Ausstellungswürdig?

Geschrieben von am 15. September 2009 16:10

Was ist guter Geschmack? Spätestens seit Pierre Bourdieu wissen wir ja, wie sich Geschmack ausbildet. Doch wie sehen die Dinge des schlechten Geschmacks aus? Dieser Frage geht das Werkbundarchiv im Museum der Dinge in der Ausstellung Böse Dinge. Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks in Berlin nach.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Geschmacks-Kategorien von Gustav E. Pazaurek, Museumsdirektor im Landesgewerbemuseum in Stuttgart, der 1909 dort die „Abteilung der Geschmacksverirrungen“ einrichtete.
Dinge zeugen nach Pazaurek entweder von gutem oder schlechtem Geschmack. So heisst es auf der Ausstellungsseite des Museums der Dinge:

„Die strafrechtlichen Kategorien, mit denen Pazaurek die Dinge etikettierte, lesen sich wie eine Metaphorik des Bösen. Die Bösartigkeit der Dinge bezieht sich dabei nicht auf Taten, die mit ihnen ausgeführt werden könnten, nicht auf ihren Zweck oder ihren Zeichencharakter, sondern auf das Böse bzw. Schlechte, das sich in ihrer Ausführung, Gestaltung und in ihrer Funktionsfähigkeit manifestiert.“

Der Werkbund stellte einige der von Pazaurek gesammelten Stücke zeitgenössischen Stücken gegenüber, verlängert also die Geschmacksverirrungen bis in die Gegenwart. Freilich setzt man nun auf andere Prämissen. Verwies für Pazaurek ein „böses“ Ding etwa auf ästhetische oder materielle Mängel, so liegt das Böse heute eher bei „sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren“, wie es im Ausstellungstext heisst. Wie etwa das mit Schmucksteinen verzierte Handy, das es sogar zum Ding des Monats schaffte.

Besucherinnen werden gebeten, solche Dinge von zu Hause mitbringen; sie werden dann ausgestellt. Oder zerstört: Wohl nur Ende August war die Destruktionsmaschine von Antoine Zgraggen zu Gast, die eine radikale Lösung für das eine oder andere Stück anbot.

Interessant ist auch, dass sich die Einrichtung, die in Deutschland für die guten Dinge schlechthin steht, Sorgen macht, man könne etwas aus ihrem Sortiment in die Ausstellung bringen: so fordert Manufactum in den letzten Hausnachrichten dazu auf, diese Stücke doch bitte zu melden.

Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Januar 2010 zu sehen. Hier ein Einblick zum Hören in Deutschlandradio Kultur und hier etwas zu lesen in der taz und hier auf Fr-online.

Man spricht Deutsch

Geschrieben von am 14. September 2009 17:45

Während der kommende dgv-Kongress („Mobilitäten“, 27.-30.9.2009 in Freiburg im Breisgau) unter anderem von den zögerlichen Versuchen volkskundlicher (im weiten Sinne) Museen, moderne Migration darzustellen berichten wird, hat das Österreichische Museum für Volkskunde ein originelles und intelligentes Projekt entwickelt.

Migranten sind dabei nicht das Objekt einer Ausstellung oder passives Publikum sondern aktive Teilnehmer. Nicht über sie sondern mit ihnen wird gearbeitet, das Museum wird für sie zum Erlebnisraum, zum Tor in eine – eventuelle – neue Heimat.
Neue, immer striktere, Einwanderungsbestimmungen verlangen heutzutage in den meisten Ländern Europas dass Kandidaten für Aufenthaltsgenehmigungen Kenntnisse über das Aufnahmeland und dessen Sprache nachweisen müssen. Und wo kann das besser geschehen als im Museum, fragte sich Katharina Richter-Kovarik, Kulturvermittlerin am ÖMV und Sprachtrainerin. Sie entwickelte in der Folge spezielle Rundgänge sowie Begleitmaterial das zusätzliche Informationen und ein Glossar bietet.
Die Teilnehmer müssen beispielsweise verschiedene Objekte in der Schausammlung finden, Fragen dazu beantworten und sie dann den anderen Gruppenmitgliedern vorstellen. „Es ist uns wichtig, alle vier sprachlichen Fähigkeiten, nämlich Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören zu schulen“, betont Katharina Richter-Kovarik.
Senioren, eine andere Zielgruppe aktiver Museumsintegrierung, nehmen ebenfalls an den Kursen teil, um diverse Objekte des täglichen Lebens aus eigener Erfahrung zu erklären. Land und Leute, Geschichte und Sprache, Eigenes und Fremdes, all dies fliesst ein und ermöglicht ein besseres gegenseitiges Verständnis.
Das Programm wurde 2008 für den Österreichischen Staatspreis für Erwchsenenbildung im Rahmen des „Interkulturellen Jahres“ nominiert und es wäre zu hoffen, dass es in Zukunft auch von anderen Museen aufgenommen wird.
Mehr dazu in der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde LXIII/112, 2009, p.98-102 und auf der website des ÖMV

Sitzen im Museum XIII

Geschrieben von am 12. September 2009 09:22

Sie sind schön anzusehen: die Sitzgelegenheiten in den Galeries de Paléontologie et d’Anatomie comparée des naturhistorischen Museums von Paris.

Nicht immer ist es allerdings ratsam, sich auch hinzusetzen:

Kultur in Köln

Geschrieben von am 11. September 2009 09:46

Köln hat es schwer mit der Kultur: erst versinkt das historische Archiv im U-Bahn-Schacht, dann wird aus dem Plan mit dem jüdischen Museum nichts und nun hat das Stifterehepaar, das der Stadt einen Anbau für das Kölnische Stadtmuseum finanzieren wollte, seine Zusage zurückgenommen. Kulturelle Einrichtungen haben es in Köln schwer, langfristig auf festem Grund zu stehen.

Liest man den Kölner Stadt-Anzeiger oder die Welt online, so hat man den Eindruck, dass es sich bei dem Erweiterungsbau um einen großen Verlust handelt. Und die Schuldigen sind auch schon ausgemacht: PolitikerInnen von den Grünen und Linken, die unbequeme und überflüssige Fragen stellten.

Andere Quellen wie der WDR3 sind da schon etwas differenzierter.
Hier kann man sich anhören, dass es sich eigentlich um gar kein richtiges Geschenk gehandelt hätte – zuviele Klauseln, zuviel Kleingedrucktes, zuviel Rechte, die sich die Stifter vorbehalten hätten. Der Erweiterungsbau sollte schlüsselfertig übergeben werden, gebaut werden sollte nur mit einem bestimmten Architekten und einem Bauunternehmen – das widerspricht dem geltenden EU-Recht. Die Stifter hätten sehr viele Bedingungen gestellt, u.a. hätten sie oder ihre Erben den Erweiterungsbau jederzeit zurückverlangen können. Die Stadt hätte sich auf diese Weise in unabwägbare Abhängigkeiten begeben.

Vom Stadtmuseum selbst war in den Medien immer nur ganz am Rande die Rede: so, wie sich das anhörte, hätte das Museum nur sehr wenig zur Gestaltung zu sagen gehabt.
So gesehen ist es also eher positiv zu bewerten, dass eine solche unglückliche Form des Mäzenentums nicht realisiert wird. Es ist also doch wieder einmal alles gutgegangen!

Figurinen XII

Geschrieben von am 7. September 2009 13:56

Figurinen lauern überall. In der kleinen Stadt Rain am Lech lümmeln sie auf diese Weise im Heimatmuseum:*

mit Dank an Beate Spiegel!

Wasser und Kunst

Geschrieben von am 6. September 2009 12:12

Wer sich beeilt und in Hamburg wohnt, schafft es vielleicht noch zur Ausstellungseröffnung von KlimaWasserWerke – Kunstpositionen im Fluss im ehemaligen Wasserwerk Wilhelmsburg.
Malerei, Fotografie, Multimedia und Installation sind die Mittel, mit denen sechs Künstlerinnen ihre Blicke auf das Wasser in Szene setzen. Der Schwerpunkt liegt auf Wasser, da Wilhemsburg im Wasser liegt – auf einer Elbinsel. Wer sich auf den Weg macht, wird auch noch die Performance des U-Boot-Orchesters erleben können.

Die Ausstellung findet im Rahmen der Internationalen Gartenschau statt, die 2013 in Wilhelmsburg veranstaltet wird.
Die Ausstellung läuft dann noch bis zum 27. September.

Auch diese Post schließt

Geschrieben von am 31. August 2009 14:36

Erreicht die Wirtschaftskrise nun die Museen?

In Hamburg schließt zum 18. Oktober 2009 das Museum für Kommunikation, wie am 26. August aus dem Hamburger Abendblatt zu erfahren war. Das Museum gehört zur Museumsstiftung Post und Telekommunikation; die Museen in Berlin, Frankfurt am Main und Nürnberg sollen weiter bestehen bleiben. Die Objekte des Hamburger Museums, das (noch) in der ehemaligen Oberpostdirektion am Stephansplatz untergebracht ist, sollen in den Depots der Stiftung eingelagert werden – auch für die Geschichte Hamburgs bedeutsame Stücke. Die sehenswerte Dauerausstellung von 1999, die der Lage entsprechend einen maritimen Schwerpunkt hat, sollte man sich also unbedingt noch einmal anschauen. Es geht vor allem um die Übermittlung von Nachrichten an den Küsten, am und im Meer – also um Flaschenpost, Wattenpostkutsche und um das erste Transatlantikkabel. Die Schließung wurde in der Museumsstiftung schon im Juli beschlossen:

„Bei einer außerordentlichen Sitzung hat das Kuratorium am 7. Juli beschlossen, den Standort Stephansplatz Mitte des Jahres 2010 aufzugeben und das Museum an keinem neuen Standort weiterzuführen. Für das Publikum wird das Museum bereits am 18. Oktober geschlossen“, sagte Morbach. Grund seien die Pläne des Investors, der das Gebäude gekauft habe und demnächst ein Klinikum hier errichten werde. „Eine Fusion mit einem anderen Hamburger Museum erwies sich als unrealisierbar. Da wir nicht über die finanziellen Mittel verfügen, das Museum an einem neuen Standort wettbewerbsfähig zu etablieren, ist die Schließung nun leider unvermeidlich“, sagte Morbach.“

Über eine Schließung war anscheinend schon länger debattiert worden. Schuld sind weniger mangelnde Besucherzahlen, sondern wohl die allgemeine Sparpolitik bei der Deutschen Post und bei der Deutschen Telekom, den Trägern der Museumsstiftung. Das ist bedauerlich, denn der Besuch im Hamburger Museum für Kommunikation lohnte immer – vor allem auch mit Kindern. Auch ist es sehr schade, dass keine Hamburg-interne Lösung gefunden werden konnte: „Wir sind nicht zuständig, da es sich um eine bundesunmittelbare Stiftung handelt, „so wird im Abendblatt die Kulturbehördensprecherin Ilka von Bodungen zitiert.

Es darf gelacht werden

Geschrieben von am 26. August 2009 14:08

Linz in Oberösterreich, einst vor allem für seine Stahl- und Chemieindustrie bekannt (berüchtigt) ist heuer europäische Kulturhauptstadt. Gelegenheit also, mit dieser von Touristen bisher eher links liegen gelassenen Stadt Bekanntschaft zu schliessen. Die frühere übel riechenden Abgaswolken aus den Fabriksschloten sind ja bereits seit längerem von der „Klangwolke“ abgelöst worden und der niedergehenden Schwerindustrie hat die Stadt mit zukunftsträchtigen Techniken und Hinwendung zum zeitgenössischen Design gekontert. Die „ars electronica“ wurde zu einem internationalen Begriff. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

In Versailles

Geschrieben von am 31. Juli 2009 11:44

Wir bleiben in Frankreich: Herr Zitzmann hat sich für die NZZ das Schloss Versailles angeschaut und staunt über die Menschenmassen, die 3-4 Stunden für ein Ticket und dann für den Eingang anstehen:
„Kein Museum von Weltrang dürfte seine Besucher derart schlecht empfangen.“
(Konkurrenz könnte allerdings aus Italien kommen: Die Uffizien in Florenz hätten auch gerne diesen Platz).
Zugleich staunt Herr Zitzmann darüber, dass sich niemand außer ihm für eine Führung in den beiden geschlossenen Etagen im Petit Trianon, dem Schloss von Marie Antoinette, interessiert. Zitzmann situiert Versailles irgendwo zwischen Disney und Service public. Alles drehe sich in Versailles letztendlich um Vermassung sprich Vermarktung.

Frappiert war ich auch über den Hinweis auf die Eintrittskosten, die seit 2005 um 80 % gestiegen sind! Auf der Internetseite ist reichlich unübersichtlich aufgelistet, was man für welche Gebäude und die Besichtigung des Parks bezahlen muss – für 20 Euro kann man auf alle Fälle alles sehen. Da kann man froh sein, eine ICOM-Karte zu besitzen oder unter 26 Jahre jung zu sein und aus einem EU-Land zu kommen – denn für den oder die ist der Eintritt frei.
Für Monsieur Aillagon, seit zwei Jahren Präsident von Schloss und Park, dessen Blog wir hier schon vorgestellt haben, bleibt einiges zu tun.

Wir empfehlen natürlich das ganze Programm, aber eher nicht im Sommer und natürlich unter der Woche. Vor allem sollte man sich für den Park und den Weiler von Marie Antoinette Zeit nehmen. Und zur Vorlektüre wird das hier (etwas Eigenwerbung kann ja nicht schaden), empfohlen.

Im Louvre spazieren gehen

Geschrieben von am 28. Juli 2009 16:30


Irgendwo hatte ich gelesen, dass es die sogenannten arts premiers im Louvre – also die im April 2000 im Pavillon des Sessions eingeweihten Räumlichkeiten nicht mehr gibt. Die 140 Werke aus Afrika, Asien, Süd- und Nordamerika und Ozeanien, die den Prolog zu dem damals in Planung befindlichen Musée du quai Branly bildeten, wären nun dorthin umgezogen. Auch Pariser Freunde waren sich unsicher, ob die Stücke überhaupt noch zu sehen sind.

Auf der Internetseite des Louvre ist nichts zu finden – denn wo sollte man hier zum Beispiel (siehe links) anfangen zu suchen? Auch mit dem Stichwort „Pavillon de Sessions“ war nichts Aktuelles auf der Seite zu finden – außer einem Link zur Startseite des Musée du quai Branly. Im zuverlässigen „l’officiel des spectacles“, dem günstigen Heft mit allen wichtigen aktuellen kulturellen Daten von Paris (das, seit ich es kenne, noch nie das Layout geändert hat), steht die Abteilung immerhin drin. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

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