Ein Stück Frankfurt in Berlin

Geschrieben von am 30. Juni 2010 22:41

Wo könnte man an einem lauen Sommerabend in Berlin hingehen? Nächsten Montag würde ich in das Museum der Dinge gehen, um ein Stück Frankfurt zu betrachten und auszuprobieren.

Montag ist Jour fixe im Museum der Dinge, und an diesem Montag wird die Küche vorgestellt, die die österreichische Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky für das Neue Frankfurt entwarf, als Mitarbeiterin im Stadtplanungsamt von Ernst May. Noch heute kann einen die schlichte Funktionalität der Küche begeistern.
In Berlin soll auch die Küche als Raum auch nachvollziehbar sein:

Das Küchen-Interieur soll in zwei Zuständen erlebbar sein: Zum einen die neutrale sachliche Anschauungsmöglichkeit des historischen Möbel-Ensembles und zum anderen eine animierte Betrachtungsvariante mit einer akustisch-visuellen Bespielung. Grundlagen dieser poetisierenden Intervention und Animation sind die in der Küche materialisierten programmatischen Positionen, die Kommentare der Entwerferin, des historischen Umfelds und der späteren Nutzer sowie damit verbundene programmatische Positionen der Zeit, z.B. von Bruno Taut aus seiner Publikation „Die neue Wohnung“ von 1924.

In Frankfurt ist übrigens eine der 10.000 Küchen, die es gab, im historischen museum zu sehen.

Am Sonntag geht’s nach Neukölln,

Geschrieben von am 13. Mai 2010 17:50


wenn ich in Berlin wohnen würde. Denn dann eröffnet im Gutshof Britz das Museum Neukölln, das mit 99 Objekten den Berliner Stadtteil erklären möchte.

Die 99 Objekte kann man sich auch in Ermangelung einer Berlin-Reise schon im Internet ansehen. Neukölln bildet den Auftakt einer Serie von neugeordneteten stadtgeschichtlichen Museen in Deutschland – wir können also zu Recht gespannt sein.

Der Universalkünstler Olbrich ausgestellt

Geschrieben von am 20. März 2010 14:42

Die Mathildenhöhe in Darmstadt würdigt ihren Erbauer: dem Architekten Josef Maria Olbrich, ist eine opulente Schau gewidmet.
Olbrich, 1867 im österreichischen Troppau geboren, wird in Wien zum Architekten. 1899 kam er auf Einladung von Großherzog Ernst Ludwig nach Darmstadt. Zu Lebzeiten, aber auch noch nach seinem viel zu frühen Tod 1908 war er regelrecht ein Star der europäischen Architektenszene. Er wird als Vertreter des Jugendstils geschätzt, aber seine Werke verweisen schon auf die Schlichtheit des Bauhauses.

Der Großherzog Ernst Ludwig beauftragt Olbrich 1899, die Künstlerkolonie zu entwickeln und zu erbauen – das Ergebnis ist heute ja noch, zumindest teilweise zu besichtigen. Das größte Exponat der Ausstellung ist sozusagen die Mathildenhöhe selbst, allen voran der Hochzeitsturm, hier links auf dem Bild.

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Genuss im Museum

Geschrieben von am 8. Februar 2010 10:50

Ein echter Genuss ist die Ausstellung Koscher & Co. Über Essen und Religion im Jüdischen Museum in Berlin: der Genuss beruht auf einer spannenden Ausstellungsidee, die mit schönen Objekten kongenial umgesetzt wurde.

Doch von vorne: Am Eingang der Ausstellung bekommt man von der netten Dame einen Löffel in die Hand gedrückt. Mit diesem Löffel, so erklärt sie, kann man Rezepte einsammeln, in dem man ihn auf einen dafür bereitgestellten Teller streicht. Die Rezepte können zu Hause dann im Internet abgerufen werden. Das funktioniert und macht Spass, blinkt doch der Teller immer so schön auf, wenn der Löffel über ihn streift, so dass man bei der Sache bleibt, um ja nicht den nächsten Teller zu verpassen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Verhältnis von Essen und Religion. Warum essen Menschen so unterschiedliche Sachen und warum nicht? Warum gilt manche Nahrung, manches Tier als rein und warum nicht, sind die Hauptfragen.
Die jüdischen Speisegesetze, die Kaschrut, werden ergänzt um einen Blick auf christliche, hinduistische und islamische Traditionen. In zehn Gängen wird uns die Ausstellung serviert. Verbote wie Gebote spielen eine Rolle, hauptsächlich aber der identitätsstiftende Aspekt, den der Soziologe Georg Simmel hier so schön einmal beschrieben hat. Die Religion wird sozusagen mitgegessen. Die Ausstellung fängt bei der biblischen Schöpfungsgeschichte mit Adam und Eva an – visualisiert mit zwei Statuen, flankiert von einer Parade reiner und unreiner Tiere.

Dem Raum Eden folgen Gesetz, Opfer, Fleisch, Brot, Wein, „Mahl“, Genuss und Verzicht, Brot des Elends und Identitäten – hier sind wir bei der Gegenwart angelangt.
Der Genuss, die sinnlichen Gaumenfreunden und Symbole in der Küche werden vielgestaltig präsentiert: der Bogen spannt sich dabei von Gemälden, Fotografien, rituelle Gegenständen, alltäglichen Küchenutensilien zu handlungsüblichen Nahrungsmitteln aus der Gegenwart. Es macht Spass, sich in die Inhalte zu vertiefen, weil die Texte gut geschrieben sind und auch in die Tiefe gehen. Viele Fragen werden beantwortet, auch die, die man sich so gar nicht gestellt hätte (- etwa wie sich das koscher essen mit den tierischen Ungeziefer im Salat vereinbaren lässt, eigentlich ein interaktive Station für Kinder…)
Die Ausstellung ist, (um bei den Begrifflichkeiten des Essens zu bleiben) keine leichte Kost, aber auch nicht zu schwer verdaulich.

Auch das Auge isst ja bekanntlich mit: Die 10 Räume haben alle ein eigenes Thema, das sich in Farben, oder in Ton- oder Bild installationen widerspiegelt. Sehr schön integriert sind die Medien: mal füllen Hör-Installationen einen ganzen Raum. Auf Monitoren, die zwischen die Vitrinen unauffällig eingepasst sind, kann man mit sich zum Beispiel Filmausschnitte ansehen. Sehr schön ist die Installation eines Tisches, an dem gemeinsam gegessen wird.
Besonders beeindruckend ist auch der schlicht gehaltene Raum, in dem es um die Einhaltung der Speisegesetze während der NS-Zeit geht – sichtbar gemacht vor allem mit damals ausgegegeben Essenskarten mit unvorstellbaren Streichungen.

Die Ausstellung ist noch bis Ende Februar zu sehen und unbedingt zu empfehlen. Es ist damit zu rechnen, dass Sie am Ende Appetit bekommen haben – vor allem wenn Sie sich noch die Videointerviews am Ende der Ausstellung anschauen, in denen die interviewten Personen die jüdischen Speisegesetze für ihr Leben und Glauben erläutern. Abhilfe tut dann das museumseigene Cafe, und auf dem Weg dahin kann man sich an koscheren Gummibärchen aus dem Automat erfreuen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, Projektleiter der Ausstellung ist Bodo-Michael Baumunk, die Gestaltung stammt von Norbert W. Hinterberger und Catarina Popp.
Hier und hier können noch Ausstellungsrezensionen gelesen werden.

Figurinen im Museum XVII

Geschrieben von am 28. Januar 2010 13:58

Nein, das ist nicht nur einfach eine Figur, die wie ein Mensch aussehen soll, der vor über 27. 000 Jahren lebte und jetzt im Neuen Museum in Berlin rumhockt. Hierbei handelt nichts weniger als einen Eiszeitlicher Künstler, der gerade dabei ist, eine kleine Venus herzustellen.

John Soane’s Museum

Geschrieben von am 10. Januar 2010 20:40


Für Nina Gorgus, der ich viele inspirierende Texte, Unterstützung als Neo-Blogger und die Entdeckung neuer Museen verdanke. Gottfried Fliedl

Wohnhaus, Studio, Archiv, Galerie, Antikensammlung, Bibliothek, Gruft? Von allem etwas, aber sicher nicht das was wir landläufig unter Museum verstehen. Zu Lebzeiten seines Schöpfers war es das auch nicht, sondern Wohnsitz der Familie Soane. Dieses Hybrid von Räumen, Gängen, Treppen, Schächten, Durchblicken, Vexierbildern ist – heute – John Soane’s Museum. Eines der merkwürdigsten, bizarrsten, interssantesten Museen überhaupt.

John Soane (1753 – 1837) galt bereits zu Lebzeiten und gilt bis heute als einer der bedeutendsten englischen Architekten. Von dem Einkommen, das er aus seinen Projekten bezog – darunter war eine der wichtigsten und größten Bauaufgaben seiner Zeit, der Neubau der Bank of England –, und auf Grund von Erbschaften konnte er sich, als angesehener und wohlhabender Mann, im Londoner Lincoln’s Inn Fields niederlassen.
Er erwarb dort das Haus Nr.12 und nach und nach zwei benachbarte Häuser und baute sie in Etappen aus. Zum Entsetzen seiner Erben vermachte er alles dem Staat und bestimmte in einer testamentarischen Verfügung, dieses Ensemble unverändert als Museum der Öffentlichkeit zu bewahren – for the benefit of Amateurs and Students of Painting, Sculpture and Architecture. Dieser Wunsch wurde nach Soanes Tod erfüllt, das Museum öffnete noch in seinem Todesjahr und so blieb dieser einzigartige Ort seither weitgehend unverändert erhalten.


Die elegante und schlichte Fassade und der schmale Korridor, den man hinter der Eingangstür findet, lassen nicht ahnen, in welch labyrinthisch verzweigtes Pasticcio von Räumen man sich gleich verirren wird. Vertikale und horizontale Durchbrüche lenken den Blick auf ständig wechselnde Sichtachsen, von raffiniert konstruierten verdeckter, z.T. von buntem Glas gefilterter Belichtungen magisch erhellte Räume verschachteln und verschieben sich wie Kulissen ineinander, Verspiegelungen und Nischen und diaphane Wandteile verrätselten zusätzlich die Rumstruktur. Kunstwerke, wie z. B. eine Florabüste, sind vor Spiegelglas aufgestellt und spiegeln ihr Spiegelbild ihrerseits wieder in einem konvexen Rundspiegel.
Nicht genug damit. Soane hatte eine Vorliebe für in die Decke eingelassene, gewölbte, runde Konvexspiegel, die den umliegenden Raum wie in einem Brennglas fangen und Raum und Ausstattung verfremden.
Der Grundriss sieht recht überschaubar aus, aber es scheint der Architekt alles unternommen zu haben, um über diesem rationalen Raster ein Reich der überraschenden Übergänge, der beständigen Verwandlung, der Auflösung der festen Grenzen, des flutenden Lichts zu schaffen. Die Räume sind auf recht unterschiedliche Weise untereinander verbunden, nicht alle kann man betreten, aber man kann in sie hineinsehen und andere bilden überlegt inszenierte Blicke auf Räume, Raumteile oder ein bestimmtes Arragement von Objekten.
Soane scheint sein Haus wie ein Regisseur genutzt zu haben, das er Interessierten wie eine Bühne öffnete, aber nur wenn das ihm geeignet scheinende Licht herrschte, lumiére mysterieuse, das den Dingen ein eigentümliche Zwischendasein zwischen Schatten und Helligkeit verleiht.

Alle Räume sind Auf- und Ausstellungsorte für Soane’s Sammlung aberhunderter Objkete: Kunstwerken, Fragmente, Spolien, Kopien, Gemälde, Zeichnungen, Pläne, Statuen, Büsten, Ornamente, Figurinen, Architekturskizzen, Modelle. An die 3000 Objekte umfasst die Sammlung überwiegend ägyptischer, griechischer und römischer Objekte. Und das in einer keineswegs musealen, sondern in einer – zumindest nicht auf den ersten und zweiten Blick – durchschaubaren, rätselhaften Mischung.Die von Museen gewohnte chronologisch-kunsthistorische Ordnung, die sich in jener Zeit in Museen durchsetzt, gibt es hier nicht. Völlig unterschiedliche Dinge halten engste Nachbarschaft, weder nach Größe, Herkunft, Stil oder Funktion vergleichbar.
Tatsächlich gibt es all die einzelnen Funktionen, die man von einem (gutbürgerlichen) Haus erwartet – die wohnlichen Räume, einen Ankleideraum, einen Speiseraum usw., aber auch ein Studio, in dem Soane mit seinen Architekturstudenten arbeitete, die Bildergalerie (picture room), die durch eine ingeniöse Anordnung verschiebbarer und aufklappbarer Wände in einem verhältnismäßig kleinen Raum viele Werke aufnehmen kann, dann aber auch eine Art Binnenhof, monks parlour, der mit einschlägigen Spolien bestückt, Soane als Bühne für gesellige Zusammenkünfte diente. In der ‚mittelalterlichen‘ Mönchszelle – die von manchen Interpreten als Parodie auf die zeitgenössiches Gotik-Mode gedeutet wird -, mit ihren bleiverglasten Fenstern und einer morbiden Ausstattung wie einem hölzernen Skelett, versammelte Soane die Gäste zum Nachmittagstee.

In den sogenannten Katakomben – die ihren Namen nach den in ihnen auf gestellten Aschenurnen erhielten – steht im Zentrum ein römischer Altar des 2. Jahrhunderts nachchristlichen Jahrhunderts. Der Raum enthält aber unter anderem auch Porträtbüsten der Kaiserzeit, Aschenurnen, von denen eine wiederum aus dem Besitz von Giovanni Battista Piranesi stammt, Reliefs mit Theatermasken, die aus Pompeji stammen, den Torso einer knieenden Niobide, die römische Kopie eines tanzenden Satyr, zwei ägyptische Stelen der XXII. Dynastie und vieles andere mehr. Wie im ganzen Haus geht es auch hier weder um eine historische, chronologische oder taxonomische Anordnung, sondern um eine ästhetische, um geheime Verwandtschaften und Beziehungen unter den Dingen, die man als Besucher in einer nie enden wollenden Entdeckungsreise zu entziffern – oder einfach zu genießen – aufgefordert ist.
Wie in durch Foucalts Zitierung berühmt gewordnen Text Borges’, ist es auch hier so, daß das einzig Gemeinsame der Dinge das Fehlen eben eines Gemeinsamen ist, insofern ist es ein unvollendbares Universum, das erst mit dem Tod des Sammlers zum Stillstand kam.

Herzstück des Museums ist The Dome, auch Sepulcral Chamber, Krypta oder Museum genannt, ein durch drei Stockwerke reichender schachtartiger Raum. Als das British Museum seinen Ankauf ablehnte, erwarb Soane den (leeren) Sarkophag Pharao Sethis (oder Sethos) I. – dieser war im Oktober 1817 von Giovanni Battista Belzoni entdeckt und nach London gebracht worden.
Dieser Toten- und Unsterblichkeitsraum im Zentrum des Ganzen ist von Fund- und Sammlerstücken über und über bedeckt und bestückt, wobei er von vielen Seiten her betreten und über eine umlaufende Galerie aus verschiedensten Perspektiven betrachtet werden kann. Hier ist die Lichtregie besonders raffiniert und man muß sich vorzustellen versuchen, daß Kerzenlicht – Soane soll für Gäste Kerzen auch in den Sarkophag gestellt haben – den dicht an dicht arrangierten Objekten einen besonderen Effekt verlieh. So etwas wie einen Nabel des gesamten Ensembles und des gesamten Hauses bildet die Büste Soanes selbst, die auf die auf der gegenüberliegenden Galerie Kopie des Apoll von Belvedere blickt.

Eine Deutung bietet der Kunsthistoriker Donald Preziosi an. Nämlich daß es sich bei begehbaren und bei, z.B. vertikalen, bloß betrachtbaren Raumachsen um freimaurerischen Ritualen folgende Inszenierungen halten, die immer einen Weg der Verwandlung beschrieben, z.B. vom Dunklen zum Licht oder vom Tod zum Leben (wie im Dome). Was hier, extrem vereinfacht zusammengefasst, etwas pedantisch klingen mag, stellt Prezios in den Kontext einer bemerkenswert sicher vorgetragenen erweiterten These auf. Daß nämlich das moderne Museum sowieso eine freimaurerische ‚Erfindung‘ sei. Wofür er etwa das Ashmolean Museum oder Lenoires Musée des Monuments (auf das sich Soane u.a. bezog) als Beispiele nennt – aber auch Soanes Mitgliedschaft und seine architektoniuschen Projekte für die londoner Freimaurer.
Ich bin noch nicht sicher, ob ich Preziosi in dieser Deutung folgen will, aber wenn er damit den Verwandlungscharakter des Museums ins Spiel bringt, kann ich ihm gut folgen. Er rückt damit die zivilisatorische Rolle des Museums der Moderne ins Zentrum und dessen Bedeutung für die Ausbildung, das Prozessieren, das Entwerfen und Erproben individueller wie kollektiver Identitäten ins Zentrum der Museumsidee der Moderne.
Daß das Museum unter anderem ‚modern‘ ist, insofern dies Transformation oder Zivilisierung notwendigerweise immer unabgeschlossen bleiben muß, das macht Soanes kaleidoskopische Maschinerie deutlich.

Cutting-edge

Geschrieben von am 18. Dezember 2009 11:27

Marion Löhndorf beschreibt in der NZZ, wie das Victorian & Albert Museum in London aufgerüstet hat, um immer „cutting-edge“ zu sein. leo kennt dafür viele deutsche Wörter: innovativ, Vorreiter, auf den neuesten Stand, wegbereitend – um nur einige zu nennen.

Das alles trifft auf das V&A zu: die Institution hat das, was in Deutschland immer als „Bildungsauftrag“ durch die Medien geistert, einfach mal wörtlich genommen und das Museum geöffnet – für alle, für die chinesische Migrantin, für den deutschen Tourist oder die Londonerin. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

Alles neu

Geschrieben von am 13. November 2009 16:02

Das Ashmolean Museum in Oxford hat mir beim Besuch so gefallen, weil es so anrührend verstaubt wirkte.

Inzwischen wurde das Museum umgebaut und ist seit dem 7. November wieder neu eröffnet, ergänzt um ein neues Gebäude von Architekt Rick Mather. Alles wurde komplett umstrukturiert, die Ausstellungsfläche um 100% vergrößert, wie es auf der Internetseite heisst: 39 Galerien in 5 Abteilungen, das klingt nach einem längeren Museumsbesuch. Auch wird die Sammlung nicht mehr klasssisch nach Sparten gezeigt, sondern nach dem Prinzip Crossing Cultures Crossing Time. Wir zitieren von der Internetseite:

„Crossing Cultures Crossing Time (CCCT) is an approach based on the idea that civilisations that have shaped our modern societies developed as part of an interrelated world culture, rather than in isolation. It assumes, too, that every object has a story to tell, but these stories can best be uncovered by making appropriate comparisons and connections, tracing the journey of ideas and influences through the centuries and across continents.“

Alles ist um die wichtige Frage zentriert:
„What, in short, should a modern museum be like?“

Da kann man also gespannt sein, wie Zeiten und Kulturen miteinander verknüpft werden, wie Objekte neu zu Geltung kommen – vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Ashmoelan als eines der ältesten Museen der Welt immer auch einen Vorbildcharakter hatte.
Vorbildlich finde ich schon einmal, dass auf der Internetseite auch offengelegt wird, was das alles gekostet hat: 61 Millionen Pfund, getragen vom Heritage Lottery Fund.
Ich frage mich natürlich auch ganz persönlich, ob das schöne Sitzmöbel vom letzten Besuch noch zu finden ist.

Ausstellungswürdig?

Geschrieben von am 15. September 2009 16:10

Was ist guter Geschmack? Spätestens seit Pierre Bourdieu wissen wir ja, wie sich Geschmack ausbildet. Doch wie sehen die Dinge des schlechten Geschmacks aus? Dieser Frage geht das Werkbundarchiv im Museum der Dinge in der Ausstellung Böse Dinge. Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks in Berlin nach.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Geschmacks-Kategorien von Gustav E. Pazaurek, Museumsdirektor im Landesgewerbemuseum in Stuttgart, der 1909 dort die „Abteilung der Geschmacksverirrungen“ einrichtete.
Dinge zeugen nach Pazaurek entweder von gutem oder schlechtem Geschmack. So heisst es auf der Ausstellungsseite des Museums der Dinge:

„Die strafrechtlichen Kategorien, mit denen Pazaurek die Dinge etikettierte, lesen sich wie eine Metaphorik des Bösen. Die Bösartigkeit der Dinge bezieht sich dabei nicht auf Taten, die mit ihnen ausgeführt werden könnten, nicht auf ihren Zweck oder ihren Zeichencharakter, sondern auf das Böse bzw. Schlechte, das sich in ihrer Ausführung, Gestaltung und in ihrer Funktionsfähigkeit manifestiert.“

Der Werkbund stellte einige der von Pazaurek gesammelten Stücke zeitgenössischen Stücken gegenüber, verlängert also die Geschmacksverirrungen bis in die Gegenwart. Freilich setzt man nun auf andere Prämissen. Verwies für Pazaurek ein „böses“ Ding etwa auf ästhetische oder materielle Mängel, so liegt das Böse heute eher bei „sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren“, wie es im Ausstellungstext heisst. Wie etwa das mit Schmucksteinen verzierte Handy, das es sogar zum Ding des Monats schaffte.

Besucherinnen werden gebeten, solche Dinge von zu Hause mitbringen; sie werden dann ausgestellt. Oder zerstört: Wohl nur Ende August war die Destruktionsmaschine von Antoine Zgraggen zu Gast, die eine radikale Lösung für das eine oder andere Stück anbot.

Interessant ist auch, dass sich die Einrichtung, die in Deutschland für die guten Dinge schlechthin steht, Sorgen macht, man könne etwas aus ihrem Sortiment in die Ausstellung bringen: so fordert Manufactum in den letzten Hausnachrichten dazu auf, diese Stücke doch bitte zu melden.

Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Januar 2010 zu sehen. Hier ein Einblick zum Hören in Deutschlandradio Kultur und hier etwas zu lesen in der taz und hier auf Fr-online.

Jüdische Sportlerinnen in der NS-Zeit

Geschrieben von am 6. Juli 2009 12:54

In Berlin finden demnächst die Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. Wie es mittlerweile zu sportlichen Großereignissen gehört, sind darüber hinaus zahlreiche (kulturelle) Events geplant. Dafür stehen 2 Millionen Euro bereit – selbstverständlich können damit nicht alle Projekte unterstützt werden. Auch das Ausstellungsprojekt über jüdische Sportlerinnen, das im Arbeitsbereich Zeitgeschichte des Sports an der Universität Potsdam entstand, erhielt anscheinend keine finanzielle Unterstützung – vielleicht weil es nur zu deutlich macht, dass es den unpolitischen Sport nicht gibt?

Finanziert hat schließlich die Ausstellung die Alfried Krupp von Bohlen Halbach-Stiftung. Nun ist Vergessene Rekorde. Jüdische Leichtathletinnen vor und nach 1933, im Centrum Judaicum in Berlin zu sehen und auch im offiziellen Kulturprogramm der WM aufgenommen.

Anhand der Biographie dreier jüdischer Sportlerinnen – Gretel Bergmann, Lilli Henoch, Martha Jacob -, die in den 1930er Jahren sehr erfolgreich waren, wird gezeigt, wie die Ausgrenzung jüdischer Athleten in den Sport-Vereinen auf allen Ebenen durchgesetzt wurde. So wurde für die Olympiade 1936 in Berlin die Hochspringerin Gretel Bergmann aus dem Exil zurückbeordert, für Olympia nominiert, dann wieder ausgeladen – aufgrund ungenügender Leistungen, wie es hieß – dabei war sie die deutsche Rekordhalterin gewesen! Lili Henoch überlebt das Nazi-Regime nicht – sie wird in einem Lager ermordet.

In Deutschlandradio Kultur erzählen Hans Joachim Treichler und Jutta Braun von der Genese der Ausstellung und auch darüber, wie wenig die Vereine ihre eigene Vergangenheit reflektieren. Die ZEIT von der letzten Woche widmet sich dem Leben von Gretel Bergmann.
Die Taz berichtete im Vorfeld über die Ausstellung, hier der taz-artikel als Pdf.

Die Publikation zur Ausstellung: Bahro, Berno, Jutta Braun, Hans Joachim Teichler (Hg.): Vergessene Rekorde – jüdische Athletinnen vor und nach 1933, Berlin 2009. (16,90€)
Die Ausstellung ist als Wanderausstellung konzipiert.

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