Das Museums-Weissbuch

Geschrieben von am 14. Februar 2011 22:30

Man stelle sich vor, die MuseumskuratorInnen Deutschlands würden auflisten, was sie so alles an ihrem Beruf und an der Institution stört, für die sie arbeiten – das haben nun die Kustoden in Frankreich getan.

Die Vereinigung mit Präsident Christian Vital stellte Anfang Februar das ganz schön dicke Buch vor, das man sich hier auch herunterladen kann.
Im Buch wird ein kritischer Rückblick über die letzten Jahrzehnte gegeben. So geht es etwa um den Druck, rentable Ausstellungen machen zu müssen und sich nicht um die Sammlungen kümmern zu können oder die zunehmende Kommerzialisierung der Museen, die die Museumsobjekte zunehmend als Ware behandeln. Vor allem wird eine Schere zwischen den großen Museen in den Städten und den kleinen Museen auf dem Land konstatiert: Hier Geld, mächtige Sponsoren und viele Besucher, dort bescheidene Mittel, die nicht dazu beitragen, das Museum attraktiver machen. Auch wird bemängelt, dass in den Museen zunehmend nicht mehr Kustoden das Sagen haben, sondern andere, die eher aus dem Management kommen. Nach Geschmack des MuseoGraphie-Blogs fehlt etwas der Blick auf mögliche Chancen des Museums.

Hier steht etwas in Le Monde darüber und hier auf Localtis.

Aus für das Maison de l’histoire im Marais?

Geschrieben von am 4. Februar 2011 00:55

Das in Paris von Nicolas Sarkozy geplante Maison de l’histoire de France, über das der Museumsblog schon verschiedentlich berichtet hat, geht in eine neue Runde.

Eigentlich wurde ja vor kurzem mit großem Tamtam die Zusammenstellung des wissenschaftlichen Komitees für die Einrichtung des Museums bekanntgegeben, darunter auch etwa die hierzulande nicht unbekannte Soziologin und Ethnologin Martine Segalen, die Historikerin Anne-Marie Thiesse und der Historiker Pascal Ory. Auch Le Monde hat natürlich darüber berichtet.

Nun hielten ja aber Gewerkschaftsmitglieder seit September 2010 das Nationalarchiv, in dem das neue Museum unterkommen soll, besetzt. Ende Januar wurde die Besetzung schließlich beendet – nachdem das Kulturministerium Zusagen gemacht hatte:

Le cœur des activités scientifiques, culturelles, éducatives et muséographiques (des Archives nationales sera) maintenu dans le quadrilatère, notamment dans l’Hôtel de Soubise.

Hinzu kommen weitere Zusagen, wie:  die Urkundensammlung der Pariser Notare bleiben im Gebäudekomplex und werden weitergeführt; auch das Archiv aus der Zeit vor 1790 soll nicht mit an den neuen Standort nach Pierrefitte-sur-Seine umziehen.

Manche schließen aus diesen und anderen Zugeständnissen, dass dann eiegntlich kein Platz mehr für das geplante Sarkozy-Museums mehr sei.

Davon gehen auch die HistorikerInnen aus, die in einem offenen Brief in  Le Monde zum wiederholten Mal ihren Unmut zum Ausdruck bringen: weder das Komitee sei angemessen besetzt noch die vielen vorgebrachten Einsprüche berücksichtigt worden. Die Autorinnen wie Gérard Noiriel und Nicolas Offenstadt stellen das neue Projekt in Kontext mit der langsamen Verabschiedung des Staates aus seinem öffentlichen kulturellen Engagement und verurteilen die Instrumentalisierung der Geschichte. Die UnterzeichnerInnen fordern eine kritische und vorurteilsfreie Geschichte für alle. Sie werfen Sarkozy u.a. vor, unbequeme Aspekte der französischen Geschichte wegzulassen – Sarkozy hatte angekündigt, mit dem Museum eine komplett neue Seite aufschlagen zu wollen.

Das kann er jetzt schon mal ausprobieren…

Figurinen XXVII

Geschrieben von am 23. Januar 2011 08:38

Das Musée des vallées cévenoles in St. Jean du Gard hat auch ein Herz für Figurinen, auch wenn diese sehr beschäftigt aussehen.


Zwischen Exponaten

Geschrieben von am 20. Januar 2011 00:38


Von außen sieht das Musée des vallées cévenoles in St. Jean du Gard wie ein normales Heimatmuseum aus. Innen überrascht die wilde Anhäufung der Exponate. Und wie viele Exponate!

Das Heimatmuseum ist ein echtes museales Kleinod, das einen zum Staunen bringt. Ein Kleinod, weil man fast schon vergessen hatte, wie Museen aussehen, in denen eher Ding-Liebhaber als angestellte Kuratoren das Sagen haben. Restauratoren werden hier aber nicht unbedingt ihre Freude haben, stehen doch die meisten Exponate ungeschützt im vollen Tageslicht.

Schön ist auch die Verknüpfung von Text und Exponaten – hier wurde sich viel Mühe gemacht.

So sehr die Ansammlung von Stühlen, Werkzeugen, Bienekörben, Schlüsseln, Schränken, ausgestopften Tieren… begeistert – sie ermüdet aber irgendwann doch einmal.

Das bric à brac hat voraussichtlich bald ein Ende:
Das Museum ist Teil des Vorhabens des Kulturministeriums, das in den nächsten zwei Jahren knapp 80 Millionen Euro in regionale museale Institutionen stecken möchte.
Das Museum soll in der ehemaligen Spinnerei Maison rouge seinen Standort finden. Dann wird es wohl anders aussehen.

Sitzen im Museum XXV

Geschrieben von am 11. Januar 2011 07:37

Passend zum Winter: im Musée dauphinois in Grenoble sitzt es sich auf weissen Snowboards.

Nicht alle wollen Sarkozys Maison de l’histoire

Geschrieben von am 5. Januar 2011 07:56

Nicht alle sind mit dem Plan von Staatspräsident Sarkozy einverstanden, im Nationalarchiv ein Maison de l’histoire de la France einzurichten. Ganz besonders nicht Mitarbeiter des Nationalarchivs selbst, die seit der Ankündigung das Archiv besetzt halten.

Auf Deutschlandradio Kultur gab es kürzlich dazu etwas zu hören.

Figurinen XXVI

Geschrieben von am 7. November 2010 19:52

Diese Figurine ist mir vor Jahren im Musée du Vin in Beaune begegnet, einem kleinen Museum über die Geschichte des Weines mitten im Burgund, das 1938 bzw. 1946 von André Lagrange und Georges Henri Rivière gegründet und eingerichtet wurde. Ob sie heute noch ihre Tätigkeit in der Vitrine verrichtet, ist mir nicht bekannt.

musee du vin beaune

Figurinen XXV

Geschrieben von am 20. Oktober 2010 10:27

Diese Figurinen sind im Musée dauphinois in Grenoble zu finden – als Teil der Ausstellung La Grande Histoire du Ski.

Warum im Nationalarchiv in Paris gestreikt wurde

Geschrieben von am 7. Oktober 2010 23:34

Wir hatten schon einmal über die Pläne des französischen Präsidenten berichtet, ein nationales Geschichtsmuseum einzurichten. Damals wurden 5 Standorte näher ins Auge gefasst; nun ist es ein ganz anderer geworden: Sarkozys Begehrlichkeiten richten sich auf die wunderbaren Gebäude des Nationalarchivs im Herzen von Paris. Hier soll das Maison d’histoire de la France sich künftig ausbreiten. Für Ende 2011 ist bereits eine Ausstellung angekündigt; vielleicht wird dann auch geklärt, warum „maison“ und nicht „musée“.

Das Archiv soll auch noch bleiben dürfen; doch sehen die Archivare freilich die Entwicklung mit Sorge, ist doch die seit Jahren verfolgte Umstrukturierung betroffen: Ein großer Teil des Archivs soll 2013 umziehen nach Pierrefitte-sur-Seine. Teile des Archivs sollten ja deshalb ausgelagert werden, damit die Gebäude im  Marais entlastet werden.  In Paris verbleiben sollten etwa das Archiv vor 1789, die Siegelsammlung oder die historische Bibliothek. Auch hätte das  Museum, das in den letzten Jahren immer kleine, feine Ausstellungen präsentiert hat Raum für eine Dauerausstellung bekommen.

Die Archivangestellten waren von Sarkozys Ankündigung (dazu hier in Le Monde) nicht begeistert – deshalb wurde erst einmal gestreikt.  man sorgte sich etwa,  dass das Archiv als materielles Gedächtnis der Nation komplett seiner Funktion beraubt wird. Auch sorgt man sich um die Zukunft des Grand Dépot, unter Louis Philippe entstanden, das viele Kilometer Akten beherbergt.

Andere wiederum, wie der Kunsthistoriker Didier Rykner begrüßen es, das sich auf diese Weise die zuweilen hermetisch abegschlossenen Räume für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.

Ich bin gespannt, wann Jean Nouvel ins Spiel kommt – denn so ein bißchen umbauen muss ja auch sein. Und ich bin gespannt, ob Sarkozy es überhaupt noch als Präsident erlebt, wie „sein“ Museum eröffnet wird!

Noch nachgereicht: ein Beitrag dazu auf Arte, hier anzuschauen.

Mitmachen oder partizipieren?

Geschrieben von am 20. Juli 2010 09:15

Vor über drei Jahren hatte das Ecomusée Ungersheim im Elsass gewaltige Probleme (hier im Blog.)

Damals wurde über die Schließung des (selbstfinanzierten) Museums diskutiert, da die Region keine Subventionen leisten, sondern das Geld lieber in den neuen Freizeitpark Bioscope stecken wollte. Damals war die Zukunft des Museums alles andere als klar – Zeit, mal wieder nachzuschauen, was eigentlich daraus geworden ist. Bislang allerdings nur aus der Ferne.

Das Museum gibt es noch und ist erfolgreicher denn je, wenn man die Besucherzahlen betrachtet: 2009 hat es 163.000 Besucherinnen empfangen.

Nachlesen konnte ich Details über den Auftakt der Saison 2010. Mit der
Compagnie des Alpes, die das Museum und den Freizeitpark Bioscope über 3 Jahre gemeinsam betrieb, verbindet das Museum so gut wie nichts mehr; die Gesellschaft betreibt über eine Tochtergesellschaft nur noch Boutique, Hotel und Restaurant im Museum.

Ein neuer Direktor, Pascal Schmitt, leitet nun die Geschicke des Museums. Sein Rezept, das so erfolgreich ist, setzt auf ganzheitliches Erleben.
Das Motto des Museums heisst: „Tant d’histoires à raconter“. Der Slogan wurde auch für die deutschen und schweizerischen BesucherInnen eingedeutscht: „So viel zu erleben“.

„Im Écomusée d’Alsace sind Sie mehr als
nur ein Zuschauer! Kinder und Erwachsene
nehmen sich die Freiheit und
erkunden Dorf und Landschaft auf
eigenen Wegen. Entdecken Sie Geschichte
und Geschichten, vielleicht sogar
auch ein Teil Ihrer eigenen Geschichte…“

Konsultiert man die Presse-Broschüre, die man sich auf der Seite des Museums herunterladen kann, so boomt der Nostalgie-Freizeitpark à l’alsacien: im typisch elsässichen Dorf, das das Frelichtmuseum nachbilden soll, gibt es allerlei Aktivitäten, die insbesondere Jahreszeiten und Festtage berücksichtigt. Im Juli können Kinder und Jugendliche das ländliche Leben gar selbst ausprobieren, und nach dem Wecken durch den Hahn den Tag mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten erleben. Im Blog des Museums sieht man dann auch Mädchen, die in Tracht Hasen füttern.

„Bewohnerinnen“ gibt es anscheinend sowieso: die Besucherbetreuung in Form von verkleideten Schaustellern, die den Töpfer oder den Schmied mimen. Hinzukommen, glaubt man den oben erwähnten Artikel, gleich zwei Familien, die im Sommer am Sonntag zwei Häuser bespielen, was natürlich sehr an die Anfänge des Freilichtmuseums Skansen erinnert.

Freuen können wir uns jetzt auch schon auf Weihnachten:
„So richtig authentisch und schön wird Weihnachten erst im Écomusée d’Alsace“ heisst es in der Gebrauchsanweisung im Internet. Hier würde mich natürlich interessieren, wie authentisch definiert wird!

Auch die gerade laufende Wechselausstellung mit dem Titel „Stoffe und Leute“, deren Inhalt ich in einem PDF nachvollziehen kann, vermittelt nicht den Eindruck einer sozialgeschichtlichen, analytischen Betrachtungsweise.

„Die ganze Kommune bildet ein lebendiges Museum, dessen Publikum sich im Innern befindet. Ein Ecomusée hat keine Besucher, sondern Bewohner“, so hatte 1972 Hugues de Varine, der Erfinder der Bezeichnung Écomusee, das Vorhaben für das Ecomusée le Creusot umschrieben.

Was in Ungersheim umgesetzt wird, hat aber meines Erachtens nichts damit zu tun, d.h. mit der Vorstellung von Partizipation der Bevölkerung an der Entstehung eines Museums (ein Gedanke, der gerade wieder Konjunktur hat), wenig zu tun. Oder täusche ich mich da?

Die Badische Zeitung berichtete im März 2010 über einen Besuch im ecomusée. Die Zeitung DNA Region berichtete auch über den Saisonstart.

Ob der Ziegenbock in Ungersheim noch zugange ist, ist eher ungewiss: er wurde bereits Mitte der 1990er Jahre von U. Hägele fotografiert.

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