Die Sammlung in Szene setzen

Geschrieben von am 5. November 2009 09:47

Besucht man das Musée d’Ethnographie in Neuchâtel, dann weiss man, dass man sozusagen eine sichere Bank betritt (als diese noch sicher waren): Gute Ausstellungen sind hier garantiert.
Das betrifft nicht nur die hier schon vorgestellte Ausstellung Helvetia-Park, sondern auch die Präsentation der ständigen Sammlungen. Retour d’Angola, die seit Dezember 2007 laufende Ausstellung, ist allein deswegen sehenswert, da sie sich mit einer zentralen Frage in ethnographischen Museen auseinandersetzt: wie gehen wir mit unserer Sammlung um?

Die Ausstellung würdigt Théodore Delachaux (1879-1949), Schweizer Künstler und Sammler, zwischen 1921 und 1945 Konservator und Forscher am MEN. Delachaux organisierte und begleitete zwischen 1932 und 1933 die Forschungsreise nach Angola, um Objekte für das Museum zu sammeln.
Die Ausstellung möchte aber noch mehr: sie nimmt die ethnographischen Methoden der Zeit unter die Lupe, das Forschen, das Sammeln, verfolgt den Weg, wie Gegenstände zu Museumsobjekte werden und was mit Objekten im Museum passiert – in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Die Ausstellung thematisiert das in vier Stationen: Vorbedingungen, Aufbruch, das Terrain und das Zurückkommen und der Umgang mit den Objekten.

Im ersten Raum „Das Entstehen des Blickes“, von dem auch das Bild (vom MEN) stammt, geht es um Delachaux und seine vielfältigen Talente als Maler und Zeichner – etwa von Plankton schon – mit 10 Jahren schon publizierte Delachaux ein erstes Buch mit seinen naturwissenschaftlichen Zeichnungen. Die Karriere als Maler und Kunstlehrer, gleichzeitig als Konservator am Museum wird thematisiert. Fast in Gänze gezeigt wird seine Spielzeug-Sammlung, die er schon als Kind anlegte. Die Präsentation ist sehr interessant: auf den ersten Blick wirkt der Raum wie eine anheimelnde Wunderkammer, eine Gelehrten-Stube. Doch die Vitrineninstallation hat so gar nichts Anheimelndes, sondern etwas Seziererisches und verweist auch schon auf die Perspektive des Forschers. Delachaux hatte auch klare museologisch Vorstellungen: zwei Vitrinen wurden nach seinen Vorgaben rekonstruiert.
Im Raum „Im Abschiedsfieber“ wird mächtig inszeniert: Listen von Delachaux mit Gegenständen, die mitgenommen werden müssen, Briefwechsel und Notizen sind übergroß auf Fahnen appliziert. Damit soll das Programm der Expedition nach Angola nachvollzogen werden. Im Mittelpunkt stand hier vor allem: Lücken füllen.
Im nächsten Raum ist man schon vor Ort – Im Terrain. Das Terrain wird vor allem mit Fotografien inszeniert. Delachaux setzte schon sehr früh auf die Fotografie. In Angola fertigte er und sein Kollegen Thiébaud über 2500 Fotos an, die nun auf zwei Ebenen gezeigt werden – auf einer eher künstlerischen und auf der dokumentarischen.
Im letzten Raum „Das große Auspacken“ sind wir wieder zurück im Museum und schauen uns sozusagen an, was wir alles mitgebracht haben. Das beginnt mit dem Schock: wie und wo bringt man überhaupt die über 3500 gesammelten Objekte unter? Vor allem geht es darum, wie die mitgebrachten Objekte eingeordnet, beschrieben, restauriert und klassifiziert werden – damals wie heute. Eine Installation im Raum widmet sich den Meisterwerken – denen, die bereits vom Kunstmarkt akkzeptiert sind und hohe Preise erzielen (könnten) und denen, die möglicherweise noch Wertsteigerungen erfahren werden.

Die Ausstellung endet mit Fragen – die symptomatisch für viele Sammlungen stehen können – wie: Sind jetzt die Lücken im Museum wirklich gefüllt? Haben die Objekten noch eine Verbindung zu den Ursprungs-Populationen? Sollen wir sie wieder zurückgeben? Wie wird sich der Marktwert entwickeln und was hat das mit dem Museum zu tun?
Im Zentrum steht eine Antwort, die Delachaux häufig in Angola hörte: Das kann ich nicht verkaufen, das gehört mir nicht – quasi die Quintessenz für museale Sammlungen. Die letzte Frage lautet deshalb konsequenterweise: Rückkehr nach Angola?

Es ist eine sehr sympathische Ausstellung, weil sie sich ganz unaufgeregt mit zentralen Fragen im Museum beschäftigt und zugleich sehr beispielhaft argumentiert. Die Ausstellung ist abwechslungsreich inszeniert, ohne überinszeniert zu wirken.

Die Ausstellung begleitet eine Broschüre der Reihe Texpo, ein Begleitbuch wird demnächst erscheinen.

Kluger Spass im Museum

Geschrieben von am 29. Oktober 2009 17:34

Helvetia Park heisst die Ausstellung, die zur Zeit im Musée d’Ethnographie in Neuchâtel zu sehen ist. Zu sehen ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck, denn die Ausstellung ist im schönsten Sinne des Wortes interaktiv. Bei der Kasse erhält die Besucherin einen kleinen Stapel Münzen, die sinnigerweise Heidi heissen. Mit den Heidis ausgerüstet, begibt man sich in die Museumsräume und sieht sich als erstes einer Schießbude, einem Karussell und einem Autoscooter (ich kenne das unter dem Namen Boxauto) gegenüber. Helvetia Park ist eigentlich ein Jahrmarkt, mit Karussel, Geisterbahn und Wahrsagerin – aber um sich alles genau ansehen zu können, muss man Geld investieren – schon einmal eine erste Erkenntnis.

Es wäre aber nicht das Musée d’Ethnographie, das uns schon so lange und immer wieder mit außergwöhnlich innovativen Ausstellungen beglückt, sich mit einer massgetreuen Umsetzung eines Jahrmarktes im Museum zufrieden geben würde. Nein, die 11 Stände oder Module dienen natürlich als Metaphern und das bekommt man schnell mit.
Es geht in der Ausstellung um das Verständnis von Kultur in der Schweiz in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, darum, wie Kultur funktioniert bzw. nicht funktioniert, um die Verflechtungen von Geld und Kultur, um Verständnis und um Mißverständnisse, um die Beziehung zwischen der sogenannten low und high culture.

Die Stände funktionieren nur auf den ersten Blick ähnlich wie auf dem Jahrmarkt – im Prinzip. Zum Beispiel der Autoscooter: dort möchte man natürlich sofort anfangen, die so hübsch gestylten Autos zu steuern – die kleinen Autos bewegen sich aber nicht so, wie man möchte, auch wenn man am Rand noch so sehr am Rad dreht. Sie drehen sich statt dessen nur autistisch um sich selbst oder in eine bestimmte Richtung. Culture Crash heisst hier das Schlagwort. Dazu möchte ich aus der Presseerklärung des Museums zitieren:

„Als Metapher der ganzen Ausstellung, die für eine dynamische und ständig neu entwickelte Konzeption der verschiedenen interagierenden Felder plädiert, spielt dieser Sektor mit einem Schema des Anthropologen James Clifford, das ganz bestimmte «Auffahrkollisionen», insbesondere zwischen den Welten der Kunst, der Folklore und der Ethnographie, bezeichnet. Aufgrund seines Designs und seiner Fahrweise verkörpert jedes Fahrzeug eine Facette dieses in ständiger Bewegung befindlichen Universums: das Modell «Folklore» ist langsam und schwerfällig, lässt sich aber nicht so leicht von seinem Kurs abbringen, das Modell «Gegenwartskunst» reagiert auf eine Vierteldrehung, ist aber stossempfindlicher, und das Modell «Ethno» bewegt sich ausschliesslich am Pistenrand.“

Nach diesem Prinzip sind die anderen Stände aufgebaut: der Ballwurfstand wird zum Battleground; mit Bällen kann man auf Sündenböcke zielen. Im Karussel fährt man eine Eternal Tour – und begegnet den mehr oder weniger traditionellen Festen in der Schweiz bzw. den Invention of Traditions.

Der Schießstand heisst hier Telldorado – es geht um die feinen Unterschiede und um Geschmack, herunter dekliniert anhand von den immer gleichen Gegenständen, die aber, genauer hingeschaut, doch sehr große Unterschiede aufweisen.

Im Abnormitätenkabinett trifft man in erster Linie auf merkwürdige Museumsobjekte; der Bogen spannt sich von einem Fetisch aus der Elfenbeinküste bis hin zum Hundespielzeug aus der Schweiz.
Wenn man schließlich noch bei der Wahrsagerin vorbeigeschaut hat, bei Madame Helvetia, die einen mit dem sogenannten Expertenwissen aller Couleur überhäuft, möchte man am liebsten nochmals eine Runde drehen – wenn das Heidi money nicht schon alle wäre.

Eine kluge Ausstellung, die aber nicht moralisch wird, sondern immer mit einem Augenzwinkern agiert. Eine Ausstellung, die wirklich Spaß macht, die einen teilweise Überwindung kostet – die Geisterbahn mochte ich noch nie, und auch diese hier hat es in sich. Eine Ausstellung, die mit der Entdeckerfreude der Besucherin spielt und die Erwartungen einfach hinterläuft – die aber immer etwas mit auf den Weg gibt. Eine Ausstellung, die man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen sollte!

An Gelegenheiten wird es nicht mangeln: Helevtia-Park ist als dreisprachige Wanderausstellung konzipiert: Bis Mitte Mai ist sie in Neuchâtel zu sehen, danach geht die Ausstellung in der Schweiz auf die Tour. Nächster Ausstellungsort ist dann ab 18. Juni 2010 das Völkerkundemuseum in St. Gallen.

Die Ausstellung entstand im Rahmen des Programms Ménage – culture et politique à table“ der Schweizer Stiftung Pro Helvetia – auch diese Seite lohnt sich anzuschauen – einfach sehr gut und unterhaltsam gemacht. Hier kann man sich auch Presseunterlagen zur Ausstellung herunterladen.

Die schönen Fotos in diesem Beitrag stammen vom Museum.
Einen Ausstellungskatalog gibt es noch nicht, dafür das Heft aus der Reihe Texpo, das einen mit schönen Texten und Bildern auch noch zu Hause erfreut.

Menschliche Überreste können bestattet werden

Geschrieben von am 7. Juli 2009 15:13

„Der Kopf bleibt hier“, so titelte FAZ.NET 2007 einen kurzen Artikel über die mumifizierten Köpfe der Maori, die sich in französischen Museen befinden. Das Musée du quai Branly stellt die Schädel auf eine Ebene mit ägyptischen Mumien – so sei es nach Ansicht des Museums legitim, die menschlichen Überreste, die v.a. im 19. Jahrhundert nach Frankreich kamen, zu behalten. Freilich werden die Köpfe in keinem französischem Museum mehr ausgestellt; eine Diskussion wurde 2007 entfacht, als ein Museum in Rouen einen Kopf zurückgeben wollte, die damalige Kulturministerin das aber verhinderte.

Nun sollten sich das MqB und andere Museen darauf einstellen, dass die Köpfe nicht mehr lange in den Depots sind: Ende Juni hat französische Nationalversammlung einstimmig einen Gesetzentwurf verabschiedet, in dem beschlossen wird, die Köpfe aus allen französischen Sammlungen zurückzugeben, um sie in Neuseeland zu bestatten. Auf diese Weise kommt der französische Staat langjährigen Rückgabeforderungen der Maori endlich nach.

Die öffentliche Sitzung bot auch Gelegenheit für den Kulturminister Mitterand, ein Statement abzugeben: „Man baut Kultur nicht auf Handel oder Verbrechen auf. Man schafft Kultur durch Respekt und Austausch.“
Nachlesen kann man das alles in Le Monde. Hier kann man auch lesen, dass im Gesetzentwurf eine bereits bestehende Kommission wiederbelebt werden soll, die den Bestand der musealen Sammlungen genauestens überprüft. Museumskustoden und Wissenschaftlerinnen befürchten, dass damit Tür und Tor für Begehrlichkeiten geöffnet werden und die Unantastbarkeit der Sammlung bedroht ist.
Die Rückgabe von menschlichen Überresten war auch Gegenstand einer Tagung in Paris im Februar 2008 – mehr darüber hier im Museumsblog.

"Ich fände eine Zusammenführung herabsetzend"

Geschrieben von am 12. Juni 2009 15:00

so meinte laut dem untenstehenden Beitrag ein Kollege…

Gegenbeispiel (eines unter vielen man denke nur an Neuchâtel!) die Ausstellung „Rot“ die letztes Jahr in Basel zu sehen war.
Hier ein paar Bildbeispiele:

Kommt hier zusammen, was zusammengehört?

Geschrieben von am 10. Juni 2009 11:39

In Wien gibt es Neues zu vermelden: das Museum für Völkerkunde und das Museum für Volkskunde fusionieren. Laut Wiener Standard vom 6. Mai wird „die Zusammenlegung der beiden Museen“ immer wahrscheinlicher. Geredet wurde ja schon lange darüber und hinter den Kulissen agierten die Beteiligten. Nun soll eine Museumsreform Klarheit bringen.

Zum Vorschlag der Zusammenlegung der beiden Museen war es u.a. gekommen, als sich abzeichnete, dass das Museum für Volkskunde die Sanierung für den wunderbaren Schönbornpalast in der Laudongasse alleine nicht leisten kann und die Stadt dafür nicht aufkommen möchte…
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Who Needs a Museum of World Cultures When There Is Cable-TV?

Geschrieben von am 5. Juni 2009 10:27

Provokante Frage im gut gemachten Prospekt des Weltkulturmuseums (Väldskultur museet) in Göteborg. Das Museum ist Teil eines nationalen Netzwerkes von vier schwedischen Institutionen: dem Etnografska Museet, dem Ostasiatiska Museet und dem Medelhays Museet, alle in Stockholm.

Das Museum der Weltkulturen basiert auf der Vereinigung mehrere alter Sammlungsbestände und sieht sich als Ort der Integration, der Information – aber auch der Provokation. Im Zentrum des vom englischen Architektenteam Cécile Brisac und Edgar Gonzalez 2004 entworfenen und mit einem Preis bedachten Bauwerkes, ist eine monumentale Stiege die auch als Sitzgelegenheit für im Atrium stattfindende Eriegnisse dienen kann. Beton und Glas sollen Transparenz und Offenheit aber auch Solidität versinnbildlichen. All dies klingt gut und so waren unsere Erwartungen gross.
Leider war aber die Realität eher enttäuschend…  Die mächtige Eingangshalle ist menschenleer, die Gerüche der offenen Cafeteria/Self Service sind dagegen voll präsent. Eine kleine Fotoausstellung, halb versteckt, im Erdgeschoss zeigt junge Inderinnen die sich durch den Boxsport ihrer Kondition entziehen wollen.
Eine Ausstellung im ersten Stock ist dem Phänomen „Bollywood“ gewidmet. Das ist farbig, amüsant und recht interessant. Man sieht Filmausschnitte und Plakate, erfährt einiges über die ökonomische Bedeutung der Filmwirtschaft, über die Geschichte des indischen Films, den Starkult, die Darstellung der Minderheiten oder den Einfluss auf das Schönheitsideal. Der Besucher wird eingeladen, im Karaokestil mitzusingen und -zutanzen oder mit Hilfe einiger Accessoires seinen eigenen kleinen Bollywoodfilm zu drehen und ihn via Inetrnet direkt an eine email Adresse zu verschicken – leider funktionierten diese elektronischen Gadgets aber – wie so oft – nicht!
Eine weitere Ausstellung widmet sich der „Beutekunst“. Sie zeigt peruanische Textilien die als Leichentücher verwendet wurden und die durch Raubgrabungen und Schmuggel ins Museum – und in andere private sowie öffentliche Sammlungen – gelangt sind. Ein interessanter, selbstkritischer Ansatz aber leider haben auch hier die Bildschirme nicht funktioniert… Warum auch die ihrer Empfindlihkeit wegen in einem abgedunkelten Raum ausgestellten – wunderschön farbenprächtigen – Textilien dann aber auch zum Teil in kniehohen Vitrinen liegen ist eher unverständlich.
2 1/2 Ausstellungen in dem weitläufigen Gebäude – das ist ein bisschen ärmlich vor allem in Hinblick auf die Ambitionen die das Museum auf seiner website und in der Broschüre publiziert.
Laut der sympathischen Direktorin sind wir allerdings zu einem schlechten Augenblick gekommen und normalerweise sprühe das Haus vor Leben… 200.000 Besucher pro Jahr lassen dies allerdings ein bisschen bezweifeln.

Ein neuer Direktor

Geschrieben von am 29. Mai 2009 10:39

Schon seit Anfang Februar 2009 hat das Musée d’Ethnographie Genf einen neuen Direktor: Boris Wastiau. Wastiau ist ein Ethnologe aus Belgien, der in Belgien und England studiert hat. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Museen, u.a. Konservator am ethnolgischen Museum in Tervuren. Seit 2007 ist er im MEG für die Abteilung Afrika und Amerika zuständig. Seine Hauptaufgabe wird nun sein, den Umbau des Museums und die Neukonzeption voranzutreiben. Ob uns nun auch so ein innovatives Konzept erwartet, wie es bei Jacques Hainard, dem vorigen Dirketor zu erwarten gewesen wäre, werden wir natürlich weiterverfolgen. Wastiau spricht im Statement des Direktors von einer Metamorphose, die dem Museum bevorsteht. Hainard taucht im putzigen Personenkarussel auf der Internesteite übrigens als Berater auf.

Hier auf dieser Seite kann man einen Vortrag von Boris Wastiau über die Himmelheber-Sammlung im Genfer Museum auf englisch anhören.
Hier noch ein lesenswertes Interview mit Hainard in swissinfo.ch von 2007.

Wenn sich Krokodile vor Monets Seerosen tummeln

Geschrieben von am 18. Mai 2009 10:01

Objekte außereuropäischer Länder haben Konjunktur. Das weiss man nicht erst seit der Eröffnung des Musée du quai Branly 2006 in Paris. Solche Stücke wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts in den westlichen Metropolen als „Negerkunst“ (Carl Einstein) oder als primitive Kunst gezeigt. Legendär war etwa 1984 die Ausstellung „Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts“, kuratiert von William Rubin in New York, die die Verknüpfung zu europäischen Künstlern aufzeigen wollte.
Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel möchte mit Bildwelten Afrika, Ozeanien und die Moderne nun einen neuen Weg einschlagen: Werke aus Afrika und Ozeanien sollen mit Gemälden und Skulpturen aus der klassischen Moderne in einen Dialog treten, die Konfrontation wird gesucht. Werke, die sich seit Jahren in der Sammlung befinden, sollen ganz neu gesehen, ihre suggestive Kraft soll regelrecht erweckt werden. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

„Zentrales kuratorisches Anliegen ist die Erfahrbarkeit künstlerischer Kraft und Bildmacht, die sich dem Betrachter vergegenwärtigt. In packender Weise verbinden sich unterschiedliche Repräsentationsformen und veranschaulichen dadurch, weshalb Menschen aller Kulturkreise, insbesondere Künstler und Sammler, immer wieder aufs Neue von der bildgewaltigen Kraft dieser Werke fasziniert sind.“

Viele der gezeigten Werke stammen aus der Sammlung der Fondation; über 150 Leihgaben kommen aus anderen Museen, vor allem aus dem Museum der Kulturen in Basel.

Die beiden Kult-Krokodile aus Papua-Neuguinea liegen vor dem imposanten Seerosengemälde von Claude Monet. Schon der Auftakt im Foyer macht deutlich, was Kurator Oliver Wick mit der Ausstellung bezweckte: Es geht um die Gegensätze, um den Kontrast und um die Spannung, die die Gegenüberstellung solch konträrer Kunstwerke auslösen.

Die Konfrontationen oder Begegnungen mit dem Fokus auf der Darstellung der menschlichen Figur spielen sich in dreizehn Sälen ab. Mit einem kleinen Heft ausgestattet, das die Saaltexte beinhaltet, begibt sich die Ausstellungsbesucherin in die hell-grau gehaltenen Räume im wunderbaren Gebäude von Renzo Piano. Die präsentierten außereuropäische Stücke liefern die Raumtitel, die die BesucherInnen in verschiedene Kontinente führen. Die Stars sind hier nicht die Werke anerkannter westlicher Künstler, sondern die zuweilen unprätentiös wirkenden Stücke aus Afrika oder Ozeanien zumeist anonymer Herkunft. Allein oder in Werkgruppen, nach Herkunft inszeniert, entfalten sie eine Präsenz, der man sich nicht entziehen kann. Sie erinnern an eine der ersten Funktionen des Museums: an das Staunen. Im Raum mit den zahlreichen an der Wand arrangierten afrikanischen Masken etwa übersieht man darüber das Landschaftsbild von Vincent van Gogh. Das gilt auch für die mit Nägeln besetzten und allmöglichen Zierrat versehen Figuren aus dem Kongo-Gebiet, die sich mit Picasso und Braque einen Raum teilen oder für die bunten, federnbesetzten Stücke aus Hawai, die Federbildnisse von Kriegsgöttern nachempfinden, die die Bilder von Mark Rothko nochmals farbloser erscheinen lassen.

Die Räume sind in einer nicht erkennbaren Reihenfolge zu begehen – es geht jeweils um bestimmte Zuschnitte, wie Körper repräsentiert bzw. verstanden werden. Dennoch kann es kein Zufall sein, dass die relativ bekannten afrikanischen Masken den Anfang machen, während gewaltige Figuren aus Papua-Neuguinea den Abschluß bilden. Die Opulenz und Übermacht der außereuropäischen Objekte ist gewollt; damit möchte man nach Aussage der Ausstellungsmacher eine Umkehrung der Perspektive erreichen. Die gesuchten Konfrontationen sind aber manchmal gar keine: die Werke aus der Klassischen Moderne kennt man einfach zu gut – von Ausstellungsbesuchen, Plakaten oder aus Büchern. Sie bieten nicht immer die gewünschte Kontrastfolie, sondern verblassen gar.

Man fragt sich sogar zuweilen, weshalb die Gemälde und Skulpturen der klassischen Moderne hier dabei sind. Um darüber hinwegtäuschen, dass die außereuropäischen Objekte aufgrund ihrer offensichtlichen Extravaganz ausgewählt wurden? Als Folie für den Exotismus? Nicht nachzuvollziehen ist, dass bei den knappen Objekttexten bei den europäischen Werken immer das Material dabei steht (à la Öl auf Leinwand), während das bei den außereuropäischen Objekten allerdings nicht der Fall ist.

Immerhin bekommt man einen Hinweis, woher die Stücke stammen. So hängt neben einer Figur von den Marquesas der Hinweis, dass ein Kapitän der Artillerie der französischen Marine der Stadt Colmar dieses Stück geschenkt hatte. Gekauftes Souvenir? Diebesgut? Das fragt man sich bei einigen der Stücke, die alle aus westlichen, zumeist europäischen Sammlungen kommen. Seit Michel Leiris berühmt-berüchtigen Tagebuch „Phantom Afrika„, das dieser während der Expedition Dakar-Dschibuti in den 1930er Jahren des Pariser Musée d’Ethnographie schrieb, ist offengelegt, dass nicht nur Militärs, sondern auch EthnologInnen manchmal auf räuberische Art und Weise an die Objekte kamen. Leider erfährt man darüber in der Ausstellung selbst nicht mehr.

Dennoch: man kann diese äußerst anregende, auch aufregende und sinnlich sehr berührende Schau nur empfehlen. Interessant ist auch das Heft mit den Texten, da hier die Bildwelten auf drei Arten durchdekliniert werden: Kult und Kontext / Kunst / Kommentar sind die Überschriften, die mehrgleisige Einblicke gestatten. Der Kommentar legt die Gedanken des Kurators Wick offen und gibt auf diese Weise Einblick in die Ausstellungsidee.

Ob es ein ganz neuer Weg ist, den die Ausstellung damit einschlägt, wird sich noch zeigen. Der theatralisch anmutenden Präsentation im oben schon erwähnten Musée du quai Branly wird damit auf alle Fälle etwas angenehm Unaufgeregtes, sehr Sinnliches, Nachdenkenwertes entgegengesetzt. Zeit, sich die Ausstellung anzusehen hat man noch bis zum 28. Juni.

Sehr beeindruckt hat auch der Katalog: Er besteht aus einer Broschüre und aus einem Schuber mit 17 Bildtafeln. So kann man sich die Krokodile auch ins heimische Wohnzimmer holen.

FONDATION BEYELER
Beyeler Museum AG, Baselstrasse 101, CH-4125 Riehen / Basel
Täglich 10 – 18 Uhr, mittwochs 10 – 20 Uhr

Die Ausstellung in den Medien:
ein Bericht über die Ausstellung mit o-Ton von Museumsstifter Beyeler auf dradio;
die taz hält „Monet als überflüssige Dreingabe“ und die NZZ titelt ihren Artikel mit „Staunen vor dem Nageltisch“.

Figurinen im Museum III

Geschrieben von am 20. April 2009 12:17

Die Figurinen im Amsterdamer Tropenmuseum sind derart lebensecht, dass man zwei Mal hinsehen muss um sie als solche zu erkennen. Sie wurden ebenfalls nach lebendigen Vorbildern oder Porträts  geschaffen. Um die Illusion zu brechen, wurden allerdings einzelne Gliedmassen oder andere Körperteile durch transparentes Plexi ersetzt.

Das Archiv der Erde

Geschrieben von am 22. Februar 2009 13:56


Ein fotografisches Museum der Menschheit: Die wunderbare Welt des Albert Kahn heißt die die BBC-Dokumentation, die ab morgen bis zum 5. März auf Arte ausgestrahlt wird.
Schon die einführende Sendung am Samstag hat Lust auf mehr gemacht.
Albert Kahn war ein Bankier aus dem Elsass, der sich nicht nur dem Geld verdienen, sondern auch der Weltverbesserung verschrieben hatte: Völkerverständigung war sein oberstes Ziel. Dafür unterstützte er viele Institutionen bzw. begründete selbst welche, schickte Stipendiaten um die Welt, damit sie andere Länder kennenlernten und zu Hause in Frankreich darüber berichten konnten. Er bereiste selbst die Welt, ließ filmen und fotografieren – wobei er es erstaunlicherweise hasste, auf Filmen oder auf Fotos zu sehen zu sein.
Auf diese Weise entstanden 72.000 autochrome Glasplatten und über 180 km Film, die das Archiv des Planetens begründen sollte: Die Sammlung sollte, laut Kahn, “to put into effect a sort of photographic inventory of the surface of the globe as inhabited and developed by Man at the beginning of the twentieth century”. Der Humangeograph Jean Brunhes verwaltete eine Zeitlang dieses Archiv. Heute wird alles zusammen mit Briefen, Tagebüchern und Notizen im Musée Albert Kahn aufbewahrt, in Boulogne-Bilancourt bei Paris, zu dem wie zu Kahns Zeiten auch ein japanischer Garten gehört. Dass BBC ermöglicht uns nun einen ganz besonderen Einblick.

Das Material, das Kahn zusammentragen ließ, ist außergewöhnlich: er ließ filmen, zu einem Zeitpunkt, als das Medium Film gerade mal erfunden war und außer Ozeanien ließ er zwischen 1912 und 1931 alle Kontinente der Erde filmisch und fotografisch kartographieren.
Selbst auf dem Fernsehbildschirm wirken die autochromen Fotografien in ihrer wunderbaren Farbigkeit. Unbedingt ansehen!

Hier ist die Seite von der BBC über das Buch zur Dokumentation.
Hier kann man ein französisches Video über das Museum ansehen.
Und hier ist ein Arikel über die Reihe in der Süddeutschen Zeitung.

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