Upside Down

Geschrieben von am 7. Dezember 2008 19:49

Das Musée du Quai Branly (Paris) zeigt zur Zeit die Ausstellung „Upside Down – les Arctiques“. Doug Wheeler, amerikanischer Experimentalkünstler und Szenograph der Ausstellung und Edmund Carpenter, Filmemacher und Anthropologe, ihr Kommissär wollen sie bewusst ohne Kommentare um den Besucher zu einer virtuellen Wanderung durch die Polarwelt einzuladen. Einzige Informationsquelle, eine kleine Broschüre die Objektekartelle und andere Texte ersetzen soll.

Der Raum ist in bläuliches Licht getaucht, durch die grossen gefärbten Glasfenster sieht man schemenhaft die Bäume des umliegenden Gartens, die Vitrinen von unten mit Neonröhren erleuchtet erinnern an Eisblöcke, die Beschallung lässt den Wind auf den riesigen Eisflächen erahnen. Das alles sieht auf dem Papier chic und trendy aus. In der Realität gehen die Besucher ratlos (und fröstelnd) zwischen den Glaskästen herum, wissen nicht was sie sehen. Die Objekte, Masken, kleine Skulpturen, sind berührend schön, mit einer bewunderungswürdigen Finesse ausgeführt, fremdartig… Man möchte so vieles wissen. Man möchte wissen wer die Menschen sind die diese zauberhaften kleinen Eisbären geschnitzt haben, wer diese Masken trug und warum… das magere Heftchen gibt kaum Antworten, die zum Grossteil sehr kleinen Objekte sind oft auf Kniehöhe angebracht, die zur Verfügung gestellte Lupe macht die Frustration nur noch grösser. Warum nicht wenigstens ein kurzer Film im Eingangsbereich, der erlaubt die Gegenstände zu situieren, mehr über ihre Erzeuger und Benutzer zu erfahren? Ein Film wird dort allerdings gezeigt: ein Willkommentanz bei dem die Bilder auf dem Kopf stehen…
Der Quai Branly bleibt sich treu: „Volkskunst“ soll schön zum Anschauen sein, auf den Rest pfeift man!

Herzlichen Glückwunsch, Monsieur Lévi-Strauss

Geschrieben von am 28. November 2008 09:29

Der große Claude Lévi-Strauss wird 100.
Joyeux anniversaire kann man da nur ehrfürchtig wünschen.
Gefeiert wird CLS zur Zeit in allen Medien; zum Beispiel gestern mit einem Film auf arte (der noch einige Male wiederholt wird) und in dem er in Interviews in geschliffenen Sätzen gut verständlich seine Ideen erläutert (zum Beispiel was eine Pusteblume mit dem Strukturalismus zu tun hat). Heute ist ihm ein Tag im Musée du quai Branly in Paris gewidmet- das er von Beginn an als einer der wenigen unter den EthnologInnen entschieden unterstützte. Dort ist eine Ausstellung mit Fotografien zu sehen, die CLS auf seinen Feldforschungen gemacht hatte. Bekannte Persönlichkeiten lesen den ganzen Tag aus seinen Büchern; in der Dauerausstellung finden Führungen zu den Objekten statt, die er gesammelt hatte.
Ich möchte hier auch noch an die Rolle erinnern, die er für das nationale Volkskundemuseum MNATP in Paris gehabt hatte – er lieferte nämlich das Grundkonzept für die Dauerausstellung, die dann später Georges Henri Rivière mit seinen MitarbeiterInnen mit Inhalten füllte. Der Legende gemäß passte das Konzept auf einen Zettel.
CLS hat auch stets eine klare Vorstellung davon, was ins Museum gehört und was nicht: „Die Museen sind zunächst dazu da, so CLS 1992, „Objekte aufzubewahren und dann erst für die Besucher (…) Man muss respektieren, dass all das, was verdient, untersucht zu werden, nicht unbedingt verdient, bewundert, ausgestellt oder gar aufbewahrt zu werden. Man muss die Frage stellen können, was schön ist und was nicht.“*

*zit. nach: Isac Chiva: Entretien avec Claude Lévi-Strauss. In: Le Débat 70 (1992), S. 165-173.
das Bild von CLS habe ich von hier

Sitzen im Museum X

Geschrieben von am 29. September 2008 09:59


Das Sitzmöbel im Musée de la Chasse et de la Nature in Paris erinnert an das im Ashmolean Museum in Oxford. Einmal plüschig rumrutschen und man hat alles im Blick.

Eine Trouvaille mitten in Paris

Geschrieben von am 11. August 2008 16:20

Ein unscheinbares messingfarbenes Schild im Pariser Stadtviertel Marais verweist auf das um die Ecke liegende Museum, das Musée de la chasse et de la nature. Um so spannender ist aber der Besuch des Museums selbst. Was man hier alles zu sehen bekommt und wie, ist einfach grandios: es war einer der kurzweiligsten Museumsbesuche überhaupt. Auf kühne und elegante Weise wird hier ein nicht unumstrittenes Thema, nämlich die Jagd, mit (zeitgenössischer) Kunst und klassischen musealen Inszenierungen präsentiert, die perfekt in das historische Gebäude eingebunden sind. All das geschieht mit einem leichten Augenzwinkern.

In zwei Rundgängen – die hier ganz gut nachvollzogen werden können – läuft die Besucherin durchs Haus. „Das Bild des Tieres“ widmet sich verschiedenen Tieren wie Wolf und Hase; ein Wildschwein begrüßt mich als erstes. Künstlerische Darstellungen aus Vergangenheit und Gegenwart werden naturwissenschaftliche Erkenntnisse entgegengesetzt und ermöglichen gewissermaßen, mit den Augen des Jägers zu sehen. Dazu dienen etwa eine Art Schränke, bei denen man viele Schubladen aufziehen kann.

Imposante zeitgenössische Kunstinstallationen laden ganz direkt, aber auch versteckt ein, über das eigene Verhältnis zu Tieren nachzudenken. Der zweite Rundgang, „Jagd und Kunst“, thematisiert das Sammeln selbst. Die Atmosphäre eines Sammler-Hauses soll vermittelt werden, genauer die des Sammlerpaars, François und Jacqueline Sommer, die in den 1960er Jahren die Sammlung anlegten.

Das geschieht nie ungebrochen und wird dann im 2. Stock konsequent bis in die Gegenwart fortgesetzt. Der amerikanische Künstler Mark Dion hat hier mit der Installation der Sommerschen Jagdhütte den Museumsgründern ein unprätentiöses Denkmal gesetzt.

Sehenswert sind auch die beiden Stadtpalais, in denen das Museum untergebracht ist: das Hôtel de Guénégaud, um 1655 erbaut von François Mansart, ist das einzige Hôtel im Marais, das noch vollständig erhalten ist.
Beim nächsten Paris-Besuch auf GAR KEINEN Fall versäumen!

Das Intro der Website laut anhören.
Musée de la Chasse et de la Nature

62, rue des Archives
750003 Paris , Metro Rambuteau
Di-So 11-18 Uhr, mo und feiertags geschlossen

Geld für den Menschen

Geschrieben von am 23. Juli 2008 15:48

Im Musée de l’Homme in Paris freut man sich dieser Tage bestimmt ganz ordentlich, denn die französische Regierung hat 50 Millionen Euro für die Renovierung des Museums bereitgestellt. Damit soll, wie es in Le Monde heisst, das Gebäude saniert und die Dauer- und Wechselausstellungsräume von rund 3500 qm eine neue Inhalte und eine neue Museographie erhalten. Das war, nachdem große Teile der Sammlung in das Musée du quai Branly überführt worden waren, so eigentlich gar nicht zu erwarten gewesen.
Der Leiter des Projektes, Jean-Pierre Mohen, erzählte der Zeitung auch, was genau geplant ist:

„Das Ziel ist es, der Öffentlichkeit die große Saga des Menschen seit ihren Ursprüngen bis in unsere Zeit zu präsentieren, indem alle Aspekte behandelt werden, die dem Menschen eigen sind: seine Evolution, seine Biologie, seine verschiedenen Gesellschaftsformen, seine Eingriffe in die Umwelt und seine aktuelle Situation.“

Damit würde das Museum einen völlig neuen Akzent setzen. 2012 soll alles komplett fertig sein.
Der erste Teil der Saga ist ja bereits im Museum zu sehen.
Der Museumsblog hat hier und hier bereits darüber berichtet.
Im Musée de l’Homme ist übrigens gerade eine Ausstellung über die Ethnologin, Widerstandskämpferin und KZ-Überlebende Germaine Tillion zu sehen, die im April dieses Jahres verstarb und die lange Jahre für das Musée de l’Homme gearbeitet hat.

Sitzmöbel VII

Geschrieben von am 22. Juli 2008 09:29

Hier lässt es sich in der Cité national de l’histoire de l’immigration in Paris angenehm sitzen: Im ehemaligen Rezeptionssaal während der Kolonialausstellung 1931 und dem heutigen Forum.

Sitzen im Museum VI

Geschrieben von am 22. Juli 2008 09:23


So unprätentiös kann man in der Cité nationale de l’histoire de l’immigration in Paris sitzen.
In der Realität sieht man die Bank allerdings doch etwas besser als die Kamera.

Auch das gehört zu einem perfekten Museumsbesuch

Geschrieben von am 18. Juli 2008 10:22

Es geht um ein heikles, aber wichtiges Thema: auch die sanitären Anlagen eines Museums sollten einem gewissen Niveau doch folgen. Neulich in Paris wollte ich vor dem Besuch der Ausstellungen zunächst einem dringenden Bedürfnis nachkommen. Also gehe ich ins Foyer und folge den Schildern. Hierzu muss die Treppen am Musik-Zylinder nehmen – die KennerInnen wissen nun natürlich, dass ich mich im Musée du quai Branly befinde. Ich gehe zwei Etagen die Treppe hinunter und komme auf einen schmalen, dunklen Gang. Hier erkenne ich die richtige Richtung an den Schlangen: vor beiden Toiletten steht jeweils eine halbe Schulklasse, hinzu kommen die anderen BesucherInnen. Ich schaue nach, wieviel Toiletten eigentlich da sind, um die Wartezeit einschätzen zu können. Vier Toiletten habe ich gezählt! Vier Damentoiletten in einem Museum, das Millionen gekostet hat! Vier! Müssen Stararchitekten nie aufs Klo? Da ich unten keine weiteren Hinweisschilder auf Toiletten gesehen hatte, begebe ich mich in die Ausstellung, in der Hoffnung, dort etwas zu finden. Der Weg ist auch ausgeschildert – doch mein Ziel wegen Sanierungsmaßnahmen geschlossen. Und die nächste Toilette befindet sich einen Stock höher, für die Treppe muss man wieder ein ganzes Stück zurückgehen… Es ist aber nochmals alles gut gegangen. Aber der Museumsbesuch erhält dadurch keinen optimalen Auftakt.

Klingende Ausstellung

Geschrieben von am 10. Juni 2008 10:25

In Paris kann man den Mai 1968 hören: Im Rathaus des 18. Arrondissement wurde eine typische Wohnung konstruiert, wie sie im Mai 1968 eine vierköpfige Arbeiterfamilie bewohnt haben könnte. Die Besucherin erwartet in den Räumen ein „parcours ludique LA BANDE SON DE MAI 68„. In der Küche hört maman Charles Aznavour, während beim Sohn von Jacques Dutronc „Il est 5 heures Paris s’éveille“ oder von Steppenwolf „Born to be wild“ läuft. Ergänzt werden die Hörräume von Plakaten, Fotografien, Zeitungsausschnitten, authentischen Straßengeräuschen von Demonstrationen, von Filmausschnitten – wie etwa die Nachrichtensendungen von Mai 1968 oder Episoden der Comicserie Les Shadoks, die damals entstand. Bevor man in die Wohnung kommt, muss man erst einmal einen „panier à salade“ queren – einen Polizeiwagen, in dem berühmte oder weniger berühmte Zeitgenossen über ihren Lieblingshit von Mai 68 reden. Ich finde, das klingt gut.
Hier kann man filmische Interviews ansehen, in denen etwa der frühere Premierminister Lionel Jospin oder Georges Moustaki über ihre Lieblingslieder von Mai 68 reden. Und hier steht etwas über die Ausstellung in Le Monde.
Noch bis zum 5. Juli.
Mairie du 18e,
1, place Jules Joffrin
75018 Paris, Metro Jules Joffrin

von Montag -Freitag: 8.30 bis 17 Uhr (Do bis 19.30 Uhr) und Samstag von 9 bis 12.30 Uhr

Geliebt, gehasst, geköpft – und wiederentdeckt

Geschrieben von am 2. Juni 2008 16:45

Noch bis Ende des Monats zeigt das Pariser Grand Palais eine Ausstellung über Marie-Antoinette. Mehrere Biografien aber vor allem der Film von Sofia Coppola haben die unglückliche Königin wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.
Die Szenografie des Kanadiers Robert Carsen, ist überaus geglückt. Man merkt, dass Carson vom Theater kommt, er weiss die einzelnen Stationen effektvoll in Szene zu setzen. Die Ausstellung zieht sich durch Zimmerfluchten, zuerst in fröhlichem, warmen Rot wird die unbeschwerte Kindheit der Erzherzogin am Wiener Hof dargestellt, bevor zartes Lichtblau ihre ersten Jahre am französischen Hof symbolisiert. Kühler aber dennoch hell und unbeschwert ist der Hintrgrund. Die Bilder der französischen Königsfamilie zeigen, ausser dem alternden Louis XV, Halbwüchsige, fast noch Kinder (Louis XVI, seine Brüder, Schwestern und Schwägerinnen), ein Umfeld in dem die lebenslustige Österreicherin anfangs bewundert und geliebt wird. Zahllose Bilder, Büsten, Stiche sollen die Thronfolgerin auch dem einfachen Volk nahebringen. Immer toller und aufwendiger werden Vergnügungen, Moden, Frisuren bevor die Zeit der neuen (stilisierten) Einfachheit kommt. Zartes Grün umgibt die Möbel und Dekorationsobjekte die Marie-Antoinette ohne Unterlass für ihre verschiedenen Schlösser und vor allem für ihr geliebtes Trianon anfertigen lässt. Eine Theaterkulisse dient als bukolischer Rahmen für die Porträts ihres Freundeskreises der sie nach und nach dem offiziellen und einflussreichen Hofadel entfremdet. Die Farben verdüstern sich. Auch die Porträts Marie-Antoinettes im Kreise ihrer Kinder vermögen die öffentliche Meinung nicht mehr zu beeinflussen. Immer dunkler und leerer wird es um sie – und um den Besucher. Der letzte Raum ist schwarz, an den Wänden rechter Hand, die Karikaturen, Spott- und Hassschriften, auf der linken Seite Auszüge aus ihren letzten Briefen die immer hoffnungsloser werden. Einige wenige, armselige Gegenstände zeugen von der Härte ihrer Gefangenschaft. Und schliesslich an der dem Eingang gegenüberliegenden Schmalseite von einem Rahmen in Form eines dunkelroten Schafottes umgeben, ihr letztes Bild, eine kleine Zeichnung die sie auf dem Schinderkarren zeigt. Tragisches Ende der Geschichte einer lebenslustigen und unkonventionellen jungen Frau (sie ist 38 Jahre alt als sie geköpft wird).
Die Objekte und Bilder sind geschickt gewählt, vielfältig ohne den Besucher zu erdrücken, die Texte sind gut lesbar, nicht zu lange aber informativ, zeitgenössische Musik ergänzt die visuellen Eindrücke. Eine, meiner Meinung nach, beispielhafte Ausstellung über eine historische Persönlichkeit die dazu anregt, sich im Anschluss in eine der zahlreichen Biografien zu vertiefen – besonders empfehlenswert jene von Stefan Zweig!

Archiv

Noch was

Archiv