Was ist los in Hamburg?

Geschrieben von am 31. Mai 2010 22:04

Noch während man sich über die angekündigte Schließung der Hamburger Galerie der Gegenwart wunderte und vor allem über die unterschiedlichen Begründungen, folgte der zweite Streich: Auch das Altonaer Museum müsse im Oktober schließen, um Brandschutzbestimmungen durchführen zu können. Da schlugen die Medien- und andere Wellen hoch: Direktor Hinrichsen befürchtete in einem Interview, das Haus werde danach nicht mehr geöffnet. Nach so einer Äußerung steht natürlich der Gang in die Kulturbehörde an, und danach ist fast alles wieder anders: Das Museum wird nicht komplett geschlossen, sondern nur ein bißchen, weiss das Hamburger Abendblatt.

So nebenbei kam auch bei den vielen Hamburger Pressekonferenzen heraus, dass Brandschutzmaßnahmen nicht der Grund für die Schließung der Museen seien, wie es man sich hier auf NDR-Online anschauen kann.

Alles äußerst merkwürdig. Das findet auch das Abenblatt, das in einem Leitartikel feststellt:

„Dass sich gleich zwei Museumsdirektoren innerhalb weniger Tage in einem Interview mit dieser Zeitung so offen und so fassungslos zu den Perspektiven ihrer Häuser äußern, dass sie gar der für sie zuständigen Behörde zutrauen, die Brandschutzprobleme nur vorzuschieben, lässt kaum auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Kultursenatorin und Museumsszene schließen. Ob es sich tatsächlich um verdeckte Sparmaßnahmen oder um Sicherheitsbedenken handelt, ist da nicht einmal mehr relevant.“

Kein Ende der Fastenzeit in Hamburg

Geschrieben von am 3. April 2010 09:50

Für einige ist nun ja das Ende der Fastenzeit angesagt – für Hamburgs Museen gilt das allerdings nicht. Im Artikel von Petra Schellen in der Taz wird die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck als Gutsherrin beschreiben, die nach Gutdünken mal hier und da die Gelder verteilt. Gerne in der Hochkultur – wie Elbharmonie, die, wen wundert das eigentlich noch, teurer wird als geplant, ungern an die 7 kulturgeschichtlichen Museen oder an low culture. Aber auch die Elbharmonie muss anscheinend darben: wenn der Bau so teuer ist, muss man halt am Programm sparen. Das sollen die Museen künftig auch: über Ausstellungen soll künftig eine Jury, die die Kulturbehörde einsetzt, entscheiden – nach Vorlage. Zugleich sollen natürlich BesucherInnenzahlen erhöht werden. Kein Wunder dass die DirektorInnen not amused sind.

Auch andere Medien informierten über die schlechte Stimmung in der Hansestadt: DeutschlandRadio berichtete über die Finanzmisere in Hamburg und die Welt über die Kehrtwende in der Museumspolitik.

Ausverkauf der Museen?

Geschrieben von am 14. Dezember 2009 13:43

Heute im Fernsehen: Tabubruch oder Problemlösung? – Diskussion um Verkauf von Museumsbesitz, zu sehen in der Sendereihe des Kulturjournal im NDR. Auslöser ist die Situation in Hamburg – die Kunsthalle steht vor einem finanziellen Engpass, und der Stiftungsrat hat den Direktor Gaßner damit beauftragt, eine Liste von „entbehrlichen Kunstwerken“ aufzustellen, die verkauft werden könnten.
Darum geht es heute im Kulturjournal. Auf der Seite des NDR heisst es in der Ankündigung:

„Plötzlich scheint das Undenkbare möglich: der Verkauf von Kunstwerken aus Museumsbeständen. In Hamburg wird eben diese Option heftig diskutiert. Der Stiftungsrat der Kunsthalle befürwortet die Veräußerung einzelner Werke, um die Finanzlöcher des Museums zu stopfen. Demgegenüber schließt der Direktor der Kunsthalle, Hubertus Gaßner, im Kulturjournal den Verkauf von Werken kategorisch aus. Doch warum sollen Museen grundsätzlich Teile ihres Bestandes nicht verkaufen dürfen? Wäre das tatsächlich ein kultureller Sündenfall, wie vor allem Museumsleute meinen – oder vielleicht doch eine Lösung von immer dringlicher werdenden Finanzproblemen? Das Kulturjournal diskutiert diese Grundsatzfrage mit dem Leiter des Deutschen Museumsbundes, Michael Eissenhauer und zeigt, wie unterschiedlich die Institutionen in Norddeutschland damit umgehen.“

Die Sendung läuft heute um 22.30 Uhr im NDR.

Hier kann man über das Hamburger Problem nachlesen, sozusagen symptomatisch für Deutschlands Museen: ein Gastbeitrag der Kultursenatorin Karin von Welck im Hamburger Abendblatt, ein Artikel in der Welt und ein Interview mit dem ehemaligen Kunsthallendirektor Schneede im Deutschlandfunk.

Eis und gelbe Seiten

Geschrieben von am 3. November 2009 10:42

Aufeinandergeschichtete Eiswürfelbehälter empfangen uns am Eingang des Raumes. Gleich darauf erkennen wir das Skelett eines Elches, einen Turm aus gelben Seiten und heimelig flimmern Flammen in aufgetürmten Monitoren – kein Zweifel – wir befinden uns in einer anderen Zeit. In welcher, ist jetzt nicht so wichtig; es geht um früher, als die Menschen noch um Feuer saßen, ihre eigenen Werkzeuge machten und ein komplett anderes Leben lebten. Wir befinden uns im Archäologischem Museum in Hamburg/Helms-Museum in Harburg, in dem seit Mai 2009 die neue Dauerausstellung des Archäologischen Museums gezeigt wird.

Im Erdgeschoss geht es um Archäologisches, im ersten Stock dann mehr um Hamburgensien. Durchbrüche in der Decke schaffen Verbindungen zwischen den Ebenen.
Gegenstände aus unserem Alltag der Gegenwart dienen der Ausstellung als Leitmotiv, als eine Art Türöffner, um sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Das reicht vom Feuer bis zur Glühbirne, vom Hünengrab über Leichenwagen zum Friedhof. Konnte man die Eiswürfelbehälter noch als gelungene Installation schätzen, muten die anderen Inszenierungen zuweilen wie ein dreidimensionales Videospiel an – man drückt und klickt sich durch die Ausstellung, klettert über Pappmaschée(?)-Felsen, stösst ab und zu auch auf Exponate unter Glas, die aus der früheren Zeit stammen, die man hier so anschaulich darstellen möchte (beim Besuch im Sommer 2009 fehlten allerdings noch immer die Objektbeschriftungen).

Unten beschäftigt man sich also mit Dingen wie sich fortbewegen, essen, wohnen und sterben, während man oben eher mit der Gegenwart bzw. jüngeren Vergangenheit mit Schwerpunkt auf Hamburg konfrontiert wird. Als Clou wohl gedacht ist ein überdimensionierter, dreidimensionaler U-Bahnfahrplan von Hamburg, den man sich erlaufen kann. An manchen Stationen ist ein Objekt aufgestellt, das damit in Verbindung steht. Dazu kann man sich eine Erläuterung anhören. Hören sich mehrere Besucherinnen verschiedene Stationen gleichzeitig an, erfüllt den Raum eine unglaubliche Kakophonie.

Im Hamburger Abendblatt heisst es über die Eröffnung: „Alles ist im neuen Museum stark auf die Zielgruppe der Kinder zugeschnitten. Sie sollen die Erlebnislandschaft begehen, die Objekte anfassen, einschalten und entdecken können.“ Dafür hat sich das Museum Experten geholt – die Spiele-Firma Ravensburger. Das Museum als Spiel für große und kleine Kinder, wie es immer so schön heisst?

Nachdem ich in der letzten Zeit schon einige (kulturhistorische) Ausstellungen gesehen habe, die so stark pädagogisch heruntergebrochen waren, dass man sie auch noch verstand, wenn man flüchtig Texte las und an Objekten und Inszenierungen vorbeischlenderte, frage ich mich so langsam, was man als erwachsene Besucherin im Museum eigentlich noch soll.

Das richtet sich auf keinen Fall gegen Interaktives in Museen oder Ausstellungen – das kann auch auf einer sehr gelungene Weise umgesetzt werden, wie etwa die Ausstellung Helvetia-Park im Musée d’Ethnographie in Neuchâtel zeigt. Ich gehe aber auch ins Museum oder in Ausstellungen, um etwas zu erfahren, Dinge zu sehen, die ich mir nicht vorstellen konnte, oder um Dinge anders zu sehen – schlichtweg, um mich mit Fragen zu beschäftigen, die ich mir vorher nicht so gestellt habe – ich suche eine intellektuelle Herausforderung.

In dieser Ausstellung werde ich unterfordert – wie jede erwachsene Besucherin und wahrscheinlich auch größere Kinder. Denn was nehme ich von diesem Besuch mit: Ein Becher sah vor zig-Jahren irgendwie auch schon wie ein Becher aus und das Leben war nicht einfach. Man hat im Prinzip dasselbe gemacht wie heute, nur mit anderen Mitteln. Buddelt man in Hamburg im Boden, findet man etwas Interessantes. Brauche ich für solche Aussagen gleich ein ganzes Museum bzw. eine Ausstellung?
Eine archäologische Erlebniswelt für die ganze Familie, so heisst es im Untertitel auf der Internetseite der Familie. Aber eine Familie besteht nicht nur aus (kleinen) Kindern.

Zur Eröffnung im Hamburger Abendblatt und in der taz.
Im Blog von Frank Lamers erfährt man aus den Kommentaren, dass es einen Urheberrechtstreit um die Konzeption der Ausstellung gab.

Wasser und Kunst

Geschrieben von am 6. September 2009 12:12

Wer sich beeilt und in Hamburg wohnt, schafft es vielleicht noch zur Ausstellungseröffnung von KlimaWasserWerke – Kunstpositionen im Fluss im ehemaligen Wasserwerk Wilhelmsburg.
Malerei, Fotografie, Multimedia und Installation sind die Mittel, mit denen sechs Künstlerinnen ihre Blicke auf das Wasser in Szene setzen. Der Schwerpunkt liegt auf Wasser, da Wilhemsburg im Wasser liegt – auf einer Elbinsel. Wer sich auf den Weg macht, wird auch noch die Performance des U-Boot-Orchesters erleben können.

Die Ausstellung findet im Rahmen der Internationalen Gartenschau statt, die 2013 in Wilhelmsburg veranstaltet wird.
Die Ausstellung läuft dann noch bis zum 27. September.

Auch diese Post schließt

Geschrieben von am 31. August 2009 14:36

Erreicht die Wirtschaftskrise nun die Museen?

In Hamburg schließt zum 18. Oktober 2009 das Museum für Kommunikation, wie am 26. August aus dem Hamburger Abendblatt zu erfahren war. Das Museum gehört zur Museumsstiftung Post und Telekommunikation; die Museen in Berlin, Frankfurt am Main und Nürnberg sollen weiter bestehen bleiben. Die Objekte des Hamburger Museums, das (noch) in der ehemaligen Oberpostdirektion am Stephansplatz untergebracht ist, sollen in den Depots der Stiftung eingelagert werden – auch für die Geschichte Hamburgs bedeutsame Stücke. Die sehenswerte Dauerausstellung von 1999, die der Lage entsprechend einen maritimen Schwerpunkt hat, sollte man sich also unbedingt noch einmal anschauen. Es geht vor allem um die Übermittlung von Nachrichten an den Küsten, am und im Meer – also um Flaschenpost, Wattenpostkutsche und um das erste Transatlantikkabel. Die Schließung wurde in der Museumsstiftung schon im Juli beschlossen:

„Bei einer außerordentlichen Sitzung hat das Kuratorium am 7. Juli beschlossen, den Standort Stephansplatz Mitte des Jahres 2010 aufzugeben und das Museum an keinem neuen Standort weiterzuführen. Für das Publikum wird das Museum bereits am 18. Oktober geschlossen“, sagte Morbach. Grund seien die Pläne des Investors, der das Gebäude gekauft habe und demnächst ein Klinikum hier errichten werde. „Eine Fusion mit einem anderen Hamburger Museum erwies sich als unrealisierbar. Da wir nicht über die finanziellen Mittel verfügen, das Museum an einem neuen Standort wettbewerbsfähig zu etablieren, ist die Schließung nun leider unvermeidlich“, sagte Morbach.“

Über eine Schließung war anscheinend schon länger debattiert worden. Schuld sind weniger mangelnde Besucherzahlen, sondern wohl die allgemeine Sparpolitik bei der Deutschen Post und bei der Deutschen Telekom, den Trägern der Museumsstiftung. Das ist bedauerlich, denn der Besuch im Hamburger Museum für Kommunikation lohnte immer – vor allem auch mit Kindern. Auch ist es sehr schade, dass keine Hamburg-interne Lösung gefunden werden konnte: „Wir sind nicht zuständig, da es sich um eine bundesunmittelbare Stiftung handelt, „so wird im Abendblatt die Kulturbehördensprecherin Ilka von Bodungen zitiert.

Gesurft

Geschrieben von am 30. Oktober 2008 19:11

Das Altonaer Museum hat eine neue Website, d.h. so neu ist sie auch wieder nicht, da sie im Mai diesen Jahres online gestellt wurde. Im Header wechseln nun ständig die Bilder, ein neues Logo und neue Farben. Es ist alles ganz nett anzuschauen, wenn auch die Umsetzung sonst etwas konventionell ist. Doch wirkliche Informationen gibt es aber leider wenig. Ich wollte mich über die Bauernstuben informieren – und stosse auf das:

Es ist interessant zu wissen, dass es so etwas gibt – nur was bringt das so prominent auf der website? Der Text in der Rubrik „Über das Museum“ ist recht knapp und allgemein, ein Leitbild gibt es nicht. Zu den Ausstellungen gibt es mehr Informationen; es wird aber nicht zwischen Dauerausstellung und Ausstellung unterschieden; leider reicht das Archiv nur drei Ausstellungen zurück. Es fällt schwer, zu sagen, was im Museum alles zu sehen ist, noch erfährt man, wohin es möchte, es ergibt sich kein Bild. Das ist für jemand, der sich informieren möchte, einfach zu wenig. Oder habe ich etwas übersehen?

Tamm eröffnet sein Museum

Geschrieben von am 26. Juni 2008 12:15

Hamburg hat ein neues Museum – das Internationale Maritime Museum. Die Institution in der historischen Speicherstadt stützt sich auf die Sammlung des Springer-Verlegers Peter Tamm, der für Aufbau und Umsetzung von der Stadt Hamburg den Kaispeicher B erhielt sowie 30 Mill. Euro. Liest man nun die Berichte über die Eröffnung, so meint man, das von zwei unterschiedlichen Museen die Rede sei.
Beim Hamburger Abendblatt war alles eitel Sonnenschein. Da wird über die vielen tollen Objekte berichtet, da klopfen sich die Politiker – selbst Bundespräsident Köhler war anwesend – auf die Schulter. Alle freuen sich über die Erfüllung eines Kindheitstraumes. Die kleine Störung vor der Tür kann man hinnehmen: „Vor dem Museum demonstrieren eine Handvoll Menschen gegen die nach Ansicht der Kritiker unreflektierte Militärlastigkeit der Ausstellung.“ Denn: „Die oft kritisierte Sammlung von Kriegsschiffen aus allen Epochen sowie Handfeuerwaffen und Uniformen beschränkt sich wesentlich auf eine Etage“, so das Abendblatt. Ist also alles gar nicht so schlimm?
Till Briegleb von der Süddeutschen Zeitung scheint ein anderes Museum besucht zu haben:

„Was man dort nämlich faktisch lernen kann, ist, wer mit 196 Schiffen die meisten Versenkungserfolge in der Geschichte des U-Boot-Krieges vorzuweisen hat und wie toll die Kameradschaft auf einem deutschen Kriegsschiff der Nazizeit war.

Sachliche Information besteht aus unkritischer Kolonialgeschichte und ausführlichen Erinnerungen der kaiserlichen Admiralität, deren Ordensnachlass und Hutschachteln dazu noch prunkvoll inszeniert werden.

Statt die Gräueltaten der Herrenmenschen in Afrika und Europa zu dokumentieren, beschreibt die Ausstellung lieber in ermüdender Ausführlichkeit die technischen Details von Torpedos und Panzerschiffen. „

Sein Fazit ist:

„Die staatliche Unterstützung und die Würde, die der Bundespräsident dieser Eröffnung mit seiner Anwesenheit verleiht, sind angesichts des dubiosen Inhalts des Museums ein fatales Zeichen. Wenn Herrschaftsgeschichte wieder Opfergeschichte aus dem Museum verdrängt, ist Mahnung gefragt, nicht Salbung.“

Da hilft nur eines: selbst hingehen!
Hier
ein Artikel in der Taz, hier kann man die Eröffnung im ZDF sehen, hier der Bericht auf Spiegel online und hier geht es um Aktionen von KünstlerInnen, die das Museum kritisieren.

Museum, zersplittert

Geschrieben von am 17. Dezember 2007 13:43

Gut gefallen hat mir ja der etwas polemische Artikel von Dieter Bartetzko in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15.12.2008 über das „Museum als Scherbengemeinschaft“. Anlass war natürlich der chinesische Skandal im Hamburger Völkerkundemuseum. Bartetzko wertet die falschen Terrakotta-Figuren in einem Museum nicht als Einzelfall bzw. er wundert sich nicht sonderlich darüber, da Event heute zum Tagesgeschäft zähle, und echt oder unecht eigentlich nicht mehr die wichtigste Frage sei. Er erinnert an längst übliche Praktiken in der Ausstellungsszene, die die „Schau als Show“ vermarkten: so die Körperwelten eines Gunter von Hagens oder Ausstellungsplakate, die mit der „barbusigen Mamor-Venus als Pin-up-Girl“ werben. Schön ist auch der Satz der Firma, die diese Ausstellung der chinesischen Krieger auf den Weg schickte – als „authentische Scherbenfiguren aus Originalmaterial“. Da kann man nun lange rätseln, wie das zusammengeht.
Interessieren würde mich nun, wieviele BesucherInnen der Hamburger Ausstellung vom Angebot des Museums für Völkerkunde Gebrauch machen, den Eintrittspreis zurück zu erhalten.

BallinStadt Hamburg

Geschrieben von am 21. August 2007 16:03

Schicker Trödel – Der Ballinstadt fehlt es an Inhalt und Glaubwürdigkeit
Schick stehen sie da, die neuen Klinkerbauten der BallinStadt. Beeindrucken soll dieses „Vorzeigeprojekt“ und eine erfolgreiche deutsch-amerikanische Geschichte erzählen: Kaum zu glauben, dass zwischen 1850 und 1934 an die 5 Mio. Menschen über Hamburg nach Amerika emigriert sind. Albert Ballin hatte nicht zuletzt als Generaldirektor der Hapag, der Hamburger Amerika Linie mit seinen modernen Passagierdampfern, ein starkes Interesse an steigenden Auswandererzahlen. Doch jene brachten nicht nur Geld, sondern auch gefährliche Seuchen in die Stadt. 1892 starben – auch angesichts miserabler hygienischer Verhältnisse in Hamburg – fast 10.000 Menschen an der asiatischen Cholera. So stand Ballin unter Zugzwang, wollte er seine wertvolle Kundschaft nicht gänzlich an Bremen verlieren.

Direkt am südlichen Hafenrand, auf der Veddel, ließ er folgend eine großzügige Anlage errichten, ausgestattet mit reichlich Grün, mit Kirchen und Musikpavillon, ja selbst mit jüdischer Synagoge und modernsten, auch koscheren Küchen. Auf der Weltausstellung in Paris prämiert und 1901 eröffnet waren die Auswandererhallen ein attraktives Pauschalangebot für Ausreisende aus Europa, die hier auf ihr Schiff warten und betreut die Ausreiseformalitäten erledigen konnten. Bereits 1906 musste die Anlage erweitert werden, es waren in jenem Jahr über 100.000 Gäste zu verbuchen. Eine kommerzielle Erfolgsgeschichte also.

Soweit die guten Nachrichten. Nun die schlechten: fast hundert Jahre danach möchte Hamburg an diesen Erfolg anknüpfen. Also investiert man 12 Mio. Euro – zu drei Vierteln die Stadt, ein Viertel die Sponsoren – , und baut auf dem mittlerweile brachen Gelände drei der Schlafbaracken originalgetreu wieder auf. Eine auf Freizeiteinrichtungen spezialisierte Firma, die Leisure Work Group, soll darin eine interaktive Erlebnisausstellung konzipieren und kommerziell vertreiben. Untertitel: „Port of Dreams – Auswandererwelt Hamburg“. So flach der Titel, so flach der Inhalt. Laut Betreiber können die Besucher sämtliche Phasen der Emigration nacherleben: „vom Aufbruch und Überfahrt bis zur Ankunft in New York und dem endgültigen Verbleib der Auswanderer.“ Nach dem schicken Foyer mit der ausführlichen Sponsorenpräsentation – der „Bereich Familienforschung“ ist wie andere Computertechnik größtenteils zusammengebrochen – wird man im zweiten Gebäude auf die Reise geschickt.

Doch die zahllosen alten Überseekoffer, die lieblos gekleideten Holzpuppen und die schief und krumm an den Wänden angeklebten Kopien historischer Dokumente vermitteln eher den Eindruck eines aufgelassenen Trödelladens als den einer Edutainmentausstellung. Mühsam sucht man sich Informationen zusammen, indem man sich an die Holzpuppen schmiegt, die relativ beliebige und vorhersehbare Geschichten erzählen und ein akustisches Chaos erzeugen. Man streift an den überall angeklebten Zetteln und Plakaten vorbei, die schwer zu interpretieren und zuzuordnen sind. Man steht irgendwann genervt vor Goldrahmen oder Koffern, die parallel banale Filmausschnitte auf Screens abspielen. Auch Installationen wie Ballins Arbeitsplatz, ein Schiffsbug mit Kino, eine New Yorker Einkaufsstraße oder ein deutscher Buchladen bleiben blutleer und nichtssagend. Ebenso einfältig sind die „Traumblasen“ mit Symbolgehalt am Eingang, die auf den Schiffsrumpf gepinselten Hoffnungen der Migranten, und die „Eingemachten Erinnerungen“ auf bunten Zetteln, die uns am Ende der 2. Halle präsentiert werden und die alle an modernes „brainstorming“ erinnern.

Im dritten und letzten Gebäude, dem historischen Pavillon, wird die Anlage abschließend ausführlich vorgestellt und ein thematischer Bezug zu Gegenwart und Umfeld geknüpft. Dieser sicher von der Stadt formulierte Anspruch soll mittels hochkopierten Statistiken mit Migrationszahlen und einer bunten Fotowand mit Kindern auf der Veddel – die in einem Video dann zynischerweise u n s die besten Wünsche in ihrer Landessprache zusprechen, dabei hätten sie sie selbst sicher nötiger – eingelöst werden. Doch so kann man das komplexe Problem von Flucht, Vertreibung und Suche nach menschenwürdiger Existenz im Zeitalter der Globalisierung nicht abhandeln.

Selten begegnet einem in dieser Ausstellung ein Gefühl von Bedeutung und Glaubwürdigkeit, alles wirkt seicht und gefällig, bleibt oberflächliches Event. Nur wer hartnäckig ist und an einzelnen Stellen genauer sucht – eine Fundgrube ist Ballins Schreibtisch –, entdeckt interessante historische Belege wie den Klagebrief eines jüdischen Auswanderers an Ballin, der über Misshandlungen in den Kontrollstationen berichtet, oder das einzige überlieferte Filmdokument des „Überseeheims“ von 1926. Nicht schick, aber zumindest spannend finden sicher viele das mechanische Pferd vor dem Gemüsekarren, das ständig seine Mähne schüttelt und dann den Schwanz erhebt – wird es wohl…?

Der Museumsblog hat hier und hier schon einmal darüber berichtet.

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