Aus dem Monte Verità soll der Monte Visione werden

Geschrieben von am 23. Oktober 2009 10:05

Monte Verità – das ist jetzt schon über ein Jahrhundert das Synonym für einen mythischen Ort, auf einem Berg oberhalb von Ascona in der Schweiz, am Lago Maggiore. Dort hinzufahren und eine Weile zu bleiben, war in bestimmten Schichten ein regelrechtes Muss.

Auf dem Gelände sind sie heute noch zu sehen, die Spuren, die die verschiedenen Mythen-MacherInnen hinterlassen haben: Zunächst die LebensreformerInnen um Ida Hoffmann und Henri Oedenkoven, Karl und Gusto Gräser, die um 1900 auf dem Berg eine Kolonie gründen, zunächst sogenannte Laub- und Lufthütten bauen. Bis 1920 harren die GründerInnen aus, bauten weitere Gebäude und eine Naturheilanstalt und zogen viele weitere AnhängerInnen der Naturheilbewegung nach, SchriftstellerInnen, Künstlerinnen, kurz Aussteiger und Aussteigerinnen aus dem bürgerlichen Leben. 1920 geht diese Phase zu Ende, die Anlage zerfällt. Dann wollten KünstlerInnen um Werner Ackermann das Gelände gestalten, was aber nur kurze Zeit gelingt.

1926 tritt der Wuppertaler Bankier und Mäzen Baron Eduard von der Heydt auf den Plan: er lässt von dem bekannten Architekten Emil Fahrenkamp ein Hotel bauen. Mit von der Heydt zieht der internationale Jet Set der gehobeneren Kreise ein – im Grunde wurde der Berg gentrifiziert. Nicht nur die Reichen und Mondänen kamen, sondern etwa auch die Kunstinteressierte wie der französische Museologe Georges Henri Rivière, der 1933 im Hotel weilte und begeistert von den vielen Kunstwerken zeitgenössicher Künstler berichtete. 1934 wird das Hotel geschlossen, der Zweite Weltkrieg verhindert weiteres. Nach dem Tod von von der Heydt geht das Terrain an den Kanton Tessin. Seit 1989 veranstaltet die ETH Zürich im Hotel Kongresse.

1978 wird der Berg wieder entdeckt – vom Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann. Mit der Ausstellung „Mammelle delle verità“, die auch an verschiedenen Orten in der Schweiz und in Deutschland gezeigt wurde, bringt er wieder Schwung in die Mythenmaschinerie. Die Ausstellung war dann fest in der Casa Anatta auf dem Monte Veritá beheimatet. Nun ist sie bis voraussichtlich 2012 geschlossen. Die Stiftung Monte Verità plant zusammen mit dem Kantonalamt für Denkmalschutz ein großes Restaurierungs- und Umgestaltungsprojekt für Museum und Gelände. Schon umgesetzt wurden verschiedene Installationen. Ebenso gibt es ein japanischen Teehaus, in dem Teezeremonien angeboten werden. In einer Lichthütte aus der anfangszeit stellt die Stiftung die bisherige Geschichte kurz vor und lädt die BesucherInnen dazu ein, eigene Ideen für die künftige Gestaltung und Nutzung des Parks und des Museums zu benennen damit aus dem Berg der Wahrheit der Berg der Visionen werden kann.

Noch zwei Literaturtipps (weitere sind auf wikipedia zu finden). Unverzichtbar ist das Katalogbuch zur Ausstellung von Harald Szeemann: Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie. Agentur für geistige Gastarbeit, Harald Szeemann, Civitanova Marche und Tegna, und Electa Editrice, Milano 1978. Hier kann man einen Artikel von Erich Mühsam über seine Zeit auf dem Monte Verità lesen.
Wer deftige Anekdoten möchte und ausführliche Erzählungen über den Alltag, der sollte das Buch von Robert Landmann lesen: Ascona – Monte Verità. Die Geschichte eines Berges, Ascona Pancaldi Verlag 1930. 2000 neu herausgegeben im Schweizer Verlag Huber Frauenfeld . Hinter Landmann verbirgt sich übrigens der Künstler Werner Ackermann.

Erzählen und im Team arbeiten

Geschrieben von am 21. Juli 2009 13:37

So beschreibt der Direktor des Historischen Museums Bern, Peter Jezler, seine Tätigkeit als Ausstellungsmacher in der NZZ:

„In meiner Funktion als Ausstellungsmacher habe ich mich als Erzähler verstanden, der die Originalobjekte wie die Arien einer Oper behandelt und die Rezitative dazwischen mit den Mitteln der visuellen Kommunikation zu ergänzen versucht. Für mich wird eine Ausstellung dann kunstvoll, wenn Thematik, Exponate, Texte und Visualisierungen in einer Gesamt-Dramaturgie aufgehoben sind, welche durch Raumgliederung, Farbkonzept, Licht und Inszenierung ihren emotionalen Ausdruck gewinnt.“

In Bern kann man sich allerdings nicht mehr lange von seinen musealen Praktiken überzeugen, denn Jezler geht – trotz zahlreicher Erfolge auf verschiedenen Ebenen. Anscheinend konnte er nicht alle seine Vorstellungen in Bern verwirklichen. Ab September leitet Jezler die Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Hier noch ein Interview mit Jezler über die Ausstellung Karl des Kühnen im Tagesanzeiger.

"Ich fände eine Zusammenführung herabsetzend"

Geschrieben von am 12. Juni 2009 15:00

so meinte laut dem untenstehenden Beitrag ein Kollege…

Gegenbeispiel (eines unter vielen man denke nur an Neuchâtel!) die Ausstellung „Rot“ die letztes Jahr in Basel zu sehen war.
Hier ein paar Bildbeispiele:

Ein neuer Direktor

Geschrieben von am 29. Mai 2009 10:39

Schon seit Anfang Februar 2009 hat das Musée d’Ethnographie Genf einen neuen Direktor: Boris Wastiau. Wastiau ist ein Ethnologe aus Belgien, der in Belgien und England studiert hat. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Museen, u.a. Konservator am ethnolgischen Museum in Tervuren. Seit 2007 ist er im MEG für die Abteilung Afrika und Amerika zuständig. Seine Hauptaufgabe wird nun sein, den Umbau des Museums und die Neukonzeption voranzutreiben. Ob uns nun auch so ein innovatives Konzept erwartet, wie es bei Jacques Hainard, dem vorigen Dirketor zu erwarten gewesen wäre, werden wir natürlich weiterverfolgen. Wastiau spricht im Statement des Direktors von einer Metamorphose, die dem Museum bevorsteht. Hainard taucht im putzigen Personenkarussel auf der Internesteite übrigens als Berater auf.

Hier auf dieser Seite kann man einen Vortrag von Boris Wastiau über die Himmelheber-Sammlung im Genfer Museum auf englisch anhören.
Hier noch ein lesenswertes Interview mit Hainard in swissinfo.ch von 2007.

Wenn sich Krokodile vor Monets Seerosen tummeln

Geschrieben von am 18. Mai 2009 10:01

Objekte außereuropäischer Länder haben Konjunktur. Das weiss man nicht erst seit der Eröffnung des Musée du quai Branly 2006 in Paris. Solche Stücke wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts in den westlichen Metropolen als „Negerkunst“ (Carl Einstein) oder als primitive Kunst gezeigt. Legendär war etwa 1984 die Ausstellung „Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts“, kuratiert von William Rubin in New York, die die Verknüpfung zu europäischen Künstlern aufzeigen wollte.
Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel möchte mit Bildwelten Afrika, Ozeanien und die Moderne nun einen neuen Weg einschlagen: Werke aus Afrika und Ozeanien sollen mit Gemälden und Skulpturen aus der klassischen Moderne in einen Dialog treten, die Konfrontation wird gesucht. Werke, die sich seit Jahren in der Sammlung befinden, sollen ganz neu gesehen, ihre suggestive Kraft soll regelrecht erweckt werden. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

„Zentrales kuratorisches Anliegen ist die Erfahrbarkeit künstlerischer Kraft und Bildmacht, die sich dem Betrachter vergegenwärtigt. In packender Weise verbinden sich unterschiedliche Repräsentationsformen und veranschaulichen dadurch, weshalb Menschen aller Kulturkreise, insbesondere Künstler und Sammler, immer wieder aufs Neue von der bildgewaltigen Kraft dieser Werke fasziniert sind.“

Viele der gezeigten Werke stammen aus der Sammlung der Fondation; über 150 Leihgaben kommen aus anderen Museen, vor allem aus dem Museum der Kulturen in Basel.

Die beiden Kult-Krokodile aus Papua-Neuguinea liegen vor dem imposanten Seerosengemälde von Claude Monet. Schon der Auftakt im Foyer macht deutlich, was Kurator Oliver Wick mit der Ausstellung bezweckte: Es geht um die Gegensätze, um den Kontrast und um die Spannung, die die Gegenüberstellung solch konträrer Kunstwerke auslösen.

Die Konfrontationen oder Begegnungen mit dem Fokus auf der Darstellung der menschlichen Figur spielen sich in dreizehn Sälen ab. Mit einem kleinen Heft ausgestattet, das die Saaltexte beinhaltet, begibt sich die Ausstellungsbesucherin in die hell-grau gehaltenen Räume im wunderbaren Gebäude von Renzo Piano. Die präsentierten außereuropäische Stücke liefern die Raumtitel, die die BesucherInnen in verschiedene Kontinente führen. Die Stars sind hier nicht die Werke anerkannter westlicher Künstler, sondern die zuweilen unprätentiös wirkenden Stücke aus Afrika oder Ozeanien zumeist anonymer Herkunft. Allein oder in Werkgruppen, nach Herkunft inszeniert, entfalten sie eine Präsenz, der man sich nicht entziehen kann. Sie erinnern an eine der ersten Funktionen des Museums: an das Staunen. Im Raum mit den zahlreichen an der Wand arrangierten afrikanischen Masken etwa übersieht man darüber das Landschaftsbild von Vincent van Gogh. Das gilt auch für die mit Nägeln besetzten und allmöglichen Zierrat versehen Figuren aus dem Kongo-Gebiet, die sich mit Picasso und Braque einen Raum teilen oder für die bunten, federnbesetzten Stücke aus Hawai, die Federbildnisse von Kriegsgöttern nachempfinden, die die Bilder von Mark Rothko nochmals farbloser erscheinen lassen.

Die Räume sind in einer nicht erkennbaren Reihenfolge zu begehen – es geht jeweils um bestimmte Zuschnitte, wie Körper repräsentiert bzw. verstanden werden. Dennoch kann es kein Zufall sein, dass die relativ bekannten afrikanischen Masken den Anfang machen, während gewaltige Figuren aus Papua-Neuguinea den Abschluß bilden. Die Opulenz und Übermacht der außereuropäischen Objekte ist gewollt; damit möchte man nach Aussage der Ausstellungsmacher eine Umkehrung der Perspektive erreichen. Die gesuchten Konfrontationen sind aber manchmal gar keine: die Werke aus der Klassischen Moderne kennt man einfach zu gut – von Ausstellungsbesuchen, Plakaten oder aus Büchern. Sie bieten nicht immer die gewünschte Kontrastfolie, sondern verblassen gar.

Man fragt sich sogar zuweilen, weshalb die Gemälde und Skulpturen der klassischen Moderne hier dabei sind. Um darüber hinwegtäuschen, dass die außereuropäischen Objekte aufgrund ihrer offensichtlichen Extravaganz ausgewählt wurden? Als Folie für den Exotismus? Nicht nachzuvollziehen ist, dass bei den knappen Objekttexten bei den europäischen Werken immer das Material dabei steht (à la Öl auf Leinwand), während das bei den außereuropäischen Objekten allerdings nicht der Fall ist.

Immerhin bekommt man einen Hinweis, woher die Stücke stammen. So hängt neben einer Figur von den Marquesas der Hinweis, dass ein Kapitän der Artillerie der französischen Marine der Stadt Colmar dieses Stück geschenkt hatte. Gekauftes Souvenir? Diebesgut? Das fragt man sich bei einigen der Stücke, die alle aus westlichen, zumeist europäischen Sammlungen kommen. Seit Michel Leiris berühmt-berüchtigen Tagebuch „Phantom Afrika„, das dieser während der Expedition Dakar-Dschibuti in den 1930er Jahren des Pariser Musée d’Ethnographie schrieb, ist offengelegt, dass nicht nur Militärs, sondern auch EthnologInnen manchmal auf räuberische Art und Weise an die Objekte kamen. Leider erfährt man darüber in der Ausstellung selbst nicht mehr.

Dennoch: man kann diese äußerst anregende, auch aufregende und sinnlich sehr berührende Schau nur empfehlen. Interessant ist auch das Heft mit den Texten, da hier die Bildwelten auf drei Arten durchdekliniert werden: Kult und Kontext / Kunst / Kommentar sind die Überschriften, die mehrgleisige Einblicke gestatten. Der Kommentar legt die Gedanken des Kurators Wick offen und gibt auf diese Weise Einblick in die Ausstellungsidee.

Ob es ein ganz neuer Weg ist, den die Ausstellung damit einschlägt, wird sich noch zeigen. Der theatralisch anmutenden Präsentation im oben schon erwähnten Musée du quai Branly wird damit auf alle Fälle etwas angenehm Unaufgeregtes, sehr Sinnliches, Nachdenkenwertes entgegengesetzt. Zeit, sich die Ausstellung anzusehen hat man noch bis zum 28. Juni.

Sehr beeindruckt hat auch der Katalog: Er besteht aus einer Broschüre und aus einem Schuber mit 17 Bildtafeln. So kann man sich die Krokodile auch ins heimische Wohnzimmer holen.

FONDATION BEYELER
Beyeler Museum AG, Baselstrasse 101, CH-4125 Riehen / Basel
Täglich 10 – 18 Uhr, mittwochs 10 – 20 Uhr

Die Ausstellung in den Medien:
ein Bericht über die Ausstellung mit o-Ton von Museumsstifter Beyeler auf dradio;
die taz hält „Monet als überflüssige Dreingabe“ und die NZZ titelt ihren Artikel mit „Staunen vor dem Nageltisch“.

Alles über das Witzerland

Geschrieben von am 13. März 2009 15:19

Eher selten gelten Schweizerinnen und Schweizer als besonders schlagfertig oder sogar witzig.

Dieser Satz ist nicht ausgedacht, sondern steht so auf der Internetseite des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich. Hier wird die Ausstellung Witzerland geplant:
Humor, Witz und Satire sind das Thema der Schau: eine multimediale Zusammenstellung humoristischer Blicke auf die Schweiz.

Für alle, die bei Schweizer Humor immer noch oder nur an Emil denken, könnte diese Ausstellung interessant werden.

Ab dem 2. April ist die Ausstellung in Zürich zu sehen – und man kann selbst noch dazu beitragen. Witze, Zeichnungen oder Videos sind dem Museum willkommen, alles weitere dazu findet sich bei Witzerland.

Hinschauen

Geschrieben von am 19. Februar 2009 15:54


Hinschauen, nicht wegsehen. Gurs 1939-1943 heisst die Ausstellung, die zur Zeit im Historischem Museum in Luzern gezeigt wird.
Anzuschauen sind die Werke aus der Sammlung Elsbeth Kasser. Frau Kasser war eine Krankenschwester aus der Schweiz, die während des Zweiten Weltkriegs für die Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder und das Schweizerischen Roten Kreuzes in Internierungslagern des besetzten Frankreichs tätig war. Sie brachte vor allem aus dem Lager in Gurs Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien mit, die ein Stück weit den Alltag in den Lagern widerspiegeln.
In Gurs wurden u.a. deutsche, jüdische EmigrantInnen interniert, die sich in Frankreich vor dem NS-Regime sicher glaubten. Darunter waren viele Intellektuelle und KünstlerInnen wie Charlotte Salomon, Lisa Fittko, Hannah Arendt oder Max Lingner, von dem auch das Bild stammt (von der Seite des Historischen Museums). 1942/1943 wurden knapp 4000 Juden und Jüdinnen, die sich noch in Gurs befanden über Drancy bei Paris ins Todeslager nach Auschwitz deportiert.

Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Elsbeth Kasser-Stiftung, des Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern, der Hochschule Luzern und der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz. Die Gestaltung entwickelten Studierende der Hochschule Luzern – auf der Seite der Elsbeth-Kasser-Stiftung ist das alles nachzulesen.
Die Sammlung wird heute im Archiv für Zeitgeschichte an der ETH Zürich verwahrt und kann hier angesehen werden.


Historisches Museum Luzern
Pfistergasse 24, CH-6000 Luzern 7 +41 41 228 54 24 / 22
Öffnungszeiten: 10-17 Uhr, Montag geschlossen

Das Gluckern des Rheins

Geschrieben von am 2. September 2008 09:58


Es gluckert, Maschinen dröhnen und das alte Holz entwickelt einen unvergleichlichen Geruch: der Besuch des Museums zu Allerheiligen mitten in der Altstadt von Schaffhausen bietet eine sehr sinnliche Erfahrung. Das Museum, das zum Teil in einem Neubau, zum Teil in einem ehemaligen Benediktinerkloster untergebracht ist, hat einen besonderen Charme. Es widmet sich der Archäologie, Naturkunde, Kunst und Geschichte. Der Gang durch die Gebäudeteile führt auch durch Kreuzsaal und Abtstube – hier duften die Holzbalken unvergleichlich. Die Dauerausstellung wird gerade umgebaut. Klugerweise wird das in Abschnitten gemacht, so dass trotzdem vieles zu sehen ist. So die neukonzipierte Einführung in die Stadtgeschichte – 1000 Jahre im Überblick. Hier gluckert der Rhein in einem Modell fröhlich vor sich hin. Weiter geht es mit der Stadtgeschichte vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Industrialisierung spielte eine große Rolle – deswegen auch der Maschinenlärm. Die Geschichten der für Schaffhausen wichtigen Firmen wird in kleinen Monografien erzählt. Vereinsleben, Zweiter Weltkrieg und die Bombardierung durch die amerikanische Armee und der Konsumrausch in den 1950er Jahren sind weitere Themen. Das ist sehr schön und abwechslungsreich mit vielen Objekten inszeniert. Neue Medien werden unauffällig eingebunden und drängen sich nicht in den Vordergrund. Im oberen Stockwerk wird gerade die feine Ausstellung über Käfer – vielseitig erfolgreich präsentiert. Hingehen, wenn man mal in der Gegend ist!

Absolut lesenswert

Geschrieben von am 22. August 2008 14:02

Das ethnographische Museum in Neuchâtel ist seit langem für seine provokanten und insolenten Ausstellungen bekannt – um nicht zu sagen, berühmt und berüchtigt. Anlässlich des 100 Jahre Jubiläums 2004 kam im darauffolgende Jahr ein über 600 Seiten starker, reich illustrierter Band heraus, der „Cent ans d’ethnographie sur la colline de Saint-Nicolas, 1904-2004“ nachzeichnet. 

Der erste Teil widmet sich der Geschichte des Museums, von seinen Anfängen als Kuriositätenkabinett über die kolonialen Sammlungsexpeditionen, die universitäre Einbindung und die Rolle Van Genneps bis hin zu neun Ansätzen für eine Anthropologie/Ethnologie des 21. Jahrhunderts. Ein weiterer Teil lässt Mitarbeiter zu Worte kommen, die ihr Lieblingsobjekt vorstellen. Kollegen aus dem In- und Ausland sind eingeladen, ihre Sicht auf das MEN darzulegen und der Sclussteil berichtet über das Jubiläumsjahr, seine Festlichkeiten und Events.

Was aber das Buch so ausserordentlich lesenswert, ja unentbehrlich für alle im Ausstellunsgbetrieb Tätigen macht, ist jener Teil in dem die Ausstellungsarbeit des MEN im Mittelpunkt steht und hier ganz besonders die Zeit zwischen 1981 und 2004 die von einer immer weiterreichenden Suche nach neuen Inhalten und szenogafischen Inszenierungen unter der Direktion des charismatischen Jacques Hainard Zeugnis ablegt. Alle Ausstellungen finden sich hier einem Schema folgend versammelt: ein emblematisches Foto, das Plakat, Fotos die die grossen Ausstellungslinien widergeben, Pläne und Details zur Konzeption und zur Szenographie, Fotos mit Ausstellungsdetails, eine Analyse, Pressereaktionen und ein Verzeichnis von Publikationen zur Ausstellung runden jedes einzelne Kapitel ab.
Die ca. 90 Euros die der Band kostet können kaum besser angelegt werden!
Gonseth, Marc-Olivier, Jacques Hainard, Roland Kaehr (dir.), 2005, Cents ans d’ethnographie sur la colline de Saint-Nicolas, 1904-2004. Neuchâtel, MEN (ISBN 2-88078-029-2)

Bitte noch mehr Fotos!

Geschrieben von am 15. Januar 2008 10:59

GRANDIOS ist die Ausstellung des Fotokünstlers Andreas Gursky, die zur Zeit im Kunstmuseum Basel gezeigt wird. Die großformatigen Fotografien, die Gursky so perfekt inszeniert, sind einfach ein Erlebnis. Zu den Fotos selbst erfährt man nicht viel: Titel und Jahr. Auch wenn man weiß, dass Gursky die Fotografien bearbeitet, ist es erstaunlich, wie man das Medium Fotografie immer noch mit der Vorstellung einer realistischen Abbildung der Wirklichkeit verbindet. Denn es ist einfach alles so perfekt, dass man bei „Kathedrale I“ die großartigen gotischen Fenster bewundert und zunächst gar nicht merkt, dass da eigentlich noch die Säulen hätten stehen müssen… Auffällig wird es erst dann, wenn die Straße bei „Tour de France“ mitten im Berg endet, während weiter oben noch Radler unterwegs sind. Großartig ist die Fotografie „Dubai World II“, die auch das Plakat ziert: viele kleine Inseln im blauen Meer. Hier ist das Spiel mit dem Realismus perfekt, da es sich zudem um künstliche Inseln aus Beton handelt und der Sand mit Baggern geformt wurde. Um die Inseln herum wirkt das hellere Blau wie ein sanfter Pinselstrich. Leider, leider ist die Ausstellung viel zu früh zu Ende! Wenn man aber schon einmal im Kunstmuseum Basel ist, kann man die Gelegenheit nutzen und die alten Bekannten der klassischen Moderne in den Räumlichkeiten nebenan besuchen, auch ein Genuß.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der 55 Franken kostet. Noch bis zum 24.2. sind die Fotografien zu sehen. Hingehen!
Eine Rezension zur Ausstellung hier in der NZZ.

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