Figurinen XV
Anonym und etwas verfremdet verrichten die Figurinen im Olivenmuseum der Firma Carli in Imperia ihre museale Arbeit.
Anonym und etwas verfremdet verrichten die Figurinen im Olivenmuseum der Firma Carli in Imperia ihre museale Arbeit.
Das Nationaal Museum van de Psychiatrie in Haarlem ist in einem Gebäudekomplex untergebracht, der 1320 nach und nach entstanden ist, und Lepra- und Pestranke sowie ‚Geisteskranke’ aufnahm. Das erst 2005 eröffnete Museum, das kurz Het Dolhuys genannt wird, besticht durch sein Konzept und seine Gestaltung.
Der labyrinthische Gebäudekomplex wurde, ohne große bauliche Eingriffe, geschickt genutzt, um die unterschiedlichen Aspekte von ‚Geisteskrankheit’ zu thematisieren. Ihre Geschichte, ihre Wissenschaft, die Formen der Therapie. Im Zentrum steht die Frage der gesellschaftlichen Definition des ‚Abweichenden’, mithin der – sich permanent wandelnden – Grenzziehung zwischen Normalität und Wahn.
Den Auftakt bildet deshalb eine einfache aber sehr wirkungsvolle Installation, die den Besucher buchstäblich in den (niederländischen) Statistiken diverser Krankheitsbilder spiegelt, und animiert, sich zu fragen, wer denn überhaupt ausgenommen werden kann aus den Zuschreibungen einer (Geistes)krankheit und damit, wo ich mich situiere.
Eine von fünf Personen in den Niederlanden hat ein psychisches Problem. Damit sind wir übrigens nicht verrückter als der Rest der Welt. Fast alle kennen wohl eine Person, die an Depressionen, Burn-out oder Alzheimer leidet, heißt es auf der Webseite des Museums.
Kaum zum glauben, aber wahr: über 10 Jahre nach der Ankündigung des Projekts hat nun am 30. November der Kulturminister Frédéric Mitterrand mit vielen salbungsvollen Worten den Grundstein für das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (MuCEM) in Marseille gelegt.
Worte und Versprechen hat man in dieser Sache ja schon sehr viele gehört. Auch der Permierminister François Fillon hat die Unterstützung des Staates zugesagt – ohne zu erwähnen, dass diese unzähligen Ankündigungen zuvor schon öfters gemacht, aber stets nie eingehalten worden waren. Ist jetzt alles anders? 2013 ist Marseille Kulturhauptstadt und das MuCEM soll Ende 2012 mit zwei Ausstellungen eröffnet werden. Der Titel wurde auch gleich bekannt gegeben: Le noir et le bleu, le rêve méditerranéen » und « Masculin-féminin, le genre en question ». Wir sind gespannt!
Nachzulesen auf den Seiten des Museums, den Seiten des Kulturministeriums, in le moniteur und in einem Bericht von AFP. Das Bild stammt von der Seite des MuCEM.
Und hier noch ein link zur Absetzung des alten Direktos Colardelle und der Ernennung des neuen Direktors Suzzarelli im Museumsblog.
Der Palais de la Découverte in Paris ist eine feste, gewissermaßen magische Institution unter den Pariser Museen – obwohl er nur etwas über 70 Jahre alt ist (was in Paris ja nicht viel ist…). Eingerichtet in einem Teil des Grand Palais sollte hier anlässlich der Weltausstellung 1937 den breiten Massen die sogenannten harten Wissenschaften näher gebracht werden.
Nach der Weltausstellung wurde er erst einmal wieder geschlossen, dann auf Dauer wieder eröffnet – unter der der Leitung von diversen Ministerien. Seit 1990 ist der Palais ein „Etablissement Public à caractère Scientifique, Culturel et Professionnel“ – d.h. eine universitäre, wissenschaftliche Institution, die vom Bildungs-und Forschungsministerium abhängt. Lesen Sie den Rest des Beitrags »
Das Jüdische Museum in Wien hat eine neue Leitung. Beworben haben sich unter anderem Hanno Loewy und Bernhard Purin, beide als Wissenschafter und Museumsleiter hervorragend qualifiziert. Die Stadt Wien hat sich für eine Nachrichtensprecherin des ORF Fernsehens entschieden. Aus den Zeitungsberichten war nichts über eine Qualifikation für den Job einer Museumsdirektion herauszulesen. Keine Managementerfahrung, keine mit dem Ausstellen, keine einschlägige wissenschaftliche Qualifikation.
Worum es geht, wurde in den ersten Äußerungen auf der Pressekonferenz klar, in der Frau Spera vorgestellt wurde. Es geht um Popularisierung, um mediale Präsenz, um bessere ‚Quoten‘. Das Museum hat etwa 80.000 Besucher im Jahr und das scheint den Kommunalpolitikern zu wenig zu sein.
Das Museum hat eine der innovativsten Dauerausstellungen, die ich kenne. Es gab hier zahlreiche Ausstellungen, die nicht nur durch die Themenwahl interessant waren, sondern durch ihre Reflexivität. Was theoretisch unter diesem Schlagwort so oft gefordert wird, daß Museen sich der Bedingungen ihrer komplexen Arbeit bewußt werden sollen, ihrer ‚Hybridität‘, um damit praktisch neue Repräsentationsformen zu entwickeln, das galt für viele der Ausstellungen des Jüdischen Museums.
Also warum mißt man Museen immer und immer wieder nur an der Zahl der Besucher und nicht an der – in diesem Fall – überragenden Qualität? Warum kann man nicht ertragen, daß es unter hunderten ein Museum gibt, das intelligente, nachhaltige und innovative Arbeit macht? Warum respektiert man nicht die über viele Jahre hin bewährte kuratorische Professionalität und Erfahrung?
Monumente online heisst das Magazin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, das sechsmal im Jahr in Papierform erscheint, aber auch komplett im Internet einzusehen ist. Seit 2005 steht alles online – da kommt einiges zusammen.
Die Startseite ist schön übersichtlich aufgemacht. Man kann sich durch alle Richtungen klicken: die einzelnen Ausgaben anschauen, die neben dem Hauptthema immer die Rubriken Streiflichter, Denkmale im Blickpunkt, Kleine Kulturgeschichten und Sehen lernen beinhalten. Diese Rubriken kann man wiederum querlesen, da alle Beiträge aus den verschiedenen Ausgaben nochmals extra aufgelistet sind. Darüberhinaus gibt es etwa ein(Orts-)Register aller veröffentlichten Beiträge, sowie aktuelle Hinweise auf Beiträge in Funk und Fernsehen oder Ausstellungen; also eine Fülle von Informationen. Auch entdeckt man beim Surfen auf der Seite Hübsches wie die oben abgebildeten Bilder einer Ausgabe.
Gerade ist die Ausgabe Dezember 2009: Baumeister in ihrer Zeit erschienen – auch für Museumsliebhaberinnen sehr interessant.
Das Plakat stimmt eher nostalgisch, doch die Ausstellung ist es nur bedingt: Le monde selon Suchard im Musée d’Art et d’Histoire in Neuchâtel. Natürlich weiss man auch sofort, um was es geht – um die Schokolade von Suchard, hierzulande sofort mit der lilafarbenen Packung von Milka assoziert. Suchard wurde 1825 von Philippe Suchard in Neuchâtel gegründet und bestand – mit wechselnden Besitzern bis 1996, als der damalige Besitzer Kraft Foods die Herstellung einstellte. Lesen Sie den Rest des Beitrags »
Sehenswert: ein Film auf arte über zeitgenössische Kunst und warum sie soviel kostet(e): Die Millionenblase. Zerplatzte Träume am Kunstmarkt von dem britischen Filmemacher Ben Lewis.
Drei Jahre lang recherchierte Lewis, besuchte Auktionen, zum Beispiel von Sotheby’s, wo monochrome rosafarbene oder blaue Bilder für über 4 Millionen Dollar verkauft wurden oder Sammler, deren Wohnungen Museen ähnelten. Auch bei Künstlern ist Lewis zu Gast – etwa bei dem Deutschen Anselm Reyle, dessen so genannten Streifenbilder zu Spekulationsobjekten wurden. Interessant ist auch, dass viele der hoch gehandelten Kunstwerke, gar keine Unikate sind noch von den Künstlern selbst hergestellt werden – Damien Hirst, dessen Werke mit die teuersten waren, ist wie Reyle solch ein Beispiel dafür. Am Beispiel von Damien Hirst zeigt Lewis dann auch sehr eindrücklich, wie schnell solche Werke dann plötzlich sehr günstig werden können… Lesen Sie den Rest des Beitrags »
Wenn ich eine Ausstellung des Jahres wählen dürfte, dann wäre diese ganz vorne mit dabei: Parce queue. Wenn man das etwas verkürzt ausspricht, hört sich das an wie Warum? – es geht um la queue, um den Schwanz – mit all seinen Bedeutungen.
Warum gerade der Schwanz? Einiges erklärt sich dadurch, dass wir im naturwissenschaftlichen Museum, sind, genauer im Muséum d’histoire naturelle von Neuchâtel.
Ausgehend von dem Satz von Charles Darwin aus in der Evolotionstheorie „Schon wenn ich den Schwanz eines Pfaus sehe, wird mir schlecht“, wird hier die Geschichte des Schwanzes aufgerollt, in der Evolution, aber auch in der Kulturgeschichte – mit mit all den Doppeldeutigkeiten, die dem Wort zu eigen ist. Das ist so pfiffig, so spannend und kurzweilig gemacht, das man am Ende der Ausstellung – wo ein sprechendes Sperma den Abgang erleichtern soll – so richtig enttäuscht ist, dass sie schon zu Ende ist.
Doch von vorne: Wir sind in einem naturwissenschaftlichen Museum, deshalb fängt man hier von vorne an – bzw. nach einer Installation von schwanzartigen Gebilden sind wir beim Fisch angelangt, dessen Schwanzflosse in der Evolotion am Anfang steht. Kleine Fische schwimmen in Aquarien, Tafeln erläutern Grundlegendes. Schön ist hier die gestalterische Idee, darzustellen, wie die Menschen die Natur imitieren – in Form von Plastikfischen.
Danach geht es eher klassisch zu: das heisst, die Evolution der Schwänze wird mit Tierskeletten visualisiert, und erklärt, warum der Menschen keinen Schwanz bzw. nur den Rest davon aufweist. Man erfährt auch, wofür Schwänze im Tierreich eigentlich gut sind. Die vielfältigen Funktionen werden mit Gegenständen aus der menschlichen Sphäre erklärt – wie das Paddel für den Biber oder die Krücke für das Känguruh. Und man erfährt, das Schlangen – von denen man sich einige lebende Exemplare in Terrarien anschauen darf, nicht nur aus einem Schwanz bestehen und wofür Vögel den Schwanz brauchen.
Die nächste Ausstellungssektionen beschäftigen sich mehr mit den kulturellen Bedeutung des Schwanzes. Im comic-artigen Wohnzimmer mit aufgemaltem Fenster und Bildern kann man es sich mit Katze und Hund gemütlich machen, die Hauptdarsteller in verschiedenen Filmen sind. In verschiedenen kleineren Installationen geht es dann um die vielen Bedeutungsebenen von Schwanz – in der Kunst, im Märchen, in der Sprache oder in der Erotik. Es geht darum, weshalb der Mensch Tieren wie Hund oder Schwein den Schwanz abschneidet, zuweilen auch isst – sehr schön ist hier die Inszenierung des Ochsenschwanzes.
Es dreht sich auch darum, weshalb der Schwanz in Mythen so angstbesetzt ist. Dafür stehen der Drache oder der Schwanz des Teufels. Hinter vielen Gucklöchern sieht man die Erotik-Abteilung eines Züricher Antiquariats.
Und auch diese tierische Kuriosität wird einem in Erinnerung bleiben: Ratten, die sich mit dem Schwanz wärmen – und doch dabei gestorben sind.
Die Ausstellung ist interaktiv im besten Sinne – man muss sich schon mal bücken, um durch ein Guckloch den illuminierten Schwanz eines Zebras anschauen zu können oder man kann raten, was man da eigentlich vor sich hat. An anderer Stelle richtet die Besucherin selbst den Scheinwerfer auf die Vögel, klettert in Kuben und befindet sich dann in einer Comicwelt.
Eine wirklich hinreißende Ausstellung, ein sehr origineller Beitrag zum Darwin-Jahr!
Leider, leider gibt es keinen Katalog. Da hilft nur eines: selbst hingehen.
Wer im Museumsblog auch schon die Beiträge über die Ausstellungen Helvetia-Park und Retour d’Angola im Musée d’Ethnographie gelesen hat, weiss, dass diese Reise ein museologischer Höhepunkt sein wird. Bis Ende Februar 2010 bekommt man die drei Ausstellungen auf einen Streich. Die Ausstellung ist zweisprachig, auch die kleine, gerade im Umbau begriffene Dauerausstellung lohnt sich.
Die Ausstellung rezensiert in der NZZ.
Das Ashmolean Museum in Oxford hat mir beim Besuch so gefallen, weil es so anrührend verstaubt wirkte.
Inzwischen wurde das Museum umgebaut und ist seit dem 7. November wieder neu eröffnet, ergänzt um ein neues Gebäude von Architekt Rick Mather. Alles wurde komplett umstrukturiert, die Ausstellungsfläche um 100% vergrößert, wie es auf der Internetseite heisst: 39 Galerien in 5 Abteilungen, das klingt nach einem längeren Museumsbesuch. Auch wird die Sammlung nicht mehr klasssisch nach Sparten gezeigt, sondern nach dem Prinzip Crossing Cultures Crossing Time. Wir zitieren von der Internetseite:
„Crossing Cultures Crossing Time (CCCT) is an approach based on the idea that civilisations that have shaped our modern societies developed as part of an interrelated world culture, rather than in isolation. It assumes, too, that every object has a story to tell, but these stories can best be uncovered by making appropriate comparisons and connections, tracing the journey of ideas and influences through the centuries and across continents.“
Alles ist um die wichtige Frage zentriert:
„What, in short, should a modern museum be like?“
Da kann man also gespannt sein, wie Zeiten und Kulturen miteinander verknüpft werden, wie Objekte neu zu Geltung kommen – vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Ashmoelan als eines der ältesten Museen der Welt immer auch einen Vorbildcharakter hatte.
Vorbildlich finde ich schon einmal, dass auf der Internetseite auch offengelegt wird, was das alles gekostet hat: 61 Millionen Pfund, getragen vom Heritage Lottery Fund.
Ich frage mich natürlich auch ganz persönlich, ob das schöne Sitzmöbel vom letzten Besuch noch zu finden ist.