BallinStadt Hamburg

Geschrieben von am 21. August 2007 16:03

Schicker Trödel – Der Ballinstadt fehlt es an Inhalt und Glaubwürdigkeit
Schick stehen sie da, die neuen Klinkerbauten der BallinStadt. Beeindrucken soll dieses „Vorzeigeprojekt“ und eine erfolgreiche deutsch-amerikanische Geschichte erzählen: Kaum zu glauben, dass zwischen 1850 und 1934 an die 5 Mio. Menschen über Hamburg nach Amerika emigriert sind. Albert Ballin hatte nicht zuletzt als Generaldirektor der Hapag, der Hamburger Amerika Linie mit seinen modernen Passagierdampfern, ein starkes Interesse an steigenden Auswandererzahlen. Doch jene brachten nicht nur Geld, sondern auch gefährliche Seuchen in die Stadt. 1892 starben – auch angesichts miserabler hygienischer Verhältnisse in Hamburg – fast 10.000 Menschen an der asiatischen Cholera. So stand Ballin unter Zugzwang, wollte er seine wertvolle Kundschaft nicht gänzlich an Bremen verlieren.

Direkt am südlichen Hafenrand, auf der Veddel, ließ er folgend eine großzügige Anlage errichten, ausgestattet mit reichlich Grün, mit Kirchen und Musikpavillon, ja selbst mit jüdischer Synagoge und modernsten, auch koscheren Küchen. Auf der Weltausstellung in Paris prämiert und 1901 eröffnet waren die Auswandererhallen ein attraktives Pauschalangebot für Ausreisende aus Europa, die hier auf ihr Schiff warten und betreut die Ausreiseformalitäten erledigen konnten. Bereits 1906 musste die Anlage erweitert werden, es waren in jenem Jahr über 100.000 Gäste zu verbuchen. Eine kommerzielle Erfolgsgeschichte also.

Soweit die guten Nachrichten. Nun die schlechten: fast hundert Jahre danach möchte Hamburg an diesen Erfolg anknüpfen. Also investiert man 12 Mio. Euro – zu drei Vierteln die Stadt, ein Viertel die Sponsoren – , und baut auf dem mittlerweile brachen Gelände drei der Schlafbaracken originalgetreu wieder auf. Eine auf Freizeiteinrichtungen spezialisierte Firma, die Leisure Work Group, soll darin eine interaktive Erlebnisausstellung konzipieren und kommerziell vertreiben. Untertitel: „Port of Dreams – Auswandererwelt Hamburg“. So flach der Titel, so flach der Inhalt. Laut Betreiber können die Besucher sämtliche Phasen der Emigration nacherleben: „vom Aufbruch und Überfahrt bis zur Ankunft in New York und dem endgültigen Verbleib der Auswanderer.“ Nach dem schicken Foyer mit der ausführlichen Sponsorenpräsentation – der „Bereich Familienforschung“ ist wie andere Computertechnik größtenteils zusammengebrochen – wird man im zweiten Gebäude auf die Reise geschickt.

Doch die zahllosen alten Überseekoffer, die lieblos gekleideten Holzpuppen und die schief und krumm an den Wänden angeklebten Kopien historischer Dokumente vermitteln eher den Eindruck eines aufgelassenen Trödelladens als den einer Edutainmentausstellung. Mühsam sucht man sich Informationen zusammen, indem man sich an die Holzpuppen schmiegt, die relativ beliebige und vorhersehbare Geschichten erzählen und ein akustisches Chaos erzeugen. Man streift an den überall angeklebten Zetteln und Plakaten vorbei, die schwer zu interpretieren und zuzuordnen sind. Man steht irgendwann genervt vor Goldrahmen oder Koffern, die parallel banale Filmausschnitte auf Screens abspielen. Auch Installationen wie Ballins Arbeitsplatz, ein Schiffsbug mit Kino, eine New Yorker Einkaufsstraße oder ein deutscher Buchladen bleiben blutleer und nichtssagend. Ebenso einfältig sind die „Traumblasen“ mit Symbolgehalt am Eingang, die auf den Schiffsrumpf gepinselten Hoffnungen der Migranten, und die „Eingemachten Erinnerungen“ auf bunten Zetteln, die uns am Ende der 2. Halle präsentiert werden und die alle an modernes „brainstorming“ erinnern.

Im dritten und letzten Gebäude, dem historischen Pavillon, wird die Anlage abschließend ausführlich vorgestellt und ein thematischer Bezug zu Gegenwart und Umfeld geknüpft. Dieser sicher von der Stadt formulierte Anspruch soll mittels hochkopierten Statistiken mit Migrationszahlen und einer bunten Fotowand mit Kindern auf der Veddel – die in einem Video dann zynischerweise u n s die besten Wünsche in ihrer Landessprache zusprechen, dabei hätten sie sie selbst sicher nötiger – eingelöst werden. Doch so kann man das komplexe Problem von Flucht, Vertreibung und Suche nach menschenwürdiger Existenz im Zeitalter der Globalisierung nicht abhandeln.

Selten begegnet einem in dieser Ausstellung ein Gefühl von Bedeutung und Glaubwürdigkeit, alles wirkt seicht und gefällig, bleibt oberflächliches Event. Nur wer hartnäckig ist und an einzelnen Stellen genauer sucht – eine Fundgrube ist Ballins Schreibtisch –, entdeckt interessante historische Belege wie den Klagebrief eines jüdischen Auswanderers an Ballin, der über Misshandlungen in den Kontrollstationen berichtet, oder das einzige überlieferte Filmdokument des „Überseeheims“ von 1926. Nicht schick, aber zumindest spannend finden sicher viele das mechanische Pferd vor dem Gemüsekarren, das ständig seine Mähne schüttelt und dann den Schwanz erhebt – wird es wohl…?

Der Museumsblog hat hier und hier schon einmal darüber berichtet.

Bei den Goethes zu Besuch

Geschrieben von am 14. August 2007 10:23

Wenn Besuch in der Stadt ist, kann man so Dinge machen wie Kaffee auf dem Römerberg trinken oder ins Goethe-Haus gehen. Letzteres hatte ich schon länger vor, nun war die Gelegenheit da. Die Eingangssituation im Goethe-Haus ist, obwohl gerade erst neu gemacht, doch etwas eng und unübersichtlich, da ständig Gruppen hereindrängen und man komplett den Überblick verliert. Man geht dann mit einem eingeschweißten Blatt (immerhin in vielen Sprachen) durch das Haus der Familie Goethe; allerdings mit einem sehr knappen Text über die Räume, Bilder oder Möbel. An keiner Stelle habe ich den Hinweis gefunden, dass es sich um eine komplette Rekonstruktion handelt, immerhin mit einigen wenigen originalen Stücken. Die Räume wirken irgendwie lieblos, auch wenn sie für die Goethe-Wochen ab Ende August frisch renoviert sind. Auf den Möbelstücken darf vor allem das Schild „Bitte nicht berühren“ in allen Sprachen nicht fehlen. Leider war die dritte Etage, die vielleicht alles herausgerissen hätte und wo sich das sogenannte Dichterzimmer befindet, geschlossen. Ebenso das Goethe-Museum. Diese Informationen hätte ich schon gerne an der Kasse schon bekommen, aufgrund des Trubels kann ich auch ein Schild übersehen haben. Ein Hinweis auf den Audio-Guide wäre hier aber auf alle Fälle nicht schlecht gewesen, ebenso ein Flyer mit Informationen zum Haus, den man gleich mit der Eintrittskarte bekommt. Das Goethe-Haus scheint aber auf (deutschsprachige) Besucher nicht eingestellt zu sein, sondern eher auf Touristen-Gruppen, die in allen Sprachen durch die Räume gescheucht werden, und denen es egal ist, was und wieviel sie sehen. Das ganze Haus steht bestimmt schon komplett irgendwo im Internet, soviel wurde hier fotografiert und gefilmt. Es bleibt ein schales Gefühl zurück. Der Besuch aus Frankreich meinte: „Das ist etwas für Japaner“. Da kann ich nur zustimmen und das Goethe-Haus ist für alle Zeiten abgehakt.



Ein kleines Tier mit großer Wirkung

Geschrieben von am 9. August 2007 15:29

Vielleicht wird der „Kleinen Hufeisennase“ mal ein eigenes Museum gewidmet. Das wichtigste Exponat: ein Bild der Dresdner Elbauen, der Blick auf die durch keine Brücke ver(ent)stellt. Bei der Kleinen Hufeisennase handelt es sich um eine Fledermausart, die es nun geschafft hat, den geplanten Baubeginn der Waldschlösschenbrücke am kommenden Montag noch einmal zu verhindern, wie Spiegel online berichtet. Naturschützer haben das Tier, wie mir scheint, buchstäblich aus dem Hut gezaubert und das Dresdner Verwaltungsgericht hat nun der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss stattgegeben. Der Gang durch die gerichtlichen Instanzen kann also weiter gehen, und die Feuilletonisten haben weiterhin etwas zu schreiben.

Hier und hier hat der Museumsblog schon einmal darüber berichtet.

Auf nach Darmstadt

Geschrieben von am 9. August 2007 12:00


Schon jetzt sollte man langsam einen Besuch im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt planen, da es Ende September für voraussichtlich vier Jahre schließt. Das Museum soll umfassend saniert werden. Wer also nochmals die Werkgruppe von Joseph Beuys sehen möchte, den römischen Mosaikboden aus Bad Vilbel oder die naturkundliche Abteilung, aus der das Diorama stammt, sollte schnell hingehen. Meine Lieblingsabteilung, der „Wald der Skulpturen„, ist leider schon geschlossen. Einige Werke aus der Darmstädter Kunstsammlung werden ab Oktober 2007 im Frankfurter Städel Museum zu sehen sein.
Die Internetseite des Museums hat der Museumsblog einmal hier gelobt.

Zeitgeschichte im Blick

Geschrieben von am 3. August 2007 16:29

Eine weitere Ausstellung in Frankfurt am Main, die sich vor allem wegen ihrer Verknüpfung mit der Zeitgeschichte lohnt, ist die Schau Ignatz Bubis (1927-1999) Ein jüdisches Leben in Deutschland im Jüdischen Museum am Untermainkai. Die Ausstellungsarchitektur ist etwas eigenwillig, auch muss man sich auf viele audiovisuelle Medien, Fotos oder Zeitungscollagen einlassen. Der Besuch lohnt sich aber durchaus. Warum, erläutert die ausführliche Rezension.

Wackelt das Projekt in Marseille?

Geschrieben von am 2. August 2007 10:30

Der lang angekündigte Neuanfang des nationalen Pariser Volkskundemuseums in Marseille, das als Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (Mucem) an den Start gehen soll, scheint wieder einmal mehr auf der Kippe zu stehen. Grund dafür ist eine Äußerung der neuen Kulturministerin Christine Albanel in Le Monde vom 9. Juli. Auf ihre geplante Kulturpolitik angesprochen, kündigt die Ministerin an, das bislang vorherrschende Gießkannen-Prinzip beenden zu wollen: „Man muss eine Wahl treffen und die Projekte aufgrund ihres kulturellen Nutzens und ihrer Kosten bewerten, ohne den künftigen Betrieb aus den Augen zu verlieren. Ich werde deshalb jedes aufwändige Projekt prüfen, wie das Auditorium in Paris oder das Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille, bei dem möglicherweise das wissenschaftliche Konzept weiter entwickelt werden muss.“
Das werden die Verantwortlichen, Museumsleiter Michel Colardelle und Denis Chevallier, der das Team in Marseille leitet, nicht gerne gelesen haben. Denn schon seit 1999, als der Umzug der Pariser Institution offiziell beschlossen wurde, muss das Mucem ständig Steine aus dem Weg räumen: so zog das Musée du quai Branly in Paris die staatlichen Gelder ab; Marseille setzte sein Geld lieber im neuen Stadtquartier Euroméditerranée ein und hätte dem Museum am alten Hafen den America’s Cup vorgezogen, der dann aber in Valencia stattfand. Eine Kulturministerin, die alles wieder in Frage stellt, hat noch auf der Liste der zu bewältigenden Hindernisse gefehlt.

Dazu auch: Joseph Hanimann in der F.A.Z. vom 22.6.2007: Der Bananenrock von Josephine Baker ist schon da (nicht online)

Wie Besucherinnen im Museum gezählt werden

Geschrieben von am 1. August 2007 11:13

Das statistische Jahrbuch der Stadt Frankfurt am Main von 2006 gibt einfach Auskunft über alles. Für uns interessant sind natürlich die Besucherzahlen der Museen. Hier liegt die Schirn-Kunsthalle ganz vorne (313 036) gefolgt vom Senckenberg (295 274) BesucherInnen. Interessant sind die Zahlen des Struwwelpeter-Museums: das Museum gibt für 2002- 2005 jährlich 50 000 BesucherInnen an! Dieses – erfolgreiche – Museum, das nicht einmal eine eigene Internetseite hatte, fusionierte im Februar 2007 mit dem vormaligen Heinrich-Hoffmann-Museum. Erstaunlich sind die Besucherzahlen im Museum für Weltkulturen: Waren es 2003 und 2004 um die 52 ooo, so haben sie sich 2005 auf knapp 104 000 verdoppelt. Die F.A.Z. vom 30. Juli hat im Museum nachgehakt: Man zählt nun die Personen mit, so die Auskunft des Museums, die sich während der Veranstaltungen wie Museumsuferfest und Nacht der Museen auf dem Gelände des Museums aufhalten (hinter den Museums-Gebäuden sind Parkanlagen), halbiert diese Zahl und fügt sie der Besucherstatistik hinzu.

Eine Ausstellung im Gefängnis

Geschrieben von am 21. Juli 2007 14:03

Es standen hier wohl zu keiner Zeit die Türen so weit offen, widerspricht dies doch der Funktion, die das Gebäude erfüllte: 1886 erbaut, diente es bis 2003 als Polizeigewahrsam. Nun ist ungewiß, was damit geschehen soll. Das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main zeigt hier noch bis zum 30.9.2007 die Ausstellung Gewahrsam. Räume der Überwachung. Die Ausstellung soll ein „historisches Tableau von Gefängnistypologien ausbreiten, das auf unterschiedlichen Konzepten für Inhaftierung und Überwachung basiert“. Das kann man eindrucksvoll auf drei Etagen nachvollziehen. Auf Tafeln können die BesucherInnen Interessantes über die Gefängnisarchitektur und wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte bis in die Gegenwart entwickelte, erfahren.
Am eindrucksvollsten ist der Ort jedoch selbst, die kleinen, dunklen Zellen, die vollbeschriebenen Wände, die abgeblätterte Farbe, der Schimmel und der muffige Geruch. Und die Ausstellung wird dann am Stärksten, wenn die Verbindung zum Ort Thema ist. So ist eine Zelle dem Frankfurter Bernhard Becker gewidmet, der hier 1937 von der Gestapo inhaftiert wurde. Aus Angst, seine Kamerade zu verraten – Becker war in der Katholischen Jugendarbeit aktiv und bezog gegen das Nazi-Regime Stellung – beging er im Polizeigewahrsam Selbstmord, indem er zehn rostige Nägel aus der Fußleiste aß. Man ist froh, das Gebäude, auch wenn es ausgedient hat, unversehrt wieder verlassen zu können. Die freundliche Aufsicht wünscht aber wohlweislich „Alles Gute“ und nicht „Auf Wiedersehen“.
Die Ausstellung hier rezensiert in FAZ-net

Des Hausmeisters Sammlung

Geschrieben von am 19. Juli 2007 14:57

Voll war es letzte Woche, als im Frankfurter Portikus die Ausstellung „It takes something to make something. Die Sammlung Rausch“ eröffnet wurde. Das Sammlungskonzept ist genial, wenn man wenig Geld hat, aber Kunst liebt: Man werde Hausmeister in einer Kunsthochschule und lässt sich von den Studierenden und Professoren mit Kunstwerken beschenken. Die Sammlung des Hausmeisterpaares Rausch von der Städelschule ist nun im kleinen, aber feinen Portikus-Gebäude auf der Main-Insel zu sehen. Dazu ist ein Katalog erschienen. Der Blick von der Empore in den Ausstellungsraum offenbart: Bei solch einer Fülle von Werken kann nur die Petersburger Hängung in Frage kommen.


Zum Nachlesen: Die Sammlung Rausch auf FAZ-Online.

Blumensprachen

Geschrieben von am 18. Juli 2007 11:54

Äußerst vielversprechend und in jeder Hinsicht poetisch klingt die von Cornelia Meyer kuratierte und von Trinidad Moreno gestaltete Ausstellung in Zürich mit dem Titel Die Sprache der Blumen. Eine Blütenlese. So heisst es im Ausstellungstext: „Die Ausstellung thematisiert in Form einer „Blütenlese“ einige der vielen literarischen Bezüge zur Blumenmetapher vom Mittelalter bis in die heutige Zeit“. Auf der Internetseite wird mit vielen Texten und Bildern die Lust auf die Schau im Strauhof geweckt. Schön ist es, dass viele Bilder wie auch die Begleitbroschüre als Downloads zur Verfügung stehen.
Hier ein Blick in „Den Garten der Blumenlyrik“.

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