Wie ein Museum auch an Objekte kommt

Geschrieben von am 28. Januar 2009 11:10

Zum zwanzigjährigen Geburtstag 2008 forderte das Musée d’Orsay in Paris vier Filmemacher auf, Kurzfilme über das Museum zu drehen. Dieses Projekt kam nicht zum Abschluss, dafür entstand ein Kinofilm mit dem Titel L’heure d’été – Sommerzeit. Der Regisseur Olivier Assayas hatte carte blanche und entspann eine Geschichte um die Verteilung des Erbes in einer französischen Familie. Hélène feiert ihren 75 sten Geburtstag zusammen mit Kindern und Enkelkindern in einem bourgeoisen Traum-Haus mit Garten, das aus einer anderen Epoche zu sein scheint. Die Mutter weiht den ältesten Sohn in ihre Vorstellungen ein, wie nach dem Tod mit dem Erbe umzugehen sei. Zu verteilen gibt es einiges: da wären die Art déco- Möbel von Majorelle, der Schrank von Josef Hoffmann, die Bilder von Odile Redon und natürlich die beiden Corots, nicht zu vergessen einige kostbare Vasen, Geschirr und die Stücke einer Statue von Degas, die die Kinder beim Spielen kaputt gemacht hatten.

Als die Mutter überraschend einige Monate später stirbt, müssen die drei Geschwister sich einigen, was mit dem Haus und der Sammlung passiert; beides hatte einst dem Großonkel, einem Künstler gehört; die Mutter hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Erbe über 30 Jahre lang zu pflegen. Nur der älteste Sohn, bezeichnenderweise ein Ökonom, ist daran interessiert, alles zu behalten. Er kann sich das aber nicht leisten. Nun kommt das Musée d’Orsay ins Spiel: manche Stücke hatte die Mutter dem Museum versprochen; nicht zuletzt ermöglicht der französische Staat, mit Kunst die Erbschaftssteuer zu zahlen.

Der Umgang mit dem Erbe wird mit prominenten SchauspielerInnen wie Juliette Binoche und Charles Berling leider etwas flach und vor allem leidenschaftslos erzählt. Es sind einige wenige Momente, die den Film sehenswert machen: Die Stücke der Statue von Degas werden in der Plastiktüte aus dem Supermarkt Leclerc aufbewahrt. Die Vase, die sich die Haushälterin nach dem Tod der Mutter heraussucht, weil sie ihrer Meinung nichts wert sei, da sie die Vase als häßlich empfindet und sie aus Bescheidenheit nichts Teures annehmen möchte – da weiss die Zuschauerin aber schon , dass diese Vase von einem bekannten Künstler stammt. Der mit Papieren überladene Schreibtisch, der so dekorativ im Atelier der Mutter stand, steht nun prominent im Museum, doch die BesucherInnen gehen achtlos daran vorbei – und die Erben fragen sich, wo er eigentlich besser gestanden hatte. Ohne eine Antwort zu finden.

Viel Neues oder gar Erhellendes zum Umgang mit Sachen liefert der Film nicht. Er bietet einige Hinweise darauf, wie wir mit Dingen umgehen, was sie uns wert sind, wie Dinge zum kulturellem Erbe werden und was mit ihnen – im Idealfall – im Museum passiert. So plätschert der Film vor sich hin, man wohnt verschieden Formen des Verlustes bei – der Verlust eines Menschen, von Dingen und eines Hauses, das für die Famile stand, die es nun nicht mehr gibt – deren Mitglieder sich aber freiwillig entschieden haben, sich von allem zu trennen.

Der Film ist dieser Tage in österreichischen Kinos angelaufen. Hier ein Interview mit dem Regisseur und hier eine Kritik im Orf

Rosige Zeiten für die Kultur in Frankreich

Geschrieben von am 15. Januar 2009 17:26

Der französische Staatspräsident hat am 13.1. in Nîmes eine Rede gehalten, in der er der Kultur seine Unterstützung verspricht. In Le Monde kann man nachlesen, was der Präsident in Sachen Kultur so vorhat: er möchte nicht, wie schon befürchtet wurde, das Kulturministerium abschaffen und kürzt auch nicht dessen Etat – im Gegenteil, einige Bereiche erhalten sogar eine Aufstockung. Eine andere Maßnahme wird den Staat auch noch zusätzliches Geld kosten: wer jünger als 25 Jahre ist, soll ab April 2009 künftig umsonst in die staatlichen Museen dürfen. Sarkozy kündigte noch weitere Aktionen an, wie etwa eine Art Kunstrat, den der Regisseur Marin Karmitz leiten soll. Und er kündigt die Gründung eines französischen Geschichtsmuseum an – diese noch etwas vage Ankündigung bringen sicherlich viele Vermutungen hervor, wie und wo – als Standort im Gespräch ist etwa das Hôtel des Invalides, in dem sich neben dem Armeemuseum einige weitere Museen befinden.

Und, es geschehen noch Zeiten und Wunder, hat er etwas angekündigt, was von vielen lange erwartet wurde: Sarkozy möchte, dass das lange geplante, immer wieder verschobene Mucem, das Museum der Zivilsationen Europas und des Mittelmeeres in Marseille 2012 die Pforten öffnet. Da die Ankündigungen von Staatspräsidenten in Frankreich stets umgesetzt werden, kann man ja schon einmal die Reise nach Marseille planen.

Herzlichen Glückwunsch, Monsieur Lévi-Strauss

Geschrieben von am 28. November 2008 09:29

Der große Claude Lévi-Strauss wird 100.
Joyeux anniversaire kann man da nur ehrfürchtig wünschen.
Gefeiert wird CLS zur Zeit in allen Medien; zum Beispiel gestern mit einem Film auf arte (der noch einige Male wiederholt wird) und in dem er in Interviews in geschliffenen Sätzen gut verständlich seine Ideen erläutert (zum Beispiel was eine Pusteblume mit dem Strukturalismus zu tun hat). Heute ist ihm ein Tag im Musée du quai Branly in Paris gewidmet- das er von Beginn an als einer der wenigen unter den EthnologInnen entschieden unterstützte. Dort ist eine Ausstellung mit Fotografien zu sehen, die CLS auf seinen Feldforschungen gemacht hatte. Bekannte Persönlichkeiten lesen den ganzen Tag aus seinen Büchern; in der Dauerausstellung finden Führungen zu den Objekten statt, die er gesammelt hatte.
Ich möchte hier auch noch an die Rolle erinnern, die er für das nationale Volkskundemuseum MNATP in Paris gehabt hatte – er lieferte nämlich das Grundkonzept für die Dauerausstellung, die dann später Georges Henri Rivière mit seinen MitarbeiterInnen mit Inhalten füllte. Der Legende gemäß passte das Konzept auf einen Zettel.
CLS hat auch stets eine klare Vorstellung davon, was ins Museum gehört und was nicht: „Die Museen sind zunächst dazu da, so CLS 1992, „Objekte aufzubewahren und dann erst für die Besucher (…) Man muss respektieren, dass all das, was verdient, untersucht zu werden, nicht unbedingt verdient, bewundert, ausgestellt oder gar aufbewahrt zu werden. Man muss die Frage stellen können, was schön ist und was nicht.“*

*zit. nach: Isac Chiva: Entretien avec Claude Lévi-Strauss. In: Le Débat 70 (1992), S. 165-173.
das Bild von CLS habe ich von hier

Sitzen im Museum X

Geschrieben von am 29. September 2008 09:59


Das Sitzmöbel im Musée de la Chasse et de la Nature in Paris erinnert an das im Ashmolean Museum in Oxford. Einmal plüschig rumrutschen und man hat alles im Blick.

Der Philosoph im Museum

Geschrieben von am 3. September 2008 11:58

Es war eine der ersten Ausstellungen, die ich bewusst gesehen habe und die mich damals schon beeindruckt hat, obwohl ich mit Museen noch nichts am Hut hatte: Les Immatériaux, die 1985 im Centre G. Pompidou in Paris gezeigt wurde. Ich erinnere mich, dass die Ausstellung von Anfang an in den Bann gezogen hat, und an wunderliche Räume und Bilder, die nur mit Hilfe des Kopfhörers zu verstehen waren (und das leider nicht immer).
Nun ist die Dissertation von Antonia Wunderlich erschienen, die sich dem „Philosophen im Museum“ widmet. Es war
Jean François Lyotard, der diese, später noch viel zitierte und mythisierte Ausstellung, ein Leuchtturm der Szenographie, gemeinsam mit Thierry Chaput konzipierte.
„Das Buch reflektiert »Les Immatériaux« als eigenständiges philosophisches Werk Lyotards, dessen Wechsel vom akademischen Philosophen zum Kurator einige philosophische und ausstellungsgestalterische Besonderheiten mit sich brachte“, so heißt es auf der Seite des Verlages.
Hier gibt es auf artnet.de schon einmal einen Vorgeschmack.

Der Philosoph im Museum.
Die Ausstellung »Les Immatériaux« von Jean François Lyotard
Transcript Verlag
Juli 2008, 264 S., kart., zahlr. Abb., 28,80 €
ISBN 978-3-89942-937-4

Carte Blanche für Christian Lacroix

Geschrieben von am 25. August 2008 15:56

Schon als Jugendlicher war der aus Arles gebürtige Christian Lacroix ein Fan des Musée Réattu, hat dort erste künstlerische Entdeckungen gemacht, Inspiration für seine späteren Kreationen gesammelt und, last but not least, auch mit mancher Jugendliebe Händchen gehalten. Damals hätte er es sich wohl kaum träumen lassen, dass dieses ehrwürdige Museum, das in einem Renaissance Palais, einst Grosspriorat des Malteserordens, untergebracht ist, ihm einst carte blanche für eine Ausstellung geben würde. Das Museum hatte damit einen überaus glücklichen Einfall. Wunderbar gelungen ist diese Inszenierung die sich über alle Säle des Museums erstreckt. Lacroix wählte Bilder und Skulpturen aus den Beständen des Museums um sie in thematischen Räumen mit moderner Kunst, Installationen, Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen und Fotos und seinen eigenen Haute Couture Modellen zu konfrontieren. In jedem Detail wird das Auge und das Gespür für Farben, Gegensätze, Harmonien des Modeschöpfers sichtbar. Eigens nach Entwürfen von Lacroix angefertigte Teppiche sind ebenso Bestandteil der szenischen Einrichtung wie die subtilen Farbschattierungen der Wände und lassen somit das Museum und seine Objekte zu einem Gesamtkunstwerk werden.

Leider läuft die Ausstellung nur mehr bis zum 31. Oktober, aber wer in der Gegend ist, sollte sie sich nicht entgehen lassen.
Eine andere äusserst interessante Initiative des Musée Réattu gilt es noch zu erwähnen: 2007 hat das Museum eine eigene Abteilung für „Hörkunst“ geschaffen. In einem (von Lacroix gestalteten) Raum, der „chambre d’écoute“ mit orientalisch anmutenden Diwan-Betten und Blick auf die breit dahinströmende Rhône kann man sich in die Kissen zurücklehnen und „Hörbildern“ lauschen. Jeden Monat wird ein anderes Werk vorgestellt, diesmal war es „Containers“ der Australier Sherre Delys und Russel Stapleton das versucht, die „Melodie“ des Hafens von Sydney einzufangen.

Eine Trouvaille mitten in Paris

Geschrieben von am 11. August 2008 16:20

Ein unscheinbares messingfarbenes Schild im Pariser Stadtviertel Marais verweist auf das um die Ecke liegende Museum, das Musée de la chasse et de la nature. Um so spannender ist aber der Besuch des Museums selbst. Was man hier alles zu sehen bekommt und wie, ist einfach grandios: es war einer der kurzweiligsten Museumsbesuche überhaupt. Auf kühne und elegante Weise wird hier ein nicht unumstrittenes Thema, nämlich die Jagd, mit (zeitgenössischer) Kunst und klassischen musealen Inszenierungen präsentiert, die perfekt in das historische Gebäude eingebunden sind. All das geschieht mit einem leichten Augenzwinkern.

In zwei Rundgängen – die hier ganz gut nachvollzogen werden können – läuft die Besucherin durchs Haus. „Das Bild des Tieres“ widmet sich verschiedenen Tieren wie Wolf und Hase; ein Wildschwein begrüßt mich als erstes. Künstlerische Darstellungen aus Vergangenheit und Gegenwart werden naturwissenschaftliche Erkenntnisse entgegengesetzt und ermöglichen gewissermaßen, mit den Augen des Jägers zu sehen. Dazu dienen etwa eine Art Schränke, bei denen man viele Schubladen aufziehen kann.

Imposante zeitgenössische Kunstinstallationen laden ganz direkt, aber auch versteckt ein, über das eigene Verhältnis zu Tieren nachzudenken. Der zweite Rundgang, „Jagd und Kunst“, thematisiert das Sammeln selbst. Die Atmosphäre eines Sammler-Hauses soll vermittelt werden, genauer die des Sammlerpaars, François und Jacqueline Sommer, die in den 1960er Jahren die Sammlung anlegten.

Das geschieht nie ungebrochen und wird dann im 2. Stock konsequent bis in die Gegenwart fortgesetzt. Der amerikanische Künstler Mark Dion hat hier mit der Installation der Sommerschen Jagdhütte den Museumsgründern ein unprätentiöses Denkmal gesetzt.

Sehenswert sind auch die beiden Stadtpalais, in denen das Museum untergebracht ist: das Hôtel de Guénégaud, um 1655 erbaut von François Mansart, ist das einzige Hôtel im Marais, das noch vollständig erhalten ist.
Beim nächsten Paris-Besuch auf GAR KEINEN Fall versäumen!

Das Intro der Website laut anhören.
Musée de la Chasse et de la Nature

62, rue des Archives
750003 Paris , Metro Rambuteau
Di-So 11-18 Uhr, mo und feiertags geschlossen

Geld für den Menschen

Geschrieben von am 23. Juli 2008 15:48

Im Musée de l’Homme in Paris freut man sich dieser Tage bestimmt ganz ordentlich, denn die französische Regierung hat 50 Millionen Euro für die Renovierung des Museums bereitgestellt. Damit soll, wie es in Le Monde heisst, das Gebäude saniert und die Dauer- und Wechselausstellungsräume von rund 3500 qm eine neue Inhalte und eine neue Museographie erhalten. Das war, nachdem große Teile der Sammlung in das Musée du quai Branly überführt worden waren, so eigentlich gar nicht zu erwarten gewesen.
Der Leiter des Projektes, Jean-Pierre Mohen, erzählte der Zeitung auch, was genau geplant ist:

„Das Ziel ist es, der Öffentlichkeit die große Saga des Menschen seit ihren Ursprüngen bis in unsere Zeit zu präsentieren, indem alle Aspekte behandelt werden, die dem Menschen eigen sind: seine Evolution, seine Biologie, seine verschiedenen Gesellschaftsformen, seine Eingriffe in die Umwelt und seine aktuelle Situation.“

Damit würde das Museum einen völlig neuen Akzent setzen. 2012 soll alles komplett fertig sein.
Der erste Teil der Saga ist ja bereits im Museum zu sehen.
Der Museumsblog hat hier und hier bereits darüber berichtet.
Im Musée de l’Homme ist übrigens gerade eine Ausstellung über die Ethnologin, Widerstandskämpferin und KZ-Überlebende Germaine Tillion zu sehen, die im April dieses Jahres verstarb und die lange Jahre für das Musée de l’Homme gearbeitet hat.

Sitzmöbel VII

Geschrieben von am 22. Juli 2008 09:29

Hier lässt es sich in der Cité national de l’histoire de l’immigration in Paris angenehm sitzen: Im ehemaligen Rezeptionssaal während der Kolonialausstellung 1931 und dem heutigen Forum.

Sitzen im Museum VI

Geschrieben von am 22. Juli 2008 09:23


So unprätentiös kann man in der Cité nationale de l’histoire de l’immigration in Paris sitzen.
In der Realität sieht man die Bank allerdings doch etwas besser als die Kamera.

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