Warum im Nationalarchiv in Paris gestreikt wurde

Geschrieben von am 7. Oktober 2010 23:34

Wir hatten schon einmal über die Pläne des französischen Präsidenten berichtet, ein nationales Geschichtsmuseum einzurichten. Damals wurden 5 Standorte näher ins Auge gefasst; nun ist es ein ganz anderer geworden: Sarkozys Begehrlichkeiten richten sich auf die wunderbaren Gebäude des Nationalarchivs im Herzen von Paris. Hier soll das Maison d’histoire de la France sich künftig ausbreiten. Für Ende 2011 ist bereits eine Ausstellung angekündigt; vielleicht wird dann auch geklärt, warum „maison“ und nicht „musée“.

Das Archiv soll auch noch bleiben dürfen; doch sehen die Archivare freilich die Entwicklung mit Sorge, ist doch die seit Jahren verfolgte Umstrukturierung betroffen: Ein großer Teil des Archivs soll 2013 umziehen nach Pierrefitte-sur-Seine. Teile des Archivs sollten ja deshalb ausgelagert werden, damit die Gebäude im  Marais entlastet werden.  In Paris verbleiben sollten etwa das Archiv vor 1789, die Siegelsammlung oder die historische Bibliothek. Auch hätte das  Museum, das in den letzten Jahren immer kleine, feine Ausstellungen präsentiert hat Raum für eine Dauerausstellung bekommen.

Die Archivangestellten waren von Sarkozys Ankündigung (dazu hier in Le Monde) nicht begeistert – deshalb wurde erst einmal gestreikt.  man sorgte sich etwa,  dass das Archiv als materielles Gedächtnis der Nation komplett seiner Funktion beraubt wird. Auch sorgt man sich um die Zukunft des Grand Dépot, unter Louis Philippe entstanden, das viele Kilometer Akten beherbergt.

Andere wiederum, wie der Kunsthistoriker Didier Rykner begrüßen es, das sich auf diese Weise die zuweilen hermetisch abegschlossenen Räume für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.

Ich bin gespannt, wann Jean Nouvel ins Spiel kommt – denn so ein bißchen umbauen muss ja auch sein. Und ich bin gespannt, ob Sarkozy es überhaupt noch als Präsident erlebt, wie „sein“ Museum eröffnet wird!

Noch nachgereicht: ein Beitrag dazu auf Arte, hier anzuschauen.

Architektur in Paris

Geschrieben von am 27. Februar 2010 12:27

Geradezu euphorisch berichtet Frédéric Edelmann in Le Monde über eine Ausstellung im Pavillon d’Arsenal in Paris: Hier sind 58 Architekturmodelle aus dem Besitz des Centre Pompidou ausgestellt, die realisierte Bauprojekte in der Metropolenregion Paris zeigen. Œuvres construites, 1948-2009 – Architectures de collection, Paris Ile-de-France heißt die Ausstellung, die laut Edelmann eine „ville imaginaire“ entstehen lässt – auch gerade deswegen, weil sie die über 60 Jahre Pariser Architekturgeschichte nicht lückenlos erzählt. Vieles kennt man aus den Parisbesuchen, das CNIT in La Défense über die Tour Montparnasse aus den 1950er Jahren oder die Bauten von Jean Nouvel wie die Fondation Cartier.

Fantastisch und pfiffig ist nach Edelmann die Inszenierung, die die Modelle, Zeichnungen mit Videoinstallationen und Spiegeln kombiniert. Er verspricht uns ein großes Vergnügen in der Ausstellung – auch wenn ihm nicht alle Modelle bzw. die Realisierung gefallen.
Etwas kritischer über die Ausstellung berichtete Marc Zitzmann in der NZZ – für ihn ist „die Schau eine Spur zu oberflächlich“.

Da hilft wieder einmal nichts: selbst hinfahren! Bis Ende März haben wir dazu noch Zeit.
Das Pavillon d’Arsenal ist sowieso immer eine gute Adresse für alle, die sich für Architektur und Pariser Stadtplanung interessieren. Und: der Eintritt ist frei.

Was wird aus dem Palais de la Découverte?

Geschrieben von am 10. Dezember 2009 16:40

Der Palais de la Découverte in Paris ist eine feste, gewissermaßen magische Institution unter den Pariser Museen – obwohl er nur etwas über 70 Jahre alt ist (was in Paris ja nicht viel ist…). Eingerichtet in einem Teil des Grand Palais sollte hier anlässlich der Weltausstellung 1937 den breiten Massen die sogenannten harten Wissenschaften näher gebracht werden.

Nach der Weltausstellung wurde er erst einmal wieder geschlossen, dann auf Dauer wieder eröffnet – unter der der Leitung von diversen Ministerien. Seit 1990 ist der Palais ein „Etablissement Public à caractère Scientifique, Culturel et Professionnel“ – d.h. eine universitäre, wissenschaftliche Institution, die vom Bildungs-und Forschungsministerium abhängt. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

Fundstück

Geschrieben von am 19. Oktober 2009 11:13

Vor Jahren einmal im Musée national d’art moderne im Centre Pompidou in Paris gesehen, fotografiert und in der Fotokiste wiedergefunden.

Sitzen im Museum XIII

Geschrieben von am 12. September 2009 09:22

Sie sind schön anzusehen: die Sitzgelegenheiten in den Galeries de Paléontologie et d’Anatomie comparée des naturhistorischen Museums von Paris.

Nicht immer ist es allerdings ratsam, sich auch hinzusetzen:

Im Louvre spazieren gehen

Geschrieben von am 28. Juli 2009 16:30


Irgendwo hatte ich gelesen, dass es die sogenannten arts premiers im Louvre – also die im April 2000 im Pavillon des Sessions eingeweihten Räumlichkeiten nicht mehr gibt. Die 140 Werke aus Afrika, Asien, Süd- und Nordamerika und Ozeanien, die den Prolog zu dem damals in Planung befindlichen Musée du quai Branly bildeten, wären nun dorthin umgezogen. Auch Pariser Freunde waren sich unsicher, ob die Stücke überhaupt noch zu sehen sind.

Auf der Internetseite des Louvre ist nichts zu finden – denn wo sollte man hier zum Beispiel (siehe links) anfangen zu suchen? Auch mit dem Stichwort „Pavillon de Sessions“ war nichts Aktuelles auf der Seite zu finden – außer einem Link zur Startseite des Musée du quai Branly. Im zuverlässigen „l’officiel des spectacles“, dem günstigen Heft mit allen wichtigen aktuellen kulturellen Daten von Paris (das, seit ich es kenne, noch nie das Layout geändert hat), steht die Abteilung immerhin drin. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

Die Gärten des Monsieur Kahn

Geschrieben von am 26. Juli 2009 10:53


Albert Kahn wollte nicht nur einen Garten haben – sondern seine sieben Gärten sollte unterschiedliche Gartenkulturen vorstellen, sozusagen eine Reise um die Welt erlauben. Die etwa 4 Hektar große Gartenanlage ist Teil des Musée Albert Kahn in Boulogne-Bilancourt, das hier beschrieben wird.

In Dialog treten sollten die Gärten miteinander und das heisst heute, dass die Besucherin mit einem Plan ausgestattet, den kleinen, verschlungenen Wegen folgt. Die Vegetation ändert sich nahezu unmerklich. Sehr auffällig, weil sofort als „anders“ erkannt, sind natürlich die japanischen Gärten. Der erste Bereich ist ausgestattet mit zwei Pavillons, in denen japanische Teezeremonien abgehalten werden. Eines der beliebtesten Fotomotive ist heute die Brücke im neuen japanischen Garten, wo man einen Zen-Garten bewundern, auf kleine Hügel klettern und den Kois im Teich beim Schwimmen zusehen kann. Dieser Teil des Gartens wurde als Hommage an Albert Kahn 1990 von einer japanischen Landschaftsarchitektin neu gestaltet.

Aber auch die elsässische Herkunft von Kahn kommt nicht zu kurz: So liegen im Vogesen-Wald kleine Felsbrocken verstreut zwischen den Bäumen. Im Sumpfgebiet wiederum schaut man den Seerosen beim Wachsen zu und im Obstgarten kann das kunstvoll gewachsene Spalierobst und Rosen bestaunt werden. Der englische Garten mit seiner großen Wiesenfläche hätte man fast übersehen, da er sich, wie immer, vornehm zurückhält und Natürlichkeit vortäuscht.

Hinter dieser Bank ist der Wald blau – la forêt bleue vereint Nadelgewächse, die einen blauen Schimmer haben. Und am rechten Bildrand kann man gerade noch die Villa von Herrn Kahn erkennen, die offensichtlich leersteht.

Der französische Garten hingegen ist gewohnt streng und rechtwinklig, geradezu etwas langweilig. Mit Sichtachsen ist er mit dem englischen Garten verbunden.
Vor dem Palmarium würde wunderbar ein Café hinpassen, mit wunderbaren altmodischen, verschnörkelten Eisenstühlen und -tischen.

Und so plätschert der Bach in Ruhe vor sich hin, ohne von lärmenden Café-Gästen, die sich für das Anliegen des Monsieur Kahn nicht interessieren, gestört zu werden. Die Kois kommen neugierig ans Ufer, um die Besucherin zu bestaunen und die Zeit scheint stillzustehen. Hat sich eigentlich seit den Zeiten von Herrn Kahn hier etwas geändert?

Indien in Boulogne-Bilancourt

Geschrieben von am 24. Juli 2009 12:02

Interessant, angenehm und abwechslungsreich: das Musée Albert-Kahn in Boulogne-Bilancourt bei Paris. Zur Erinnerung: Albert Kahn (1860-1940) war Bankier, aber vor allem Humanist, der die ganze Welt in seinem Projekt „Archiv des Planeten“ vereinen wollte. Dafür engagierte er Fotografen und Kameraleute, die die Welt bereisten und so viel Foto- und Filmmaterial mitbrachten, das noch heute ausgewertet wird. Der Museumsblog hat hier anlässlich einer BBC-Sendereihe auf Arte berichtet, hier ist das Buch dazu.
Ende des 19. Jahrhundert erwarb Kahn das Gelände in Boulogne, um sich eine Villa zu bauen, vor allem aber, um Gärten anlegen zu lassen, die eine Reise um die Welt erlaubten. Die Gartenanlagen sind bis heute zu besichtigen. Neu hinzugekommen ist das schlichte und funktionale Museumsgebäude, das interessanterweise vom Garten aus gar nicht zu sehen ist.

Das Museum hat sich zur Aufgabe gemacht, jedes Jahr einen Teil der über 72.000 Farbfotografien des Bestandes zu bearbeiten. Dieses Jahr widmet sich die Ausstellung Indien – Infiniment Indes so ihr Titel. Gleich von Anfang an wird die Besucherin in ein stimmungsvolles Ambiente versetzt: Selten habe ich eine Foto-Ausstellung gesehen, die soviel Sorgfalt im Umgang mit den Objekten zeigt und die zugleich so kreativ und liebevoll inszeniert ist.

Die Ausstellung ist auf zwei Ebenen angelegt: zum einen geht es darum, ein Teil des Archivs des Planeten vorzustellen. Zum anderen sollen verschiedene Regionen, Architektur, Alltagsszenen und Persönlichkeiten Indiens im frühen 20. Jahrhundert gezeigt werden. Lesen Sie den Rest des Beitrags »

Menschliche Überreste können bestattet werden

Geschrieben von am 7. Juli 2009 15:13

„Der Kopf bleibt hier“, so titelte FAZ.NET 2007 einen kurzen Artikel über die mumifizierten Köpfe der Maori, die sich in französischen Museen befinden. Das Musée du quai Branly stellt die Schädel auf eine Ebene mit ägyptischen Mumien – so sei es nach Ansicht des Museums legitim, die menschlichen Überreste, die v.a. im 19. Jahrhundert nach Frankreich kamen, zu behalten. Freilich werden die Köpfe in keinem französischem Museum mehr ausgestellt; eine Diskussion wurde 2007 entfacht, als ein Museum in Rouen einen Kopf zurückgeben wollte, die damalige Kulturministerin das aber verhinderte.

Nun sollten sich das MqB und andere Museen darauf einstellen, dass die Köpfe nicht mehr lange in den Depots sind: Ende Juni hat französische Nationalversammlung einstimmig einen Gesetzentwurf verabschiedet, in dem beschlossen wird, die Köpfe aus allen französischen Sammlungen zurückzugeben, um sie in Neuseeland zu bestatten. Auf diese Weise kommt der französische Staat langjährigen Rückgabeforderungen der Maori endlich nach.

Die öffentliche Sitzung bot auch Gelegenheit für den Kulturminister Mitterand, ein Statement abzugeben: „Man baut Kultur nicht auf Handel oder Verbrechen auf. Man schafft Kultur durch Respekt und Austausch.“
Nachlesen kann man das alles in Le Monde. Hier kann man auch lesen, dass im Gesetzentwurf eine bereits bestehende Kommission wiederbelebt werden soll, die den Bestand der musealen Sammlungen genauestens überprüft. Museumskustoden und Wissenschaftlerinnen befürchten, dass damit Tür und Tor für Begehrlichkeiten geöffnet werden und die Unantastbarkeit der Sammlung bedroht ist.
Die Rückgabe von menschlichen Überresten war auch Gegenstand einer Tagung in Paris im Februar 2008 – mehr darüber hier im Museumsblog.

Poker um die nationale Geschichte

Geschrieben von am 3. Juli 2009 16:46

Frankreich bekommt ein Geschichtsmuseum – diesen Plan hat Staatspräsident Sarkozy ja schon im Januar angekündigt (hier im Museumsblog). Jean Pierre Rioux war dann beauftragt worden, Standorte vorzuschlagen. Es soll etwas Prestigeträchtiges sein, denn es geht nicht nur um ein Museum für die französische Geschichte, sondern es soll ja auch das Museum von Herrn Sarkozy werden.

Der Bericht des Herrn Rioux wurde nie publiziert. Le Monde macht dennoch einiges öffentlich: Fünf Standorte werden hier favorisiert: Das Hôtel des Invalides, der Grand Palais, der Palais de Chaillot, das Schloss von Fontainebleau und das Schloss von Vincennes. Freilich, nicht alle diese Gebäude haben Platz: In Invalides teilt sich das Armeemuseum mit verschiedenen anderen Institutionen den engen Raum; im Palais de Chaillot befinden sich u.a. das Musée de l’Homme und das Marine-Museum.

Versailles ist anscheinend ganz aus dem Rennen – hier hatte sich der umtriebige Direktor Jean-Jacques Aillagon um ein nationales Geschichtsmuseum bemüht. Ebenso ist nichts mehr vom Musée de l’Histoire de France im Nationalarchiv in Paris zu hören.

Vor allem drei Orte stehen wohl in der engeren Auswahl: Invalides, Vincennes und Fontainebleau. Die beiden ersten Orte haben den Nachteil, dass hier das Verteidigungsministerium der Hausherr ist; das neue Museum wird aber in den Zuständigkeitsbereich des Kulturministeriums fallen – man befürchtet Konflikte. Fontainebleau hat den Vorteil, bereits zum Kulturministerium zu gehören; allerdings ist das Schloss etwa 60 km von Paris entfernt. Der neue Kulturminister Mitterrand bevorzugt anscheinend diesen Standort.

Was er oder andere wollen, ist aber in diesem Falle nicht so wichtig: der eigentliche Hausherr, der sich hiermit ein Denkmal setzen möchte, wird entscheiden. Irgendwann demnächst. Wie das alles geht, hat ja sein Vorgänger (und andere) vorgemacht – Geld von anderen kulturellen Projekten abziehen, möglichst viele Personen anheuern, sich Objekte aus anderen Sammlungen beschaffen… Und wird Jean Nouvel wieder den Neubau bauen dürfen?

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