit Freunden oder Verwandten alles genau unter die Lupe nahmen. Die Schlangen an der Ausgabestelle für den Jahrespass waren so auch deutlich länger als die an den „normalen“ Kassen.

Es war in der Hauptsache französischsprachiges Publikum. Die internationalen Gäste hatten sowieso das Nachsehen: allenfalls die Überschriften waren auf Englisch übersetzt – sonst waren alle Texte auf französisch. Blickte das Centre hier zu stark auf Bilbao (egal was geboten wird, die Leute kommen trotzdem) oder sind die Übersetzungen einfach nicht fertig geworden?
Überhaupt muss man sich die Frage stellen, welche Funktion die Außenstelle hat, haben soll, die in einer Reihe steht mit Expansionen von Pariser Kunstinstitutionen, wie zum Beispiel die geplante Außenstelle des Louvre in Lens.

Der geschätzte Marc Zitzmann fragte sich nach dem Besuch in Metz in der NZZ:

„Ist es wirklich ein Akt der «kulturellen Demokratisierung», diese Werke in einer Provinzstadt zu zeigen statt in Paris, das – schon rein verkehrstechnisch – nach wie vor das Zentrum des Landes bildet?“

Und er schiebt nach:

„Als kulturpolitisches Projekt allerdings öffnet es die Pandorabüchse – bereitet es doch Projekten den Weg, die fragwürdig sind (wie der Louvre Lens) oder schlicht skandalös (wie der Louvre Abu Dhabi). Neben der Frage nach der (partiellen und zeitweiligen) Aufsplittung einer Sammlung stellt sich auch jene nach der Instrumentalisierung von Kunst: im Dienst von Tourismusförderung, Stadterneuerung, politischer und wirtschaftlicher Diplomatie. Dass Kunst kein Mittel zu diversen Fremdzwecken ist, sondern sich selbst genügt, hat man hierzulande schon seit Jahren von keinem hochrangigen Politiker mehr gehört. Das neue Centre Pompidou ist nicht einfach eine weitere Bergspitze in einer reliefreichen Kulturlandschaft, sondern ein Emblem für eine Entwicklung mit unkalkulierbaren Folgen. Nach Metz die Sintflut?“

Das muss weiter beobachtet werden. Eines scheint klar: so eine großartige Ausstellung wie die Meisterwerke? wird wohl eine einmalige Sache bleiben, eher wird man Bilder zwischen Paris und Metz hin und her schieben.

Nichts destotrotz, hier zwei links:
Wirklich tolle Bilder von der Ausstellung sind im im französischem Blog filles de satan zu finden.
Und die Zeit ist auch etwas in Metz flaniert – quasi im Dienste der Tourismusförderung.

Metz ist eine Reise wert III

Geschrieben von am 6. Juni 2010 14:56

Die dritte Galerie im Centre Pomidou Metz packte einen von Anfang an: Der erste Blick auf und in die Ausstellung machte einfach neugierig. Ein Traum von Meisterwerken, so der Titel der dritten Schau, war eigentlich sehr funktional durchstrukturiert: zwei nebeneinanderliegende, lange Ausstellungsgalerien, die nebeneinanderliegen und mit Durchblicken neugierig auf das Gezeigte machen.
In der linken Seite werden Klassiker chronologisch präsentiert – wie zum Beispiel Stühle, die in das Kunstgedächtnis eingingen. In der rechten Seite wurden die Gebäude gezeigt, in denen diese Klassiker u.a. aufbewahrt wurden – man rollte die Museumsarchitektur der Kunstmuseen seit den 1930er Jahren auf, angefangen beim Palais du Tokyo in Paris, für die Weltausstellung 1937 gebaut, der in seinen beiden Flügeln heute das städtische Kunstmuseum und das Zentrum für zeitgenössische Kreation beherbergt

Nicht Metz setzte hier bei der Präsentation mit Modellen, Plänen, Fotografien und Filmen den vorläufigen Schlusspunkt, sondern das von Frank Gehry geplante Gebäude der Fondation Louis Vuitton im Jardin d’Acclimatation bei Paris (und hier im Museumsblog).

Das neue Museum von Gehry steht da, wo ein anderes Museum in den 1970er Furore machte: das Musée national des Arts et Traditions populaires, in den 1960er Jahren von Jacques Dubuisson erbaut, seit den 1930er Jahren freilich vom Gründungsdirektor Georges Henri Rivière imaginiert.
Und obwohl das Museum stets die arts et traditions populaires beherbergte, also Volkskunst (u.a. natürlich), finde ich es sehr richtig, dass es hier in der Reihe der Kunstmuseen aufgenommen wurde. Erstaunt hat es mich trotzdem, hatte ich doch überhaupt nicht damit gerechnet.

Sehr gefreut habe ich mich auch über einige Filmausschnitte, die man in kleinen Monitoren sehen konnte: Rivière selbst ist ebenso wie der Architekt Dubuission (links auf dem rechten Bild) als auch André Desvallées (rechts), einen der tatkräftigsten Mitstreiter, zu sehen.



Natürlich war es dann auch nur folgerichtig, dass der aktuelle Bau der Nachfolgeinstitution MuCEM in Marseille ebenfalls als Modell zu sehen war. Im November 2009 wurde der Grundstein für das neue Museumsgebäude von Rudy Ricciotti gelegt.

Die Hommage an die arts et tradotions populaires, aber vor allem an Georges Henri Rivière ging aber noch weiter.
Fortsetzung folgt!

Metz ist eine Reise wert II

Geschrieben von am 2. Juni 2010 10:45


Im ersten Stock setzte sich dann die Reflexion über Meisterwerke fort. Hier hieß das Motto Meisterwerke und ihre Geschichten. Dieses Kapitel bereitete mir etwas Schwierigkeiten, da Werke wie Inszenierung auf mich zu beliebig wirkten; vielleicht auch, weil der rigide Rundgangcharakter dann doch plötzlich fehlte. So schaute ich lieber aus dem Fenster – nach hinten raus, könnte man sagen.

Die Fortsetzung folgt!

Metz ist eine Reise wert I

Geschrieben von am 1. Juni 2010 23:07

Das Centre Pompidou in Paris war bei seiner Eröffnung 1977 angetreten, Wissen und Kunst (bzw. besser die Künste) zu verbinden und diese vor allem für alle zugänglich zu machen. Interdisziplinarität, Offenheit für alle, vor allem für alle Schichten, Offenheit aber auch für alle Formen der Kunst war hier Programm. Wie steht es damit in der neuen Außenstelle?

In Metz versucht man nun mit der Eröffnungsausstellung offensichtlich, an diese Anfänge anzuknüpfen. Die Ausstellung widmet sich nichts weniger als dem Meisterwerk.

Das Thema wird gleich viermal durchdekliniert: regionale Kunst und Patrimoine wird verknüpft mit nationaler und internationaler Kunst aller Sparten; auch das Centre Pompidou selbst als Institution der Kanonbildung thematisiert sich immer wieder selbst.

Das erste Kapitel Meisterwerke in der Geschichte in der großen Halle geht der Frage nach, wie Meisterwerke im Laufe der Zeit ‚gemacht‘ werden, wie sich der Geschmack herausbildet und wie er sich ändert.
Der chronologische Rundgang durch die Geschichte ist vorgegeben; die Räume haben Obertitel wie modern?, Meisterwerke von gestern oder widmen sich den unbekannten Meisterwerken.

Das ist ganz gut gemacht, da nicht nur Bekanntes zu sehen ist, sondern auch die anderen, eben die Vergessenen, wie die mir völlig unbekannten KünstlerInnen aus den 1930er Jahren.

Die Ausstellung erstaunt auch durch ihre Inszenierung: die Besucherin schlängelt sich durch blaue Stellwände, deren eigentliche Architektur erst aber der Blick nach oben erschließt: an der Decke sind Spiegel so angebracht, die, je nach Standpunkt, eine Übersicht über die gesamte Ausstellung oder einzelne Werke wiedergeben.

Natürlich war hier auch ein Werk der arts premiers zu sehen. Mehr beeindruckt hat mich allerdings, sozusagen einen alten Bekannten zu sehen: ein Stück aus dem ehemaligen Volkskundemuseum ATP in Paris, (heute das MuCEM):
das Werk eines anonymen Hufschmiedes.

Doch das war längst nicht alles: morgen geht der Bericht weiter.

Kein nationales Geschichtsmuseum in Fontainebleau

Geschrieben von am 30. Mai 2010 18:47

Frankreich braucht ein nationales Geschichtsmuseum, befand vor einiger Zeit Präsident Sarkozy und hatte dafür ein Gutachten beauftragt, um Standorte zu prüfen.
Nun wurde ein Standort  ausgeschlossen: Das Schloss von Fontainebleau, da man sich ja nicht nur der Monarchie widmen wollte, so sagte der Kulturminister Mitterrand im Radio Europe 1.
Übrig bleiben nun: Das Hôtel des Invalides, der Grand Palais, der Palais de Chaillot, das Schloss von Fontainebleau und das Schloss von Vincennes.

Fontainebleau hatte bereits mit der Absage gerechnet und widmet sich derzeit anderen Dingen: Man möchte das Schloss mehr bekannt machen – mit einer aufgepeppten Internetseite, mit Veranstaltungen und vielen mehr. Dafür macht man im nahem Paris sogar Werbung – in der Metro, das erste Mal in der Geschichte des Museums. Eine Revolution, wie Le Parisien befand.
Die Suche nach dem richtigen Ort für das nationale Museum geht weiter.

Sitzen im Museum XXI

Geschrieben von am 27. Mai 2010 19:30

Wenig spektakulär sehen die Sitzgelegenheiten im Centre Pompidou Metz aus.
Die Hocker sind aber bequemer, als sie aussehen: sie sind aus Kunststoff. Und es sitzt hier keiner, da sich alle die Ausstellungen ansehen. Dazu bald mehr.

Fundstücke aus Marseille

Geschrieben von am 26. Mai 2010 22:17

Das MuCem ist ja, auch Dank unserer Korrespondentin in Marseille, ein Dauerbrenner im Museumsblog. Nun gibt es wieder eine Anekdote aus der unendlichen Geschichte bis zur Eröffnung zu erzählen:

Während der Bauarbeiten wurden nun menschliche Knochen gefunden. Eigentlich hatte man an dieser Stelle von Marseille keine archäologischen Funde erwartet, weiss die Lokalzeitung La Provence zu berichten. Der zuständige Architekt, Rudy Ricciotti, fand es eine spannende Vorstellung, dass dort, wo das zivilsiationsgeschichtliche Museum stehen soll, frühe Spuren der menschlichen Zivilisation zu finden sind.
Der Fund hatte aber auch einen Baustop zur Folge; hier sahen schon manche Kommentatoren des Artikels der Lokalzeitung eine erneute Verschwörung gegen das Projekt…

Nun ist aber wieder Entwarnung angesagt: Der Landesarchäologe hat festgestellt, dass die menschlichen Überreste nur zufällig dort hingelangten und nichts auf eine menschliche Ansiedlung hinweist. Es darf uneingeschränkt weiter gebaut werden, und der Fund kann ins Archiv der realen und mythenbehafteten Bauverzögerungen abgelegt werden.

Und wir können uns also weiterhin auf die Marseille-Reise im Jahr 2013 freuen!

Schon mal schauen in Metz

Geschrieben von am 26. April 2010 22:38

Am 12. Mai eröffnet die Außenstelle vom Centre Pompidou in Metz. Monsieur Frédéric Edelmann von Le Monde war schon einmal da. Sein erster Ratschlag: bloß nicht ums Gebäude gehen – von hinten sieht es aus wie eine Waschmaschine (und das erinnert Edelmann natürlich an die Öl-Raffinerie, mit der damals das Centre Pompidou verglichen wurde). Entworfen haben es der japanische Architekt Shigeru Ban und der französische Architekt Luc Arsène-Henry. Unklar äußert sich Edelmann darüber, ob das Gebäude eher einem Pavillon einer Weltausstellung, einer Seilbahnstation oder dem Haus der „Schtroumpfs“ ähnelt – es klingt auf alle Fälle futuristisch – und sieht auf der Internetseite auch so aus:

Wer mag, kann sich übrigens die 3 Jahre Bauzeit als Viedeoclip ansehen – ein schönes Kranballett!

Edelmann ist sich sicher: dieses Haus wird viele zufriedenstellen, weil es multifunktional ist, viele kulturelle Bedürfnisse bedient. Nicht zuletzt wird es auch deshalb Begeisterung hervorrufen, weil die Ausstellungen von Paris aus bedient werden. In der Eröffnungsausstellung Chefs-d’oeuvre? werden über 500 Werke aus dem Mutterhaus zu sehen sein. Vom 12. – 16. Mai wird Eröffnung gefeiert – Metz ist sicher eine Reise wert.

Krieg im Museum

Geschrieben von am 19. April 2010 23:15

In Frankreich käme niemand auf die Idee, an einem 11.11. an Karneval zu denken. In Frankreich gedenkt man stattdessen der Toten des Ersten Weltkrieges: am 11. November wurde der Waffenstillstand zwischen Frankreich und Deutschland unterzeichnet.

Nächstes Jahr soll in Meaux, im Zentrum der beiden Marneschlachten, ein Kriegsmuseum eröffnet werden. Dieser Tage wurde vom Kulturminister der Grundstein gelegt. Im Zentrum steht die Sammlung, die der renommierte Historikers Jean-Pierre Verney zusammengetragen hat und dessen Anti-Kriegs Buch Elender Krieg letztes Jahr auch auf Deutsch erschien.

Wie das Museum aussehen könnte, wurde hier schon einmal im November 2008 vorgestellt – eine vorläufige Ausstellung, die ein Jahr lang in Meaux zu sehen war.

In Kisten wartet die Sammlung darauf, ausgepackt zu werden, und erinnert doch stark an ein Figurinen-Museum. Der  Bürgermeister von Meaux, Jean-Pierre Copé kündigte damals aber auch ein modernes, lebendiges Museum, in dem z.B. ein Stück Schlachtfeld virtuell inszeniert werden soll.*

Wir sind gespannt, doch erinnerten die ersten Bilder leider eher an das etwas dröge Pariser Armeemuseum als an die wirklich beispielhafte Inszenierung (weil aus verschiednene Sichten) im Historial von Péronne.

*Warum der Bürgermeister Jean-Pierre Copé bei der Eröffnung der vorläufigen Ausstellung als Eröffnungstermin des Museums den 11.11.11 um 11 Uhr 11 nennt (und damit einige Lacher erntet), ist doch einigermaßen merkwürdig.

2013, Marseille

Geschrieben von am 22. März 2010 09:18

2013 wird das Jahr von Marseille: die Stadt ist Kulturhauptstadt und das Mucem wird eröffnet. Hoffentlich, endlich, aber auch ohne eine der Personen, die das Ganze mit vorangetrieben haben:

Denn hier konnte man wieder eine interessante Personalie lesen:

Michel Colardelle, Conservateur général du patrimoine – und, seit 1996 Direktor des Mucem (gewesen), wurde nominiert: als Direktor für kulturelle Angelegenheiten – in Guyana (Département und eine Region Frankreichs zugleich). Die Nominierung hat ein Geschmack, wie Journal de l’Art schreibt: „Cependant, on peut s’interroger sur son intérêt et ses motivations, le ministère de la Culture ayant été soupçonné « d’exfiltrer » Michel Colardelle du projet du Mucem pour cause de divergence d’opinion sur la conduite du projet. “ Auf gut deutsch heisst das: weggelobt. Das hatte sich schon seit knapp einem Jahr abgezeichnet – hier im Blog nachzulesen.

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