Sitzen im Museum XII

Geschrieben von am 25. Januar 2009 16:47


Hier ließe es sich hinlümmeln, lang ausstrecken, sogar ein Schläfchen machen – aber die Sitzbänke im Naturhistorischen Museum in Wien sind verwaist. Nicht deshalb, weil in diesem Museum an einem Sonntagmorgen keine BesucherInnen da wären. Sondern darum, weil das Museum so aufregend und packend ist, es so viel zu sehen und zu bestaunen gibt, dass die BesucherInnen gar keine Zeit haben, überhaupt einmal ans Sitzen zu denken.

Rosige Zeiten für die Kultur in Frankreich

Geschrieben von am 15. Januar 2009 17:26

Der französische Staatspräsident hat am 13.1. in Nîmes eine Rede gehalten, in der er der Kultur seine Unterstützung verspricht. In Le Monde kann man nachlesen, was der Präsident in Sachen Kultur so vorhat: er möchte nicht, wie schon befürchtet wurde, das Kulturministerium abschaffen und kürzt auch nicht dessen Etat – im Gegenteil, einige Bereiche erhalten sogar eine Aufstockung. Eine andere Maßnahme wird den Staat auch noch zusätzliches Geld kosten: wer jünger als 25 Jahre ist, soll ab April 2009 künftig umsonst in die staatlichen Museen dürfen. Sarkozy kündigte noch weitere Aktionen an, wie etwa eine Art Kunstrat, den der Regisseur Marin Karmitz leiten soll. Und er kündigt die Gründung eines französischen Geschichtsmuseum an – diese noch etwas vage Ankündigung bringen sicherlich viele Vermutungen hervor, wie und wo – als Standort im Gespräch ist etwa das Hôtel des Invalides, in dem sich neben dem Armeemuseum einige weitere Museen befinden.

Und, es geschehen noch Zeiten und Wunder, hat er etwas angekündigt, was von vielen lange erwartet wurde: Sarkozy möchte, dass das lange geplante, immer wieder verschobene Mucem, das Museum der Zivilsationen Europas und des Mittelmeeres in Marseille 2012 die Pforten öffnet. Da die Ankündigungen von Staatspräsidenten in Frankreich stets umgesetzt werden, kann man ja schon einmal die Reise nach Marseille planen.

Warum man sich diese Ausstellung anschauen sollte

Geschrieben von am 9. Januar 2009 12:12

RECOLLECTING. Raub und Restitution – so heißt die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst MAK in Wien, die man sich unbedingt anschauen sollte. Der Titel macht es schon deutlich: es geht um das Hab und Gut, das jüdischen BürgerInnen in Österreich zur Zeit des Nationalsozialismus auf unterschiedliche Art und Weise geraubt wurde und welches ihnen oder ihren ErbInnen auch noch lange Zeit nach 1945 vorenthalten wurde. In der Ausstellung sind nicht nur hochkarätige Kunstobjekte zu sehen, sondern auch Gegenstände des Alltags, etwa ein Auto, Bücher oder Möbelstücke. Die Geschichte jedes der rund 100 Exponate wird sorgsam beleuchtet; offizielle Briefe oder Listen offenbaren, wie die Enteignung durchgesetzt wurde, wie die BesitzerInnen darauf reagierten und was mit den Gegenständen geschah – und welches Schicksal die BesitzerInnen erfahren mussten. Wertvolle Provenienzforschung wird hier transparent gemacht und zeigt aber zugleich auf, wie viele Lücken noch vorhanden sind. Nicht für alle Objekte konnten Erben ausgemacht werden. Erschreckend ist auch zu sehen, wie die Bürokratie nach 1945 nahezu reibungslos weiter funktionierte und die Ansprüche der rechtmäßigen BesitzerInnen einfach abgeschmettert wurden.
Ergänzt werden die Geschichten der Gegenstände und ihrer BesitzerInnen durch zeitgenössische künstlerische Positionen, die nochmals einen völlig anderen Blick erlauben.
Eine höchst aufwühlende, notwendige und auch sehr gut gemachte Ausstellung. Bis zum 15.02.2009ist sie noch in der MAK-Ausstellungshalle zu sehen.

Eine Ausstellung mit demselben Titel, Raub und Restitution, läuft gerade im Jüdischen Museum in Berlin.

Fußballgeschichten

Geschrieben von am 7. Januar 2009 16:56


Noch im letzten Jahr hat das Borusseum in Dortmund geöffnet, ein Fußballmuseum über den BVB Dortmund, also in erster Linie ein Vereinsmuseum. Es ist das Museum über Fußball und die Dortmunder Fans. Fußball ist in Dortmund eine Herzensangelegenheit und die Ausstellung versucht dieser Verbindung, die mit der Vereinsgründung 1910 beginnt, auch einen emotionalen Raum zu geben. Ausstellungsinseln zu einzelnen Etappen gliedern den Raum; es geht natürlich um die Geschichte des Vereins, aber auch um Stadtgeschichte, um die Stadien, die NS-Zeit, um Fankultur, Spieler und Trainer. So wurde beispielsweise die Gründungskneipe am Borsigplatz rekonstuiert: hier wird die Schlachtplatte präsentiert, die den Gegnern nach dem Spiel kredenzt wurde, aber auch der Streit mit der Kirche und die Sympathie des Vereins für die Arbeiterbewegung thematisiert. Die Umsetzung klingt sehr schlüssig und gelungen – auf alle Fälle habe ich den Eindruck, dass auch andere hier Spaß haben werden.

Mit Hartz IV ins Museum

Geschrieben von am 22. Dezember 2008 15:44

Na, wenn das mal keine Weihnachtsnachricht ist: bis zum 8. Februar können in Dresden sächsische Hartz IV-EmpfängerInnen und Angehörige umsonst in die Staatlichen Museen gehen. So oft, wie sie wollen und in jede Ausstellung, die Kundenkarte der ARGE dient als Eintrittskarte. Schöne Aktion, könnte und sollte länger dauern.

Hier kann man nachlesen, warum der ehemalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin gegen den freien Eintritt ist, hier, weshalb Hanno Rauterberg dafür ist und Gottfried Fliedl erinnert uns in seinem Glossar: „Die Einhebung einer Eintrittsgebühr ist – neben der Regelung der Öffnungszeiten -, das wichtigste Instrument der Museen zu Herstellung sozialer Distinktion.“

Hollands Blick auf die Welt

Geschrieben von am 17. Dezember 2008 18:08

– im Tropenmuseum in Amsterdam. Ein Museum in dem man Stunden verbringen kann, immer wieder Neues entdeckt und Lust hat wieder zu kommen. Kann man Schöneres von einem Museum sagen?

Seit mehr als 10 Jahren unterzieht sich das Tropenmuseum einer langsamen Wandlung. Vom einstigen Kolonialmuseum ist es inzwischen zu einem lebendigen Museum aussereuropäischer Kulturen geworden. Die Geschichte des holländischen Kolonialismus wird dabei keineswegs verschwiegen sondern bewusst und (selbst)kritisch eingearbeitet. Den Objekten aus der „klassischen“ Sammlung stehen heutige Produkte des täglichen Gebrauchs ebenso gegenüber wie Werke und Installationen zeitgenössischer Künstler. Dies ist ein ganz bewusster Wunsch der Amsterdamer Museumsdirektion, um einerseits ein neues Publikum anzusprechen und andererseits zu zeigen, dass auch ausserhalb Europas und der anderen grossen Industrienationen durchaus interessante Kunst entsteht.
Moderne Technik steht neben altbewährten – und oft als antiquiert angesehenen –  Gestaltungselementen. Beispiel: im Bereich Latein-/Südamerika kann man in einem nachempfundenen Café sitzen, an einer Wand eine Vitrine die dem populären Catch gewidmet ist und auf einem Fernseher in der Ecke verschiedene emblematische Ereignisse bzw. Personen abrufen (Eva Peron, Che Guevara, „Mann mit der Silbermaske“…). Will man mehr wissen, geht man durch die spärlich beleuchtete „Strasse“ ins Cybercafé um am Computer seine Recherchen weiterzuführen.
Im „islamischen“ Bereich duften die Gewürze in grossen Säcken unter einer Coca Cola Reklame, in der Jukebox kann man zwischen modernem Türkenpop, mittelalterlicher Lautenmusik oder einem Video einer ägyptischen Schönheit wählen, die singend und bauchtanzend die Strassen Prags (!) durchwandert oder sich Hochzeitstänze und -gesänge aus dem Hohen Atlas ansehen.
Ernsthafte wissenschaftliche Arbeit muss nicht unvereinbar mit Humor sein. Kein Objekt ist isoliert, aktuellen Fragestellungen wird ebensowenig ausgewichen wie einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Alle Texte sind zweisprachig (holländisch und englisch), nicht zu lang doch ausreichend informativ und Dank des Einsatzes moderner interaktiver Medien jederzeit erweiterbar.
Ein absolutes Lieblingsmuseum!

Die andere Art, außereuropäische Kulturen auszustellen

Geschrieben von am 9. Dezember 2008 10:58


Die Kisten im Völkerkundemuseum in Wien sind ausgepackt – seit 19. November bietet das Haus Einblicke, wie ein Völkerkundemuseum in der Gegenwart ausstellen kann. Einblicke in die Sammlung vermittelt der neue Teil der Schausammlung. In 21 Vitrinen wird religiöse Kunst aus Süd-, Südostasien und Himalayaländer gezeigt; jede Vitrine steht für sich und bindet neben den Objekten, Texte, Fotografien oder andere Medien mit ein. Ganz deutlich beziehen die Kuratoren damit gegen das ästethisierende Prinzip Musée du quai Branly Stellung:
So heißt es auf der Internetseite zur Ausstellung:

„Obwohl die gezeigten Objekte dem Bereich „religiöse außereuropäische Kunst“ zugeordnet werden können, steht in ihrer Darstellung im Museum für Völkerkunde nicht die Ästhetisierung fremdkultureller Objekte und deren Verwandlung in Werke „nicht- europäischer Kunst“ im Vordergrund, sondern ein Verständnis der durch sie repräsentierten Inhalte und kulturellen Zusammenhänge.“

Ich habe selten bei einer Ausstellunsgeröffnung so viele interessierte BesucherInnen gesehen. Warum es mehrfach lohnt, sich diese neue Präsentation der Schausammlung anzusehen, sind die anderen Ausstellungen, die noch weitere Einblicke in die außereuropäischen Kulturen in Vergangenheit und Gegenwart bieten: Das ist die Ausstellung „Zeitreise Tibet“ mit Fotografien von Barbara Krobath; die Ausstellung „Kunstvoller Widerstand“ mit zeitgenössischer Kunst aus Sri Lanka und die monographische Ausstellung sowie die objekt-monographische Ausstellung Straps & Bands – die Privatsammlung eines Arztes, die nun zum Museum gehört.

Das Museum in der Presse:
Im Kurier, im Orf-Magazin und bei APA Zukunftswissen

Upside Down

Geschrieben von am 7. Dezember 2008 19:49

Das Musée du Quai Branly (Paris) zeigt zur Zeit die Ausstellung „Upside Down – les Arctiques“. Doug Wheeler, amerikanischer Experimentalkünstler und Szenograph der Ausstellung und Edmund Carpenter, Filmemacher und Anthropologe, ihr Kommissär wollen sie bewusst ohne Kommentare um den Besucher zu einer virtuellen Wanderung durch die Polarwelt einzuladen. Einzige Informationsquelle, eine kleine Broschüre die Objektekartelle und andere Texte ersetzen soll.

Der Raum ist in bläuliches Licht getaucht, durch die grossen gefärbten Glasfenster sieht man schemenhaft die Bäume des umliegenden Gartens, die Vitrinen von unten mit Neonröhren erleuchtet erinnern an Eisblöcke, die Beschallung lässt den Wind auf den riesigen Eisflächen erahnen. Das alles sieht auf dem Papier chic und trendy aus. In der Realität gehen die Besucher ratlos (und fröstelnd) zwischen den Glaskästen herum, wissen nicht was sie sehen. Die Objekte, Masken, kleine Skulpturen, sind berührend schön, mit einer bewunderungswürdigen Finesse ausgeführt, fremdartig… Man möchte so vieles wissen. Man möchte wissen wer die Menschen sind die diese zauberhaften kleinen Eisbären geschnitzt haben, wer diese Masken trug und warum… das magere Heftchen gibt kaum Antworten, die zum Grossteil sehr kleinen Objekte sind oft auf Kniehöhe angebracht, die zur Verfügung gestellte Lupe macht die Frustration nur noch grösser. Warum nicht wenigstens ein kurzer Film im Eingangsbereich, der erlaubt die Gegenstände zu situieren, mehr über ihre Erzeuger und Benutzer zu erfahren? Ein Film wird dort allerdings gezeigt: ein Willkommentanz bei dem die Bilder auf dem Kopf stehen…
Der Quai Branly bleibt sich treu: „Volkskunst“ soll schön zum Anschauen sein, auf den Rest pfeift man!

Sitzen im Museum XI

Geschrieben von am 6. Dezember 2008 11:24


Aufrecht sitzen im Pergamonmuseum in Berlin, dafür mit Ansicht.

Überraschende Nominierung

Geschrieben von am 1. Dezember 2008 16:28

Italiens Regierung ist immer für Überraschungen gut: diesmal kommt sie aus der Museumsszene. Da wurde nämlich der 63 jährige Mario Resca zum Direktor der nationalen Museen und Galerien ernannt.  Resca ist weder Kunsthistoriker noch Museumsmanager, sondern „schlichter“ Museumsbesucher wie er in einem Interview feststellte. Er habe auch nichts über fast-food gewusst bevor er McDonalds leitete, und nichts über Glücksspiel bevor er zum Kasinodirektor ernannt wurde… Einig sind sich aber alle über seine Manager Fähigkeiten. Und daran scheint Bedarf zu sein, ist doch kein einziges der italienischen Museen unter den internationalen Tophäusern zu finden. Seine Ambition ist es, das Image der Kunstsammlungen aufzuwerten, den Kulturtourismus anzukurbeln und dem Vorbild des Louvre im internationalen Ausstellungsaustausch zu folgen. Man darf gespannt sein…

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