Die Herkunft der Dinge

Geschrieben von am 13. Februar 2007 15:56

Wenn man einmal so überlegt, was die Museen weltweit miteinander verbindet, ist es eigentlich nicht der Bildungsauftrag, noch das Ansinnen, das kulturelle Erbe möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Nein, es ist die Sorge, möglicherweise ein Objekt in der Sammlung zu haben, das unter dubiosen Umständen ins Museum kam. Möglichkeiten gibt es hier viele: etwa die Stücke, die die Nazis jüdischen Sammlern abpressten und die irgendwie in die Museen kamen; die Objekte, die in den Wirren des zweiten Weltkrieges mitgenommen wurden oder die Stücke, die durch Kolonialismus abhanden gekommen sind. Hier ist es besonders krass: Über 95 Prozent des afrikanischen Patrimoine, so war dieser Tage auf einer Veranstaltung der UNESCO in Paris zu hören, ist in Museen auf anderen Kontinenten zu finden. (Dass die etablierten Museumsdirektoren davon nichts hören wollten, wundert nicht).
Eine weitere Variante, Objekte ohne Stammbaum zu vertreiben, findet man in Italien. Dort verschwinden wohl seit Jahren im großen Stil Stücke aus Museen oder von Ausgrabungen, die dann später in großen amerikanischen Museen wieder auftauchen. Den Drahtziehern ist man auf die Spur gekommen und in Rom läuft gerade ein Prozess gegen eine ehemalige Angestellte des J. Paul Getty Museums in Los Angeles, die für ihren Arbeitgeber im großen Stil auf diese Weise eingekauft hat. Der Bericht über ihre Machenschaften und die der anderen Kunsträuber (in der FAZ vom 10.2.2007) liest sich wie ein gut ausgedachter Krimi.
Eine weitere Gemeinsamkeit der Museen ist, dass die betroffene Institutionen bzw. die als Diebe veurteilten Hehler oft argumentieren: Es ist ja nicht so wichtig, wie das Stück in die betreffende Institution gekommen ist (also ob durch Raub, Erpressung oder Hehlerei), sondern dass das Stück hier ohne Zweifel am allerbesten präsentiert werde. Zynisch ist auch die Antwort, die die Vertreterin von ICOM dem Vertreter aus Afrika auf der UNESCO-Veranstaltung gab: Heute sei man ja mit der Digitalisierung von Bildern schon so weit, dass man sich in Afrika die Dinge auf dem Bildschirm anschauen und auf diese Weise am kulturellen Erbe teilhaben könne. Wie war das nochmals mit den Originalen?

Pflanzliche Tollerei

Geschrieben von am 9. Februar 2007 10:05

Patrick Blanc hat grüngefärbte Haare und ganz lange Fingernägel, mit denen er aber erstaunlich filigran zarte Pflanzen anfasst. Er ist habilitierter Biologe, genauer Tropen-Botaniker. Seine Liebe zu Pflanzen hat sich während zahlreicher Besuche von Aquarien schon in seiner Kindheit entwickelt, wobei er bald feststellte, dass die Fische eigentlich überflüssig sind. Seit einiger Zeit erfreut er andere Menschen mit seinen Kenntnissen von Pflanzen, indem er sogenannte murs végétals in oder an Gebäuden in der ganzen Welt erstellt. Die mittlerweile bekannteste ist die am Verwaltungsgebäude des Musée du Quai Branly. Nun hat er im Espace Electra des französischen Stromkonzernes EDF in Paris eine Ausstellung inszeniert, die eine wahre Freude ist. Das graue Pariser Schmuddelwetter war sofort vergessen, als ich durch die Tür trat: Es ist dunkel, sehr feucht und über mir wölbt sich eine Decke aus hängenden Pflanzen, begleitet vom Rauschen eines Wasserfalles. Die Ausstellung widmet sich den Pflanzen, die ganz wenig Licht brauchen, Pflanzen, die etwa in oder am Rande von Grotten wachsen. Es macht totalen Spass, diese Pflanzen zu entdecken, die beim näheren Betrachten viele Eigenheiten aufweisen. Im Untergeschoß wabert Nebel um eine Felsinstallation, auf dem oberen Stockwerk rauscht das Wasser in kunstvoll arrangierten Röhren, in denen Wasserpflanzen gleichsam schweben. Beeindruckend sind auch die Fotografien bzw. die Mikroskopaufnahmen von Früchten, Blüten, Blättern und Wurzeln. Und im Film (deshalb weiss ich auch von seinen Haaren und den Fingernägeln), der Patrick Blanc vorstellt, sagt er präzise, was sein Anliegen ist: Zu zeigen, wie anpassungsfähig Pflanzen sind und welchen großen Beitrag sie für die Biodiversität leisten. Das Rauschen des Wassers, die Lichteffekte, der Geruch der Pflanzen und die Farben der Pflanzen machen aus der Ausstellung ein wahrhaft synästhetisches Erleben. Kein Wunder, dass die Ausstellung an einem Vormittag mitten in der Woche sehr gut besucht ist. Aufgrund des großen Erfolges ist die Ausstellung bis zum 18. März verlängert worden.
Folies végétales via Kulturelle Welten.

Das DHM kündigt eine Tagung an

Geschrieben von am 8. Februar 2007 11:54

Im Deutschen Historischen Museum in Berlin findet zwischen dem 14. – 16. März 2007 das Internationale Symposium „Gedächtnis der Nationen? Neue nationale Geschichts- und Kulturmuseen: Konzeptionen, Realisierung und Erwartungen“ statt. Geladen sind illustre Gäste aus Japan, Neuseeland oder Frankreich. Es soll herausgearbeitet werden, so die Ankündigung, „ob und wie es den neukonzipierten Museen gelingt, Gedächtnis der Nation zu sein, um in diesem Sinne von den Besuchenden angenommen zu werden“. Besucher kommen aber, glaube ich, hier nicht zu Wort.

Das Programm kann man sich hier als PDF herunterladen.
Um sich die Gründung des DHM wieder ins Gedächtnis zu rufen, empfehle ich die Lektüre von Moritz Mälzer: Ausstellungsstück Nation. Die Debatte um die Gründung des Deutschen Historischen Museums in Berlin (Reihe Gesprächskreis Geschichte 59). Bonn 2005. Dieses Buch kann bei der Friedrich-Ebert-Stiftung als PDF oder altmodisch als Buch bezogen werden.

Musée du quai Branly, die vierte

Geschrieben von am 7. Februar 2007 13:04



Ich habe nun das auch hier schon viel besprochene Musée du Quai Branly in Paris besichtigt. Es hat mich sehr enttäuscht: weder Architektur, Museographie oder Präsentation ist neu oder gar innovativ. Es bietet kein Aha-Erlebnis, wie damals die Grande Galerie d’Évolution des naturhistorischen Muséum oder wie die Präsentation des Musée d’Orsay. Es wird sich dennoch durchsetzen, aber nicht, weil es richtig gut ist, sondern weil damit Prestige verbunden ist. Mein erster Eindruck (weitere werden noch folgen):
Den Besucher empfängt, wenn er den wirklich interessanten Garten durchquert hat und die üblichen Hürden (einmal anstehen für die Tickets, einmal für die Sicherheitskontrolle, einmal für den Einlass), überwunden hat, ein sehr dunkel gehaltenes Foyer. Dann begibt man sich auf eine Rampe, die auf einem geschwungenen Weg hinauf in die Ausstellung führt. Eigentlich handelt es sich eher um einen Tunnel mit einer sehr niedrigen Decke. Ab und zu werden kurze Sätze in Leuchtschrift eingeblendet, mal sieht man einen Film oder Dias. Sonst passiert nichts. Auch der Audio-Guide, (der 5 Euro kostet) gibt nur eine knappe Einführung her. Dennoch baut die Rampe eine Erwartungshaltung auf, die dann leider nicht erfüllt wird: Man strandet auf einer Art Kreuzung und weiß nicht genau, wo man hin soll. Es ist schummrig, es gibt keinen Eye-Catcher. Also schaue ich mir erst die androgyne Figur an, die da etwas verloren steht. Zwar hatte das Museum aufgrund des Protestes Objektbeschriftungen angebracht, genützt hat es jedoch nicht viel, haben die Schilder doch eine viel zu kleine Schrift und es ist viel zu dunkel, um sie überhaupt lesen zu können. Überhaupt wird es einem schwer gemacht, Objekte anzusehen: so stehen viele Objekte frei vor der Glasfassade. Zum Schutz wurde auf die Fassade eine perforierte Folie geklebt. Vor der Fassade sind allerdings ebenfalls, anders perforierte Jalousien angebracht. Es entsteht also eine Art psychadelischer Effekt, so dass man die Objekte vor lauter Augenflimmern gar nicht richtig ansehen kann. Dazu ist es schwierig, überhaupt den Weg zu finden durch den mit Vitrinen vollgestellten Ausstellungsraum; die Besucherführung ist gleich null. Ich weiß nicht, wo ich mich befinde und habe keinen Überblick, was mich erwartet. Es sind diese Sachen, die mich ärgern und die mir zeigen, dass da wenig an den Museumsbesucher gedacht wurde. Auch die Museographie halte ich für überdenkenswert – wie ich das meine, werde ich noch in anderen Posts zur Diskussion stellen.Auf ihn wirke das Museum, so ein französischer Freund und unvoreingenommener Biologe, wie ein luxuriöser Duty-Free-Shop. Nach meinem Besuch muss ich ihm Recht geben: ich habe noch nie so viele Menschen in einem Museum gelangweilt um Vitrinen wandeln, telefonieren und Zeitung lesen sehen noch habe ich so viele Unterhaltungen über Erziehungsprobleme oder geschäftliche Angelegenheiten mitangehört. Das Museum bietet dazu wirklich die ideale, dekorative Kulisse. Allerdings erinnert mich alles eher an eine Shopping Mall der Mittelklasse: im Juni 2006 eröffnet, zeigt die Ausstellung jetzt schon einige Gesprauchsspuren. So ist der Bodenbelag teilweise zerstört und elektrische Kabel ragen ungeschützt in den Raum hinein.

Das MQB im Museumsblog wurde hier, hier und hier besprochen.

Was macht eigentlich Jacques Hainard?

Geschrieben von am 6. Februar 2007 12:32

Man kennt ihn von internationalen Museumstagungen: Immer wenn es langweilig zu werden drohte, kam der französischsprachige Schweizer und provozierte mit einer Äußerung, die alle wieder aufweckte. Er hat zahlreiche Ausstellungen gemacht, als er Leiter des Musée d’Ethnographie Neuchâtel, die weltweit Aufsehen erregten. Das waren nicht nur Ausstellungen, sondern intellektuelle Experimente wie „Der Unterschied“ oder „Das kannibalische Museum„.
Die Devise des MEN lautet:

„Ausstellen heisst die Harmonie trüben.
Ausstellen heisst den Besucher in seiner intellektuellen Behaglichkeit stören.
Ausstellen heisst Gefühle hervorrufen, Wut und das Verlangen noch mehr zu wissen.
Ausstellen heisst einen spezifischen Diskurs über ein Museum führen, bestehend aus Gegenständen, Texten und Darstellungen.
Ausstellen heisst Gegenstände in den Dienst einer theoretischen Betrachtung, eines Diskurses oder einer Geschichte stellen und nicht umgekehrt.
Ausstellen heisst das Wesentliche durch kritische Distanz nahelegen, gefärbt von Humor, Ironie und Spott.
Ausstellen heisst gegen angenommene Ideen kämpfen, die Stereotypen und die Dummheit.
Ausstellen heisst gemeinsam eine Erfahrung intensiv leben.“

Man kann sich nur wünschen, dass dies in mehr Museen dies beherzigt würde! Schon seit einem knappen Jahr hat Hainard seinem Kollegen Marc-Olivier Gonseth das Feld überlassen, und leitet nun die Geschicke des Musée d’Ethnographie Genf. Dies soll von Grund auf neu konzipiert und renoviert werden, eine spannende Angelegenheit, für die Hainard in seinem Mot du Directeur viel Engagement und vor allem viel Liebe fordert. Ich zweifle nicht daran, dass er diese finden bzw. auch bei den Genfern entzünden wird.

Sieger in allen Kategorien

Geschrieben von am 5. Februar 2007 11:13



Das Musée des arts décoratifs in Paris präsentiert sich seit September 2006 mit neuem Konzept und neuer Gestaltung. Das Ergebnis ist mehr als gelungen. Hier haben sich offensichtlich Menschen, die ihre Arbeit lieben, mit der Sammlung intenisv auseinandergesetzt, sie haben sich nicht von Gestaltern reinreden lassen, sondern mit ihnen zusammengearbeitet und viele schöne Ideen umgesetzt, von denen man gar nicht genug bekommen kann. Der chronologische Rundgang beginnt im Mittelalter und reicht bis in die Gegenwart, und führt durch das ganze Gebäude (einem Seitenflügel des Louvre). Das Kunsthandwerk wird so interessant und abwechslungsreich präsentiert, es ist hell und freundlich, die Texte sind angenehm zu lesen. Schön sind die 10 auf allen Epochen verteilten „Period rooms“ (usprünglich eine deutsche Erfindung von Herrn Bode), die einen Eindruck ganzer Ensembles wiedergeben. Der Audioguide, der gratis in vier Sprachen zur Verfügung gestellt wird, stellt Objekte und Sammlung in einen größeren Kontext. Gut gefallen hat mir auch die thematische Ausstellungen in der Galerie d’études: Hier geht es um die beiden zentralen Themen Essen und Ausruhen. Die beiden Themen werden mit zahlreichen Objekten durchdekliniert. Dazu gibt es ein Heft, in dem ein Glossar Wörter und Ausdrücke zu beiden Themen kombiniert und erklärt. Ich bin restlos begeistert von dieser Präsentation: Der Museumsbesuch ist ein einziger Genuß, nicht, weil es sich nur um „schöne“ Objekte handelt, sondern weil alles stimmig ist.

Odilon Redon. Oder: Walking Man, engl. für: Diogenes

Geschrieben von am 31. Januar 2007 14:24

Merkwürdig, merkwürdig, was einem in der Ausstellung Wie im Traum. Odilon Redon in der Frankfurter Schirn passieren kann…
Zunächst zur Ausstellung selbst: sie ist sehr gediegen gemacht (d.i. hier positiv gemeint!), Brauntöne herrschen vor, es ist aufgrund der vielen Papierarbeiten nicht sonderlich hell. Die grelle Sensation wird dankenswerter Weise auch im übertragenen Sinn nicht gesucht, die Bilder hängen sogar, horribile dictu, chronologisch, innerhalb der Chronologie sind sie zusätzlich in leicht erfassbaren Themen wie Blumen, Apollo u.ä. geordnet.

Die wirklichen Perlen finden sich erst in der geduldsamen Lektüre der Ausstellung, gleich am Anfang etwa, unauffällig und dezent platziert, einige Vorbilder von Odilon Redons Arbeiten, zum Beispiel der Kuperstich Melancholie von Dürer, Goyas Radierung Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer und Bresdins großartige Arbeit Der gute Samariter (wer sich in das Bild mal reinzoomen will, hier ist dazu eine gute Gelegenheit).

Am erstaunlichsten (und der eigentliche Anlaß für dieses Posting) sind allerdings zwei Bildtitel in der Ausstellung. Die bekannten kleinen Kärtchen kleben neben den Bildern und geben die Provenienz (was für ein schönes Wort, nach hochnäsigen, verstaubten Depotwächterinnen klingend…), die Technik (Radierung etc.) und natürlich den Titel an, und zwar (in dieser Reihenfolge) auf französisch, deutsch und englisch.
Bei zwei Bildern ist mir aufgefallen, dass die englische Übersetzung etwas völlig anderes meint als der originale französische Bildtitel:

  1. Diogène / Diogenes / Walking Man
  2. David et Goliath / David und Goliath / Primitive Being

Merkwürdig, oder? Auch wenn sich meiner Kenntnis entzieht, wer letztendlich über Bildtitel bzw. genauer: Bildtitelübersetzungen bei Kunstwerken entscheidet, so erstaunt hier doch die übersetzerische Freiheit. Nimmt man hier evtl. Rücksicht auf einen (natürlich irrtümlicherweise angenommenen) kleineren mythologischen bzw. bildungsbürgerlichen Bildungshorizont bei Angelsachsen?

Sehr schön ist übrigens auch, das aus dem letzten Raum, der Wandbilder von Redon in einem ehemaligen Kloster räumlich andeutet, leise Klaviermusik durch die Ausstellung wandert. Man muß ja nicht gleich von Synästhesie sprechen, aber es lockert die Sache auf, weg vom stillen Götzendienst an der Kunst, die Musik schafft eine lockere Salonatmosphäre.

Sonst noch was?: Klar, großartige Werke von einem Künstler, von dem ich bisher nur das Muschelbild und die Poe-Illustrationen (das berühmte Auge als Fesselballon) kannte. Das Bild mit der Muschel ist natürlich da & großartig, aber auch einige Blumenbilder bezaubern.
Tipp: Man sollte nicht an einem dunklen Wintertag reingehen, die Papierarbeiten sind oft tiefschwarz und lassen einen in der nächsten Nacht schlecht träumen.

Hier ein paar Bilder aus der Ausstellung.

Das Centre Pompidou wird 30!

Geschrieben von am 31. Januar 2007 11:27

Am 31. Januar 1976 wurde das Centre Pompidou in Paris eingeweiht. Was mußten die Macher sich damals für Vorwürfe anhören wie „Kulturfabrik“ oder Ölraffinerie“. Heute ist es aus dem kulturellen Leben von Paris nicht mehr wegzudenken, bietet es doch sehr viel, auch wenn mit der Sanierung seit 2000 viele Angebote nicht mehr kostenlos sind und eine Hinwendung zum Elitären zu konstatieren ist. Das Centre hat die Hemmschwelle zwischen Kunst und Bevölkerung jedoch drastisch gesenkt. Hier traut sich jede und jeder rein, und sei es nur, um zu gucken. Und vielleicht kommt man ja auch wieder, um das nationale Kunstmuseum, die Ausstellungen, Musik- und Theaterveranstaltungen, Vorträge, Filme… zu sehen und zu hören.
Ich verdanke dem Centre sehr viel: es ist ein Grund, weshalb ich mir das Museum als Betätigungsfeld ausgesucht habe. (Vielleicht bewerte ich das Centre deshalb heute noch viel zu positiv.) Als ich in den 1980er Jahren für ein Jahr in Paris war, hatte ich eine Jahreskarte. Ich habe dort großartige Sachen gesehen, gehört, erlebt. Eine Ausstellung hat mich am meisten fasziniert: Les Immatériaux, erdacht vom Philosophen Jean- François Lyotard und Thierry Chaput. Die Ausstellung war ein einziges sinnliches Erlebnis, grandios inszeniert. Sie ist später geradzu mythisch verklärt worden, zu Recht, wie ich finde, da sie das Medium Ausstellungen (aller Art, nicht nur kunstgeschichtliche) revolutioniert hat.
Deswegen auch von mir persönlich einen herzlichen Glückwunsch, an das Centre, verbunden mit dem Wunsch, es möge verstärkt wieder so avantgardistisch arbeiten!
Zum Jubeltag bleibt heute das Centre Pompidou, das in Paris kurz Beaubourg heißt, allerdings geschlossen: die Prominenz möchte dann doch lieber unter sich feiern.

Der Geburtstag
zum Hören: Radio France Culture macht eine Reihe, die auch zum Teil direkt aus dem Centre kommt.
zum Lesen:
Samule Herzog schreibt in der NZZ-online.
Ein bissiger Text von Jacqueline Hénard im tagesanzeiger.ch
Les Immatériaux: hier findet man eine gesprochene Vorstellung der Ausstellung.

Die Bahn möchte lieber ihre Version des Holocausts

Geschrieben von am 30. Januar 2007 10:38

„Elftausend Kinder“, das ist eine Foto-Ausstellung über die während des Nationalsozialismus ermordeten Kinder, die Beate und Serge Klarsfeld federführend in Frankreich mit einem Verein erarbeitet haben. Sie erinnert an die Kinder zumeist deutscher Herkunft, die mit der Bahn von Frankreich aus in die deutschen Vernichtungslager fuhren. In Frankreich wurde die Ausstellung, unterstützt von der französischen Bahngesellschaft SNCF, an vielen Bahnhöfen gezeigt. In Deutschland lehnte die Deutsche Bahn, bzw. Herr Mehdorn, das Ansinnnen mit fadenscheinigen Gründen ab. Es kam im Sommer 2006 zum Eklat, über den der Museumsblog berichtete. Am 1.12.2006 kam es, durch die Vermittlung von Verkehrsminister Tiefensee, zu einer Einigung: Dem Deutschlandfunk sagte Beate Klarsfeld im Interview, dass das Bahnmuseum in Nürnberg für Januar 2008 eine Ausstellung vorbereiten werde, in der es auch über die Rolle der Reichsbahn bei den Deportationen gehen solle. Der Verein stelle dafür Material zur Verfügung, wobei alle weiteren Modalitäten für Beate Klarsfeld nicht geklärt waren: sie ging weiterhin von einer Ausstellung auf deutschen Bahnhöfen aus. Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar zeigte sich nun, das keine Einigung erzielt wurde und die Fronten eher verhärtet sind. So wird in der Frankfurter Rundschau der Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff zitiert:

„Mehdorn beschädige mit seiner Weigerung „massiv“ das moralische Fundament der Bundesrepublik, rügte Krippendorff. Der Bahnchef kündige „partiell den Konsens der deutschen Demokratie auf“. Besonders infam sei es, dass die Bahn AG Beate Klarsfeld aufgefordert habe, Exponate aus der Ausstellung „Elftausend Kinder“ für eine eigene Bahnschau zu Verfügung zu stellen. Damit werde das Gedenken ins Belieben der Bahn AG gestellt, kritisieren die Demonstranten. Vor allem das Schicksal der Kinder werde dann wohl nicht mehr gewürdigt.“

Letzten Samstag setzten sich mehrere Menschen in vielen Aktionen dafür ein, dass die Ausstellung nun endlich hier auf deutschen Bahnhöfen gezeigt werden kann. Es fuhr der „Zug der Erinnerung“ zwischen Würzburg und Schweinfurt mit Teilen der Ausstellung „Elftausend Kinder“, ganz legal von einer Bürgerinitiative gemietet. In anderen Städten verteilte Demonstranten auf den Bahnhöfen und in den Zügen Flyer, um die Reisenden auf das Thema aufmerksam zu machen. Die Bahn ging mit den Demonstranten nicht zimperlich um, verhinderte Vorträge vor den Bahnhöfen und auf den Bahnsteigen, wie mehrere TeilnehmerInnen berichten. Das Ganze trägt also weiterhin zur Beschädigung der Bahn bei.

Auf der Seite von German-Foreign-Policy.de ist ein Dossier zu den „Elftausend Kindern“ zu finden.

Berliner Werkbundarchiv

Geschrieben von am 26. Januar 2007 11:23

Ein Museum, das mit Sicherheit ein Lieblingsmuseum wird, ist leider schon längere Zeit nicht zu besuchen, da es kürzlich in die Oranienstraße umgezogen ist, bzw. der Umzug der Sammlung noch bevorsteht. Bis dahin muss man sich mit der anregenden und unschlagbaren Website des Berliner Werkbundarchivs begnügen, die immer wieder zu einem virtuellen Museumsbesuch einlädt. Man entdeckt dort so viele wunderschöne Dinge wie Wundertüten, Sondersammlungen, die Sammlung der Superlative oder das Ding des Monats (im Januar ist es eine Prunkkanne im Stil der Neo-Renaissance, und ich bin schon sehr auf das Februar-Ding gespannt). Und am Ende verlässt man die Seite mit dem dringlichen Wunsch, Dingpfleger zu werden und die Pflegschaft für einen Stuhl, einen Wachpostenstiefel oder die Kanne “Lebensgefahr“ zu übernehmen. Grund zur Freude besteht: Ende 2007 wird das Museum mit einer Ausstellung zum einhundertjährigen Jubiläum des Deutschen Werkbunds endlich wieder eröffnet.

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