Stopfpilz und Joghurtbecher im Museum

Geschrieben von am 30. März 2007 12:10

Im Deutschen Historischen Museum in Berlin ist eine neue Ausstellung aus der Reihe „Aus den Sammlungen des DHM“ zu sehen: In „Parteidiktatur und Alltag in der DDR“ geht es um den Einfluss der SED auf das tägliche Leben der DDR-Bürger und darum, wie die Partei dieses Leben dominierte bzw. wie sich die Bürger der SED entziehen konnten und wie die SED letztendlich scheiterte.
Viele Exponate stammen aus der Zeit, als 1990 das DHM die DDR-Bevölkerung aufrief, Dinge des Alltags ins Museum zu bringen. Viel kann das nicht gewesen sein, laut der Kritik in Deutschlandradio Kultur:

„Privates wird festgemacht an Fleischbrühpaste, einem Fernseher vom VEB Rafena, einem DDR-Stopfpilz, worin da das Typische besteht – unklar. Auch gehören Bestecke, Vitaminpräparate, Joghurtbecher und eine Schrankwand zu den Alltagsauslagen.“

Insgesamt, so das Fazit von Deutschlandradio Kultur, bleibt „das Deutsche Historische Museum leider mit dieser neuen Sonderausstellung hinter eigenen vorangegangenen Ausstellungen zurück.“ Das Begleitprogramm klinge dafür vielversprechend.
Ich rätsele immer noch über das Wort „Gedenkobjekt“, mit dem die Kuratorin Carola Jüllig im Interview die Skulptur einer Fischwerkerin und die Jacke einer politischen Aktivistin bezeichnet.

Deutsche und französische Wissenschaftsmuseen im Dialog

Geschrieben von am 1. März 2007 11:37

Im Mai treffen sich Experten aus deutschen und französischen Wissenschaftsmuseen in Berlin zum Dialog. Das dritte Treffen dieser Art findet im Technikmuseum statt:
Laut Ankündigung geht es um folgende Fragen:

Welche Wege der Wissenschaftskommunikation und –didaktik lassen sich in Frankreich und Deutschland beobachten? Welche Rolle spielen dabei Museen, Science Center, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsjournalismus – insbesondere vor dem Hintergrund der Vermittlung an Kinder und Jugendliche? Zusätzlich im Blickpunkt stehen Neuheiten aus der Museums- und Science-Center-Landschaft beider Länder.

Ein besonderer Aspekt der Tagung wird sein, dass neben ausgewiesenen Experten auch die jüngere Generation zu Wort kommen soll.

Die Tagung findet vom 13.-15. Mai in Berlin statt und wird vom „Office de Coopération et d’Information Muséographiques“ in Frankreich (OCIM) und dem „European Network of Science Centres and Museums“ in Deutschland (ecsite-d) ausgerichtet. Auf der Seite des Technikmuseums kann man sich informieren und anmelden.

Den Tagungsband (auf deutsch und französisch) von Dijon 2005 kann man sich hier herunterladen.

Wie Berlin die Expansionspläne des Louvre sieht

Geschrieben von am 22. Februar 2007 17:37

In der Süddeutschen Zeitung vom 22.2. äußert sich Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu den Plänen der französischen Regierung, einen Ableger des Louvre in Abu Dhabi zu eröffnen:

„Die Jetset-Touristen werden die Besucher in Abu Dhabi sein, die nach dem Spektakulären, dem Besonderen suchen. Und da ist die hochwertige Kunst gerade recht. Die einheimische Bevölkerung wird den geringsten Besucheranteil ausmachen. Derart aufbereitete Kunst wird wohl oder übel zu einem Bestandteil des Lifestyle. Sie wird ihren Gesetzen unterliegen, wird auswechselbar, beliebig werden. Es steht zu befürchten, dass der schnelle Erfolg des Geldes die Museen verändern wird. Sie sind dann nicht mehr das geistige Tagebuch eines Landes und einer Epoche, sie büßen ihre Aura ein, werden zu einer frei floatenden Ware.“

Der „Wüstenlouvre“ im Museumsblog: hier, hier und hier.

Das DHM kündigt eine Tagung an

Geschrieben von am 8. Februar 2007 11:54

Im Deutschen Historischen Museum in Berlin findet zwischen dem 14. – 16. März 2007 das Internationale Symposium „Gedächtnis der Nationen? Neue nationale Geschichts- und Kulturmuseen: Konzeptionen, Realisierung und Erwartungen“ statt. Geladen sind illustre Gäste aus Japan, Neuseeland oder Frankreich. Es soll herausgearbeitet werden, so die Ankündigung, „ob und wie es den neukonzipierten Museen gelingt, Gedächtnis der Nation zu sein, um in diesem Sinne von den Besuchenden angenommen zu werden“. Besucher kommen aber, glaube ich, hier nicht zu Wort.

Das Programm kann man sich hier als PDF herunterladen.
Um sich die Gründung des DHM wieder ins Gedächtnis zu rufen, empfehle ich die Lektüre von Moritz Mälzer: Ausstellungsstück Nation. Die Debatte um die Gründung des Deutschen Historischen Museums in Berlin (Reihe Gesprächskreis Geschichte 59). Bonn 2005. Dieses Buch kann bei der Friedrich-Ebert-Stiftung als PDF oder altmodisch als Buch bezogen werden.

Berliner Werkbundarchiv

Geschrieben von am 26. Januar 2007 11:23

Ein Museum, das mit Sicherheit ein Lieblingsmuseum wird, ist leider schon längere Zeit nicht zu besuchen, da es kürzlich in die Oranienstraße umgezogen ist, bzw. der Umzug der Sammlung noch bevorsteht. Bis dahin muss man sich mit der anregenden und unschlagbaren Website des Berliner Werkbundarchivs begnügen, die immer wieder zu einem virtuellen Museumsbesuch einlädt. Man entdeckt dort so viele wunderschöne Dinge wie Wundertüten, Sondersammlungen, die Sammlung der Superlative oder das Ding des Monats (im Januar ist es eine Prunkkanne im Stil der Neo-Renaissance, und ich bin schon sehr auf das Februar-Ding gespannt). Und am Ende verlässt man die Seite mit dem dringlichen Wunsch, Dingpfleger zu werden und die Pflegschaft für einen Stuhl, einen Wachpostenstiefel oder die Kanne “Lebensgefahr“ zu übernehmen. Grund zur Freude besteht: Ende 2007 wird das Museum mit einer Ausstellung zum einhundertjährigen Jubiläum des Deutschen Werkbunds endlich wieder eröffnet.

Was ist das? Die Auflösung

Geschrieben von am 4. Oktober 2006 10:02


Eine Tondusche, von unten aufgenommen. Herzlichen Glückwunsch, Herr Borchert!
Aufgenommen im Deutschen Historischen Museum – in dem ich bestimmt 20 solcher Klangduschen gezählt habe. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie es eigentlich nicht sein sollte: Leider hängen die Klangduschen so hoch, dass in den Räumlichkeiten der Dauerausstellung (Abt. Weimarer Zeit bis Gegenwart) ein grauenvoller Klangwirrwarr herrscht. Und wenn dazu wie hier auf dem Bild noch viele Duschen nebeneinander hängen, hört man gar nichts mehr. Eine andere Frage ist die der Ästhetik: Vielleicht fällt es auf dem Foto nicht so auf, aber diese Duschen wirken, mit Verlaub gesagt, sehr hässlich und geschmacklos. So gesehen passen sie aber wiederum zur Ausstellungsarchitektur der Etage, die sich durch Langeweile und Behäbigkeit selber disqualifiziert.

Zum Nachlesen auf dem Museumsblog: Erfahrungen mit Klängen im Museum, von Thomas Rößler.

Mein neues Lieblingsmuseum

Geschrieben von am 2. Oktober 2006 09:17

Es ist klein, liegt verborgen in einem schönen Hinterhof mit Garten und sehr charmant: Das Heimatmuseum Neukölln, von dem ich zwar schon viel gehört und gelesen, das ich aber schändlicherweise nie besucht hatte. Nun habe ich dort die Ausstellung „Reisefieber“ gesehen: eine liebevoll inszenierte Schau mit witzigen Objekten und sehr schönen, prägnanten Texten, die sich um das Thema Reisen (in die Nähe und in die Ferne) dreht. Viele der Geschichten haben mit Neuköllner Bürgerinnen und Bürgern zu tun, spiegeln aber gleichsam die deutsche Geschichte – eine inhaltlich runde Sache. Die Ästhetik der Ausstellung ist schlicht, wirkt aber durchdacht und gut umgesetzt und fügt sich adäquat in die Struktur des ehemaligen Lesesaals der Neuköllner Stadtbibliothek ein. Im Vorraum, oder wenn schönes Wetter ist, im Garten, kann man bei einem Kaffee in den Publikationen schmökern. Und: der Eintritt ist frei – „wir sind doch ein staatliches Museum“, sagte der nette junge Herr an der Kasse. Ich kann nur sagen: hingehen, anschauen, Bücher kaufen und auf diese Weise ein vorbildliches staatliches Museum unterstützen. Es war das beste, was ich in meiner Berlinwoche gesehen habe.

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