Nicht ärgern, nur wundern!

Geschrieben von am 30. Mai 2008 18:54

Wer mag wohl die Beschriftungen in der erst kürzlich generalrenovierten und neu aufgestellten Cité de l’architecture et du patrimoine (Paris) verfasst haben? Die einzigartige Abgusssammlung romanischer und gotischer Architektur verleitet den neugierigen Besucher dazu, mehr zur Ikonographie der meist religiösen Szenen wissen zu wollen. Glücklich eine Beschriftung entdeckt zu haben, geht erwähnter Besucher in die Knie um sie zu lesen. Was erfährt er? Woher die Moulage stammt, o.k., wer die Abformung gemacht hat – was soll der Besucher wohl damit anfangen? – wann die Abformung in die Sammlung aufgenommen wurde – siehe oben…. und ihre Inventarnummer.
Schlussfolgerung: entweder die Kuratoren überschätzen die Besucher und halten sie für Spezialisten mittelalterlicher Ikonographie oder – was wohl eher zu vermuten ist – sie haben diese ewige Neugier der Besucher einfach satt!

Ausstellung annulliert

Geschrieben von am 28. Mai 2008 14:43

Neulich wurde hier im Museumsblog über eine geplante Ausstellung in Verona berichtet, in der Werke aus dem Louvre zu sehen sein sollten, die zuvor noch nie das Gebäude verlassen hatten und bei der es um viel Geld geht. Nun berichtet der französischsprachige Blog la tribune de l’art (der freundlicherweise gleich die englische Übersetzung mitliefert), dass diese Ausstellung abgesagt wurde; offiziell heißt es dazu:

“Given its present status, there is not enough time to organize this important exhibition, if one takes into account the works required as well as all of the technical, administrative and legal conditions needed to guarantee the arrival, safety and conservation of the masterpieces.”

La tribune de l’art hat vom zuständigen Kurator des Louvre erfahren, dass die Werke aufgrund von fehlenden Sicherheitsvorrichtungen in Verona vom Louvre zurückgezogen worden seien, und die Ausstellung nicht nur aufgeschoben sei.
Die Ausstellung findet also definitiv nicht statt. Sollte die Kritik, wie sie tribune de l’art hier formulierte, etwa angekommen sein?

Besucht die Ausstellung!

Geschrieben von am 13. Mai 2008 11:37

„Ne visitez pas l’Exposition Coloniale!“ so hieß es in einer Veröffentlichung der Surrealisten gegen die große Kolonialausstellung in Paris 1931. Nicht nur sie, sondern eine Vielzahl von Franzosen und Immigranten protestierten gegen die Ausstellung, die die Kolonien Frankreichs sowie das Mutterland als ein großes Ganzes feiern sollte – was es natürlich nie war. Über 75 Jahre später sollte man sich schon diese Ausstellung anschauen, die nun in der Cité nationale de l’histoire de l’immigration stattfindet: 1931. Les étrangers au temps de l’exposition coloniale ist eine Hommage an die damals über drei Millionen lebenden Fremden in Frankreich und der Versuch, die andere, die soziale Realität zur Zeit der Ausstellung darzustellen.
Ein Ausstellungsstück ist der Palais de la Porte dorée selbst, war er doch damals schon Teil der Kolonialschau. Die Ausstellung verspricht interessant zu werden, gehört doch der Schweizer Jacques Hainard zu den Kuratoren.

Hier findet sich ein ausführlicher, bebilderter Text von Brigitta Kuster über die Ausstellung von 1931.

Gratwanderung

Geschrieben von am 24. April 2008 10:08

Der Louvre steht mal wieder in der Kritik. Dieses Mal geht es um 130 Leihgaben für eine Ausstellung in Verona. Dazu der Kunsthistoriker Didier Rykner in seinem Blog la tribune de l’art:

„The Louvre is still offering great deals. If you are a millionaire and would like to organize an exhibition, this is definitely the place to come: ask for a couple of masterpieces and it will see you get them on condition you pay the right price. It seems that only the Mona Lisa is not for rent. At least officially. But you can have any other Leonardo you want.“

Der Hintergrund: die Leihgaben gehen nicht an ein Museum, sondern werden für vier Millionen Euro einer privaten Gesellschaft überlassen, die die Ausstellung mit Bildern von Goya, Botticelli, Véronèse, Rembrandt, Rubens, Van Dyck, Vélasquez, Greco, Raphaël… ausrichtet. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um Bilder, die in den Ausstellungssälen hängen und die das Museum so gut wie nie verlassen haben, darunter auch das „Porträt einer jungen Dame“ (La belle Ferronière) von Leonardo da Vinci. Auf die Frage, warum nun plötzlich Werke ausgeliehen werden, die sonst nie das Gebäude verlassen, sagte ein Sprecher des Louvre der Zeitung Le Monde: „Niemand hatte sie bisher angefragt“, und verweist auf den wissenschaftlichen Charakter der Ausstellung. Andere halten diese Zusammenstellung für einen Vorwand. Mit dem Geld möchte der Louvre Werke restaurieren und weitere Kataloge editieren. Ein Teil des Geldes soll für Abu Dhabi auch schon eingegangen sein. Gleich mal nachschauen, ob die Eintrittspreise im Louvre niedriger geworden sind!

Propagandaphotos. Polemik um eine Ausstellung

Geschrieben von am 14. April 2008 15:37


Die Bibliothèque historique de la ville de Paris widmet eine Ausstellung dem Fotografen André Zucca (1897-1973). Bis zum 1. Juli kann man in der rue Mahler 200 Bilder sehen, die Zucca während der Bessatzungszeit in Paris aufgenommen hat: im Luxembourg Park spielende Kinder, Musiker der Wehrmacht bei einem open-air Konzert, elegante Radfahrerinnen etc. Die Kritik richtet sich nicht gegen das Interesse dieser umfangreichen Fotoausstellung sondern gegen das Fehlen jeglichen Hinweises auf den Kontext: André Zucca arbeitete ausschliesslich für die Zeitschrift „Signal“, Publikation im Dienste der deutschen Wehrmacht, veröffentlicht in 20 Sprachen und mit einer Auflage von 2,5 Millionen, davon 800.000 in Frankreich. Zucca produzierte für „Signal“ Dutzende von Reportagen über die Verheerungen der alliierten Bombenangriffe in Frankreich, und auch die hier gezeigten idyllischen Bilder des „Alltagslebens“ im Paris der 40er Jahre. Einer der Vorwürfe ist, dass nur Datum und Ort der Bilder angegeben sind, kein weiterer Hinweis aber auf ihren spezifischen Kontext. Erst Proteste der Besucher haben dazu geführt, dass ein Blatt bei der Kasse aufliegt in dem man nachlesen kann, dass Zucca im Auftrag der Nazizeitschrift gearbeitet und die „Realität der Okkupation in ihren dramatischen Aspekten“ ausgeklammert hat. Jean Derens, Direktor der Bibliothek, hält dies für ausreichend. Wenn ein Besucher nicht wisse was die Okkupation bedeutet hat, sei dies bedauerlich, aber man könne nicht jedesmal alles wieder erklären….
Kulturelle Welten schreibt hier darüber.

Internationales Museumsseminar – SIEM 2008

Geschrieben von am 18. März 2008 11:26

Die Ecole du Louvre organisiert vom 1. bis 12. September 2008 ihr 4. Fortbildungsseminar zum Thema „Das Museum zwischen Kontemplation und Bildung“ („Au musée, entre contemplation et éducation“). Jedes Museum, sei es ein Kunst- oder ein Wissenschaftsmuseum, ein historisches oder ein Gesellschaftsmuseum entwickelt spezifische Vermittlungstechniken und Zugangsweisen angesichts dieser zwei Schlüsselbegriffe jeder Museumsarbeit. Aufsehenerregende Inszenierungen oder diskrete Schausammlungen, Meisterwerke oder Alltagsobjekte, detaillierte oder spärliche Texte, Interaktivität und Multimedia, Performance oder gelehrte Vortragsreihen, jedes Museum muss ständig neue Konzepte und Mittel „erfinden“ um sein Publikum anzusprechen und neue Besucherkreise zu gewinnen.

Vorträge, Round-table Gespräche, Begegnungen mit Fachleuten und Museumsbesuche sollen es den Teilnehmern ermöglichen, verschiedene Strategien neuer oder kürzlichst renovierter Museen kennenzulernen. Der Kursus richtet sich an fortgeschrittene Stundenten oder junge Museumsmitarbeiter aus ganz Europa. 20 Plätze stehen zur Verfügung, französische Sprachkenntnisse sind eine Voraussetzung, gute Englischkenntnisse sind erwünscht (die Vorträge etc. sind auf Französisch, die Teilnehmer können sich auf Englisch ausdrücken).
Die Kandidaturen müssen bis zum 1. Juni 2008 bei der Ecole du Louvre eingelangt sein.

Programm und Organisation: Claire Merleau-Ponty (c.merleau-ponty@ecoledulouvre.fr) und Solange de Barbeyrac (s.debarbeyrac@ecoledulouvre.fr)

Ecole du Louvre, Palais du Louvre, Porte Jaujard
Place du Carroussel
75038 Paris cedex 01
Telefon: +33-1-55.35.19.12

Neue Aussichten?

Geschrieben von am 28. Februar 2008 18:41

Jeder französische Präsident hat ja sein museales Projekt: Georges Pompidou das Centre Pompidou, Valéry Giscard d’Estaing das Musée d’Orsay, Mitterand hatte gleich mehrere, darunter die Vergrößerung des Louvre samt Pyramide und die Cité des Sciences et de l’industrie, und schließlich Chirac und das Musée du quai Branly. Nun scheint sich auch der aktuelle Präsident Sarkozy „sein“ Projekt* gewählt haben: er möchte im Invalidendom ein „Forschungszentrum und eine Dauerausstellung zur Militärgeschichte sowie zur zivilen Geschichte“ aufbauen, wie Le Monde berichtet. Nun ist dort im Armeemuseum schon seit einiger Zeit eine umfassende Modernisierung im Gange, die neuen Abteilungen der Dauerausstellung werden seit 2005 sukkzessive der Öffentlichkeit vorgestellt.
Um den Auftrag des Präsidenten zu erfüllen, wurde im Verteidigungsministerium ein Bericht erstellt, der nun als Zwischenbilanz vorliegt und der eine chronologische Präsentation der Geschichte Frankreichs vorschlägt. Doch wo? Denn Invalides, das so geräumig wirkt, ist doch räumlich arg beschränkt. Das Musée de l’Armée ist neben drei anderen Museen sowie insgesamt 49 militärischen und zivielen Organisationen dort nur zu Gast. Und natürlich kostet so eine chronologische Schau mal wieder viel mehr Geld als vorgesehen; zudem hat das eben eröffnete Historial für Charles de Gaulle auch mehr Kosten verursacht als geplant. Und wahrscheinlich bewegt die Militärs eine weitaus wichtigere Frage: Wenn das Museum sich vergrößert, gibt es dann überhaupt noch genug Platz für die militärischen Zeremonien? Diese, reichlich museal wirkenden Aufmärsche kann man als normale Museumsbesucherin ständig beobachten. Wenn diese wegfielen, würde mir zumindest nichts fehlen.
Hier im Museumsblog mehr zum Historial.

*Sarkozy hat allerdings auch Vorstellungen über eine Skulpturen-Insel, die natürlich viel spektakulärer wäre und worüber hier sein Berater erzählt.

Museen und menschliche Reste

Geschrieben von am 27. Februar 2008 10:51

Le Monde berichtet in seiner Ausgabe vom 26.2. über ein internationales Symposium am Pariser Musée du Quai Branly. Organisiert auf Verlangen der Kulturministerin Catherine Albanel in Antwort auf eine kürzliche Polemik über die Rückgabe von Maorischädel debattierten europäische und amerikanische Museumsdirektoren, Vertreter ethnischer Minderheiten, Anthropologen, Soziologen und Juristen über die Problematik der Bewahrung menschlicher Reste in westlichen Museen. Der Anthropologe Maurice Godelier wies darauf hin, dass für viele Kulturen der Tod nicht das Ende des Lebens darstellt, sondern eine Etappe. Die Maori verlangen daher die Rückgabe der Schädel ihrer Vorfahren, um ihnen die Kriegern und Stammesführern gebührenden Rituelle zu erweisen. „Wir sind nicht gekommen um eure Museen zu leeren“, sagte der senegalesische Prähistoriker Abdoulaye Camara, Direktor des Museums afrikanischer Kunst in Dakar, „Wir verlangen nur die Rückgabe jener Objekte die für unsere kulturelle Identitätsfindung wichtig sind“. Angesichts der wachsenden Forderungen weisen die Forscher darauf hin, dass dank eben dieser Reste bedeutende Erkenntnisse über Lebensumstände, Krankheitsverbreitungen und die generelle Evolution der Menschheit gewonnen werden konnten. Die Ansichten und Vorschläge gingen in vielerlei Hinsicht auseinander. Jean-Pierre Mohen, Direktor der Sammlungen des Quai Branly und Verantwortlicher der Renovation des Musée de l’Homme setzte sich für einen pragmatischen Zugang und Zusammenarbeit mit den Vertretern der betroffenen Ländern ein, während Alain Froment, wissenschaftlicher Leiter der anthropologischen Sammlungen des Musée de l’Homme sich gegen eine generelle Rückerstattung aussprach. Einzelne Stücke können, seiner Meinung nach, restituiert werden, wenn der Antragsteller einen Nachweis seiner Filiation erbringen kann…! Ein Zugang, der übrigens der niederländischen Gesetzeslage entspricht.
Eines steht jedenfalls fest: ethnische Minderheiten verfügen heute über Möglichkeiten, Druck auf die Museumsszene auszuüben und die Diskussionen über Restitution sind auch auf diesem Gebiet noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein.

Charles de Gaulle Superstar

Geschrieben von am 25. Februar 2008 11:26

Nicolas Sarkozy weihte am 22. Februar das „Historial Charles de Gaulle“ in Paris ein. Dieses von der Stiftung de Gaulle angeregte und mitfinanzierte Projekt, ist ein neuer Meilenstein in der Modernsierung des Musée de l’Armée. 1.200 m2 sind dem Leben dieser emblematischen Figur der jüngeren französischen Geschichte gewidmet. Die von der Agentur Moatti und Rivière entworfene Szenographie stützt sich ausschliesslich auf Bild- und Tondokumente (de Gaulle war Zeit seines Lebens ein entschiedener Gegner des „Reliquienkultes“) und zeichnet das Leben des Generals von seiner Geburt 1890 bis zu seinem Tod 1970 nach. Aus dem zentralen Kinosaal mit 200 Plätzen und mehreren grossflächigen Projektionswänden gelangt man zuerst in einen ringförmigen Ausstellungsraum und dann durch drei „Pforten“ die den wichtigsten Daten seiner Laufbahn entsprechen (18.6.1940/Aufruf zum Widerstand – 26.8.1944/Befreiung von Paris – 4.9.1958/Gründung der V. Republik) in sogenannte „Alkoven“ in denen weitere Informationen zu diesen Schlüsseldaten geboten werden. 18 Millionen Euros, 20% mehr als vorgesehen, kostete dieses Unternehmen mit seinen interaktiven Bildschirmen, virtuellen Büchern, dynamischen Bilderwänden…
De Gaulle der in Frankreich populärer ist als Napoleon soll mit diesem „Denkmal“ vor allem ein nationales Publikum ansprechen: 2007 haben 800.000 ausländische Touristen, aber nur 400.000 Franzosen das Armeemuseum inklusive Invalidendom besucht. Man hofft also auf den neuen Superstar der „Grande Nation“!

Gelitin im Pariser Musée d’Art Moderne

Geschrieben von am 22. Februar 2008 11:30

3000 Werke der österreichischen Künstlergruppe Gelitin sind unter dem Titel „La (sic!) Louvre – Paris“ vom 29. Februar bis 20. April im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris zu sehen. „Materialien von Karamell bis Wolle, von Käse bis zu Toilettenpapier“ benützen die vier Künstler der Gruppe für ihre oft Aufregung erregenden Arbeiten. Bei der Expo 2000 in Hannover mussten etwa die Besucher in ein 5 Meter tiefes Wasserloch tauchen um in die „Grotte des Glücks“ zu gelangen… In Österreich sorgten sie 2003 mit der Skulptur „Arc de Triomphe“ für Aufregung . Diese Darstellung eines nackten Mannes mit erigiertem Penis musste nach nur eine Woche und einer Klage der Stadt Salzburg wieder abgebaut werden und 2006 sorgte die Ausstellung „Chinese Synthese Leberkäse“ im Kunsthaus Bregenz für Diskussionen.
Neben provokanten Installationen in der Tradition des Wiener Aktionismus werden in der Ausstellung jedoch auch „klassischere“ Objekte zu sehen sein (Plastilin, Malereien, Bilder der Künstler in Frauenkleidern etc.).
Pariser Museumsbesucher werden wohl ihr Österreichbild revidieren müssen…

Quelle: Der Standard

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